OLG Hamm 15 W 269/22
Zur Löschung des Testamentsvollstreckervermerks aufgrund einer (unaufgeforderten) Freigabeerklärung des Testamentsvollstreckers

20.12.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Hamm
31.01.2023
15 W 269/22
RNotZ 2023, 278

Leitsatz | OLG Hamm 15 W 269/22

  1. Zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Zwischenverfügung im Falle der Grundbuchberichtigung aufgrund Unrichtigkeitsnachweis.
  2. Löschung des Testamentsvollstreckervermerks aufgrund Freigabeerklärung des Testamentsvollstreckers.

 

Sachverhalt | OLG Hamm 15 W 269/22

A und B waren als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen. 2000 verstarb der Erblasser A und hinterließ ein notarielles Testament. In diesem bestimmte er C als Vorerben und falls dieser keine leiblichen Abkömmlinge hinterließe, D und E als Nacherben. Außerdem schloss der Erblasser für den Grundbesitz die Auseinandersetzung für 15 Jahre aus und ordnete bis zur vollständigen Auseinandersetzung des gesamten Grundbesitzes Testamentsvollstreckung an. Der Vorerbe C sollte den Grundbesitz allein verwalten. C, D und E wurden als Eigentümer in Erbengemeinschaft in das Grundbuch eingetragen. Hierbei wurde die Testamentsvollstreckung und die Nacherbenstellung vermerkt.

2021 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte von C, D, E und dem Testamentsvollstrecker die Löschung des Testamentvollstreckervermerks. Beigefügt war eine notarielle Urkunde, in der die Genannten die Löschung bewilligten und beantragten. Bei dieser notariellen Urkunde wurde der Testamentsvollstrecker von C vertreten.

Das AG Münster hat mit Zwischenverfügung darauf hingewiesen, dass die Löschung nicht durchgeführt werden könne, da die Zustimmung der Nacherben zur Freigabe des Nachlassgrundstücks durch den Testamentsvollstrecker fehle. Für die unbekannten Nacherben könne ein nach § 1913 BGB zu bestellender Pfleger die Zustimmung erklären. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

Entscheidung | OLG Hamm 15 W 269/22

Die Beschwerde ist begründet.

Zunächst hätte das Gericht den Antrag formal zurückweisen müssen, wenn das Grundbuch im Zeitpunkt der Antragstellung richtig gewesen wäre. Eine Zwischenverfügung kommt hingegen in Betracht, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs, also das Abweichen des Grundbuchs von der materiellen Lage, vom Antragsteller schlüssig dargelegt wurde. Bei einem Testamentsvollstrecker ist dies z.B. der Fall, wenn der Grundbesitz nicht mehr seiner Verfügungsbefugnis unterliegt, u.a. bei einer Freigabe. Aus der Sicht des Grundbuchamts war das Grundbuch vorliegend jedoch richtig, da es davon ausging, dass eine wirksame Freigabe nicht vorlag.

Allerdings würde allein die Freigabeerklärung des Testamentsvollstreckers zur Unrichtigkeit des Grundbuchs führen. Denn dieser kann durch eine Spezialvollmacht einen anderen wirksam zur Erteilung der Freigabe bevollmächtigen. Dem steht zum einen § 2218 Abs. 1 BGB i.V.m. § 664 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht entgegen, da § 664 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegend mangels „Übertragung“ der Geschäfte im Sinne dieser Norm nicht greift. Zum andere ist durch Auslegung davon auszugehen, dass die Vollmacht eine Befreiung von § 181 BGB enthält, da sie sonst ins Leere liefe. Eine wirksame Bevollmächtigung lag somit vor. Sowohl die Freigabeerklärung als auch die Vollmacht des Testamentsvollstreckers wurden dem Grundbuchamt auch gem. § 29 GBO nachgewiesen.

Bei der Freigabe handelt es sich um ein einseitiges, abstraktes, dingliches Rechtsgeschäft in Form einer empfangsbedürftigen Verzichtserklärung des Testamentsvollstreckers. Sie ist damit im Außenverhältnis ohne Rücksicht auf ihre Zulässigkeit wirksam und ihre Wirkung tritt unabhängig davon ein, ob die Voraussetzungen des § 2217 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgelegen haben. Denn diese Norm betrifft nicht die Berechtigung des Testamentsvollstreckers zur Freigabe von Nachlassgegenständen an die Erben. Auf die Frage, ob die Freigabe durch ein entsprechendes Freigabeverlangen der Erben legitimiert war, kommt es damit nicht an. Schließlich könnte selbst bei einer Kenntnis der Pflichtwidrigkeit der Freigabeerklärung das Grundbuchamt die Löschung des Testamentsvollstreckervermerks nicht verweigern.

Vorliegend ist auch die Nacherbeneinsetzung unerheblich, da die Testamentsvollstreckung gerade auch für die Nacherben, angeordnet ist. Zudem sind die Nacherben bereits durch den Nacherbenvermerk gem. § 51 GBO geschützt. Schließlich liegt auch keine dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung i.S.v. §§ 2208 Abs. 1 S. 1, 2205 BGB vor. Denn zum einen fehlt eine entsprechende Anordnung des Erblassers, zum anderen ist der Zeitraum für das Auseinandersetzungsgebot abgelaufen.

Praxishinweis | OLG Hamm 15 W 269/22

Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers wird durch die Überlassung eines Nachlassgegenstands zur freien Verfügung an die Erben beendet, § 2217 Abs. 1 S. 2 BGB. Das OLG Hamm schließt sich in der vorliegenden Entscheidung der hM an und qualifiziert diese Freigabe als einseitiges, abstraktes, dingliches Rechtsgeschäft, das in einer empfangsbedürftigen Verzichtserklärung des Testamentsvollstreckers auf sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht über den Nachlassbestand besteht. Aus der Einseitigkeit des Rechtsgeschäfts folgt, dass es irrelevant ist, ob der Handlung des Testamentsvollstreckers ein Freigabeverlangen der Erben zugrunde lag oder eine entsprechende Annahme erklärt wurde. Allerdings ist aufgrund der Empfangsbedürftigkeit ein Zugangsnachweis bei den Erben erforderlich. Vor diesem Hintergrund muss i.R.d. Unrichtigkeitsnachweises nach § 22 Abs. 1 GBO auch die Erbenstellung nachgewiesen werden, damit das Grundbuchamt die Identität der Erben als richtige Erklärungsempfänger überprüfen kann.