BGH XII ZR 107/17
Nichtigkeit der Auflassungsvollmacht bei Nichtigkeit des Vertragsangebots

04.08.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
27.05.2020
XII ZR 107/17
NJW-RR 2020, 962

Leitsatz | BGH XII ZR 107/17

Die in einem notariell beurkundeten Angebot auf Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück erteilte Auflassungsvollmacht ist im Fall der Formnichtigkeit des Angebots im Zweifel ebenfalls unwirksam. Anders liegt es, wenn eine Partei die andere unwiderruflich zur Auflassung bevollmächtigt hat, um so die Vollziehung des Vertrags – und damit die Heilung der Formnichtigkeit des gesamten Vertrags – zu sichern (im Anschluss an BGH WM 1964, 182 = BeckRS 1963, 31189701; NJW-RR 1988, 348; NJW-RR 1989, 1099).

Sachverhalt | BGH XII ZR 107/17

Die Parteien erheben wechselseitig Ansprüche nach Beendigung ihrer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Die Parteien lebten seit 2012 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Sie bewohnten ein ursprünglich der Klägerin gehörendes Hausgrundstück. Mit notarieller Urkunde vom 5.11.2012 unterbreitete die Klägerin dem Beklagten ein Angebot zum Abschluss eines Übertragungsvertrags über den hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück. Darin heißt es unter anderem:

„Das Angebot ist unbefristet und unwiderruflich. Zur Wirksamkeit der Annahme genügt deren Erklärung zum notariellen Protokoll. Die Klägerin bevollmächtigt hiermit den Beklagten unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB mit der Annahme des Angebots gleichzeitig die Auflassung in [ihrem] Namen zu erklären und alle zur vertragsgemäßen Durchführung des Vertrags erforderlichen Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen.“

Das Grundstück war mit einer Grundschuld in Höhe von 45.000 Euro belastet, die zum Zeitpunkt der Urkundenerstellung noch mit 34.000 Euro valutierte. Der Wert des Miteigentumsanteils wurde mit 30.000 Euro angenommen.

Im Jahr 2015 beendete die Klägerin die Beziehung zu dem Beklagten und forderte ihn in der Folgezeit mehrfach erfolglos zum Auszug auf. Mit Schreiben vom 02.09.2015 erklärte die Klägerin die Anfechtung der „notariellen Vereinbarung“ vom 05.11.2012. Am 07.10.2015 erklärte der Beklagte vor einem Notar die Annahme des Angebots vom 5.11.2012 sowie die Auflassung, aufgrund derer er am 05.01.2016 als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen wurde.

Das LG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG die Klage abgewiesen.

Entscheidung | BGH XII ZR 107/17

Die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Der BGH stellte fest, dass keine Heilung des Formmangels nach § 311b I 2 BGB eingetreten ist. Damit ist er der Entscheidung des OLG entgegengetreten. Das OLG vertrat die Auffassung, der schuldrechtliche Vertrag sei durch Eintragung geheilt worden, einschließlich der darin enthaltenden dinglichen Erklärungen. Die Ermächtigung zur Abgabe der Auflassungserklärung sei somit ihrem gesamten Inhalt nach gültig geworden.

Nach der Rspr. des BGH hat die Formnichtigkeit eines Grundstückkaufvertrags gem. § 139 BGB im Zweifel auch die Unwirksamkeit der in diesem Vertrag dem Käufer vom Verkäufer erteilten Auflassungsvollmacht  zur Folge. Anders liege es, wenn eine Partei die andere unwiderruflich zur Auflassung bevollmächtigt habe, um so die Vollziehung des Vertrages – und damit die Heilung der Formnichtigkeit des gesamten Vertrages – zu sichern. In einem solchen Fall sei die Auflassungsvollmacht als selbstständig gewollte anzusehen. Eine solche Ausnahme sei vorliegend aber gerade nicht anzunehmen. Die Auflassungsvollmacht der Klägerin ist damit nach der Zweifelsregelung des § 139 BGB unwirksam.

Die Heilungswirkung des § 311b I 2 BGB könne sich ferner auch nicht auf die Auflassungsvollmacht erstreckt haben, so der Senat. Denn eine Heilung setze zunächst eine wirksame Auflassung voraus. Sie kann folglich nicht eintreten, wenn schon die Auflassungsvollmacht nicht wirksam erteilt worden ist. Die vom Beklagten daher ohne Vertretungsmacht erklärte Auflassung war damit unwirksam und konnte nicht zum Wechsel des hälftigen Miteigentumsanteils auf den Beklagten führen.

Praxishinweis | BGH XII ZR 107/17

Der BGH verdeutlicht in diesem Urteil erneut die Systematik der Heilungsvorschriften. Die Heilung eines schuldrechtlichen Vertrag durch wirksame Auflassung setzt zunächst eine wirksame Vollmacht voraus. Liegt diese nicht vor, kann keine Heilung eintreten.

Damit ist es in der Praxis von grundlegender Bedeutung bei schuldrechtlichen Verträgen die notwendige rechtsgeschäftliche Form einzuhalten.