BFH II R 24/20
Anteilsvereinigung bei einer grundbesitzenden GmbH

17.03.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
16.03.2022
II R 24/20
DStRK 2022, 277

Leitsatz | BFH II R 24/20

  1. Verpflichtet sich ein Gesellschafter zur Abtretung eines Geschäftsanteils, verwirklicht erst ein gesellschaftsrechtlich formwirksames Rechtsgeschäft den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Ein formloser Gesellschafterbeschluss reicht nicht aus.
  2. Die Anrechnung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG ist nicht Bestandteil der gesonderten Feststellung gemäß § 17 Abs. 3 GrEStG.

Sachverhalt | BFH II R 24/20

An der Klägerin, einer GmbH, waren die Gesellschafter B, C und D zu gleichen Teilen beteiligt. Mit (formlosem) Gesellschafterbeschluss vom 30.05.2013 vereinbarten sie, das Stammkapital der Klägerin zu erhöhen. Die Erhöhung sollte durch Einbringung ihrer Geschäftsanteile an der A- GmbH erfolgen. Die vier Geschäftsanteilen an der A-GmbH wurden von der Klägerin und den Gesellschaftern teils unmittelbar, teils mittelbar als Treugeber über einen von ihnen als Treuhänder gehalten. Der Beschluss wurde durch notarielle Beurkundung am 28.08.2013 vollzogen und die Klägerin dadurch zur alleinigen Gesellschafterin der A-GmbH.

Vorher hatte die A-GmbH durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 03.07.2013 ein außerhalb des Bezirks ihrer Geschäftsleitung belegenes Grundstück erworben. Hierfür wurde Grunderwerbssteuer festgesetzt.
Das Finanzamt ging davon aus, dass der A-GmbH seit dem 03.07.2013 ein Grundstück gehörte und stellte daher eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG durch die am 28.08.2013 notariell beurkundete Anteilsübertragung auf die Klägerin gem. § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG gesondert fest.

Die Klage der GmbH hatte Erfolg. Das Finanzgericht bejahte die Anwendung der Begünstigungstatbestände des § 1 Abs. 6 S. 2 und des § 6a GrEStG. B, C und D hätten sich über Treuhandvereinbarungen zu einem gemeinsamen Zweck, dem Halten der Geschäftsanteile der A-GmbH, gesellschaftsrechtlich zu einer GbR verbunden, sodass der Erwerbsvorgang als Umstrukturierung im Konzern anzusehen sei.

Entscheidung | BFH II R 24/20

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das Finanzamt hat die Besteuerungsgrundlagen zutreffend festgestellt. Der Anteilserwerb unterlag der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG und war nicht nach § 6a GrEStG steuerbegünstigt. Die Nichterhebung der Steuer gemäß §1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist hingegen nicht Bestandteil der gesonderten Feststellung.
Ob ein Grundstück i.S. des §1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgeblich ist vielmehr, ob es der Gesellschaft bei Entstehung der Steuerschuld nach § 1 Abs. 3 GrEStG aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3, 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Die Verwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift die Begründung eines zivilrechtlich wirksamen und durchsetzbaren Anspruchs auf Übereignung voraus.

Mit der notariell beurkundeten Sacheinlageverpflichtung der Anteilseigner hat die Klägerin am 28.08.2013 eine steuerbare Vereinigung aller Anteile der grundbesitzenden A-GmbH verwirklicht, § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Dieser Erwerbstatbestand wurde nicht bereits durch den formlosen Gesellschafterbeschluss vom 30.05.2013 realisiert, da es für eine rechtswirksame Verpflichtung zur Abtretung eines Gesellschaftsanteils der notariellen Form bedarf, § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG. Eine später in Erfüllung der formunwirksamen Verpflichtung erfolgte formwirksame Abtretung führt zwar zur Heilung nach § 15 Abs. 4 S. 2 GmbHG, diese erfolgt aber nicht mit zivil- oder steuerrechtlicher Rückwirkung.

Am 28.08.2013 „gehörte“ der Grundbesitz grunderwerbsteuerrechtlich zum Vermögen der A-GmbH. Durch den Kaufvertrag stand der A-GmbH ab dem 3.7.2013 ein wirksamer Anspruch auf Übereignung zu. Auf die Wirksamkeit der Auflassung oder die Fälligkeit des Kaufpreises kommt es nicht an. Die Einbringung der Geschäftsanteile an der A-GmbH führt zu einer Vereinigung aller Anteile in der Hand der Klägerin. Erwerberin war damit die Klägerin und nicht eine behauptete GbR der Gesellschafter.

Eine im Rahmen des Bescheids nach § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GrEStG festzustellende Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG ist bereits deshalb nicht erfüllt, da es an der von § 6a S. 3 GrEStG vorausgesetzten Konzernstruktur fehlt. Weder im Verhältnis zwischen der Klägerin und der A-GmbH, noch im Verhältnis zwischen der Klägerin und den Gesellschafter B, C und D (bzw. einer möglichen GbR der Genannten) bestand ein Beherrschungsverhältnis. Über das Vorliegen der Begünstigung gem. § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG ist hier nicht zu entscheiden, weil es sich dabei um keine festzustellende Steuerbefreiung, sondern um eine Anrechnungsvorschrift handelt, über die das Festsetzungsfinanzamt aufgrund der Kenntnis der Bemessungsgrundlage zu befinden hat.

Praxishinweis | BFH II R 24/20

Aus verfahrensrechtlichen Gründen kann der BFH zur vom FG befürworteten Ausnahme von der für § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG erforderlichen Erwerberidentität aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht entscheiden. Formal ist diese hier nicht gegeben, weil die A-GmbH Erwerberin aufgrund des Grundstückskaufs nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GrEStG war und die Klägerin anschließend fiktive Erwerberin von der A-GmbH nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der Fall wäre auch de lege lata mit dem gegenüber § 1 Abs. 3 GrEStG vorrangigen § 1 Abs. 2b GrEStG nicht anders zu entscheiden, weil die Klägerin noch vor dem Grundstückserwerb beteiligte Altgesellschafterin an der A-GmbH wäre.