BGH V ZR 158/19
Zu den dem veräußernden Testamentsvollstrecker zuzurechnenden Kenntnissen der Erben bezüglich Sachmängeln

14.10.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
19.03.2021
V ZR 158/19
ZEV 2021, 382

Leitsatz | BGH V ZR 158/19

  1. Die Denkmaleigenschaft des Kaufobjekts kann einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB begründen. (amtl. Ls.)
  2. Verkauft der Testamentsvollstrecker ein Nachlassgrundstück, kann ihm die Kenntnis der Erben über Mängel der Kaufsache oder andere offenbarungspflichtige Umstände nicht nach den für juristische Personen und öffentliche Körperschaften geltenden Grundsätzen über die „Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustausches“ zugerechnet werden. (amtl. Ls.)
  3. Eine solche Zurechnung findet auch im Verhältnis eines Grundstücksverkäufers zu einer von ihm (nur) mit der Verwaltung des Grundstücks beauftragten, rechtlich und organisatorisch selbständigen Hausverwaltung nicht statt (Bestätigung von Senat v. 22.11.1996 – V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270). (amtl. Ls.)

Sachverhalt | BGH V ZR 158/19

Der Beklagte verkaufte mit notariellem Vertrag aus dem Jahr 2009 ein, mit einem Wohnhaus bebautes, Grundstück an eine KG zu einem Kaufpreis von 5 Mio. Euro unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel. Die Kaufsache gehört zum Nachlass des 1999 verstorbenen Vaters des Beklagten und für den er als Testamentsvollstrecker bestellt ist. Die Erbengemeinschaft besteht aus dem Beklagten, einem Bruder und einer Schwester, der Kläger ist der einzig verbliebende Gesellschafter der KG.

In dem Kaufvertrag, der 2011 vollzogen wurde, heißt es unter anderem: „Der Verkäufer weist den Käufer darauf hin, dass das Objekt seiner Kenntnis nach nicht auf der Denkmalschutzliste verzeichnet ist, es jedoch aus Sicht des Denkmalschutzpflegers erhaltenswerte Bauelemente gibt.“

Der Schwester wurde im Mai 2006 ein Informationsschreiben zugestellt, dass das Haus in das Verzeichnis der erkannten Denkmäler gemäß § 7a Abs. 2 S. 2 Hamburger DenkmalschutzG aufgenommen worden ist. Für den Beklagten und den Bruder wurde das Schreiben an die Grundstücksverwaltung geschickt. Der Beklagte behauptet, den Inhalt des Schreibens nicht gekannt und lediglich gewusst zu haben, dass das Haus unter Beobachtung des Denkmalschutzamtes gestanden habe. In einer Besprechung, an der auch der Beklagte teilnahm, bezüglich der Planung des Bruders, das Gebäude umzubauen, teilte das Denkmalschutzamt dem Architekten mit, es handele sich voraussichtlich um ein Denkmal, dessen Unterschutzstellung angestrebt werde.

Für die Sanierung des Gebäudes erhielt der Kläger im Jahr 2012 eine Baugenehmigung. Das Denkmalschutzamt erließ einen Baustopp, nachdem es 2013 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Daraufhin erhielt er eine Baugenehmigung unter Auflagen.

Der Kläger verlangt vom Beklagten Zahlung von rund 2,8 Mio. Euro als Ersatz für den Minderwert und der vergeblichen Aufwendungen, sowie die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden. Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung hatte Erfolg und der Beklagte erstrebt die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidung | BGH V ZR 158/19

Der BGH sieht, anders als das Berufungsgericht, Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten weder aus § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB noch aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 und 3, § 241 Abs. 2 BGB als gegeben an.

Eine korrekte Beurteilung des Berufungsgerichts liege sowohl in der Annahme, die Denkmaleigenschaft des Kaufobjekts könne einen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB begründen als auch darin, dass das Kaufobjekt bei Gefahrübergang noch nicht unter Denkmalschutz gestanden habe.

Die Eintragung des Hauses in das Verzeichnis erkannter Denkmäler sei ein vom Verkäufer offenbarungspflichtiger Umstand, da die Eintragung den Käufer verpflichtet, alle beabsichtigten Veränderungen dem Denkmalschutzamt anzuzeigen, was insoweit für die Entschließung des Käufers von entscheidender Bedeutung ist und dieser deren Mitteilung nach der Verkehrsauffassung auch erwarten durfte.

Der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten aus Verschulden bei Vertragsschluss setzt als weitere Voraussetzung Arglist voraus. Gleiches gilt, wenn es sich bei dem Denkmalschutz um einen Sachmangel handelt. Dann käme lediglich eine Haftung gemäß § 444 BGB in Betracht, da der Beklagte Ansprüche des Käufers wegen eines Sachmangels vertraglich ausgeschlossen hat. Der BGH stellt fest, dass eine Annahme von Arglist beim Beklagten rechtsfehlerhaft sei.

Zunächst sei festzustellen, dass der Beklagte selbst, in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker, Vertragspartner geworden sei. Demnach käme es bezüglich der rechtlichen Folgen seiner Willenserklärung auf seine Person an. Insbesondere bilde der Testamentsvollstrecker mit den Erben keine Verkäufermehrheit.

Da das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob der Beklagte tatsächlich keine Kenntnis von der Eintragung des Objekts in das Verzeichnis erkannter Denkmäler gehabt hat, sei für das Revisionsverfahren diesbezüglich von der Unkenntnis des Beklagten auszugehen. Eine mögliche Kenntnis der S sei ihm nicht zuzurechnen, da eine Zurechnung nach den für juristische Personen und öffentliche Körperschaften geltenden Grundsätzen über die „Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustausches“ nicht möglich sei.

Auch sei eine Wissenszurechnung des Wissensvertreters gemäß § 166 BGB analog nicht möglich, da keine Anhaltspunkte vorlägen, die darauf hindeuten, der Beklagte habe seine Schwester mit der Erledigung bestimmter Aufgaben in Bezug auf das Grundstück betraut.

Darüber hinaus seien auf den Testamentsvollstrecker die Grundsätze für am Rechtsverkehr teilnehmende Organisationen nicht anwendbar, da es sich bei dem Beklagten weder um eine juristische Person noch um eine vergleichbare Organisation handele. Zudem stehe der Erbe gerade nicht im Lager des Testamentsvollstreckers oder ist sonst in dessen Organisation eingegliedert.

Letztlich käme auch keine Zurechnung des Wissens der Grundstücksverwaltung, die den Brief entgegengenommen hatte, in Betracht. Es mangele insoweit schon am Vortrag, dass die Hausverwaltung in der Veräußerung des Objekts einbezogen war.

Der Beklagte habe somit nicht arglistig gehandelt. Ansprüche des Klägers scheiden mithin aus.

Praxishinweis | BGH V ZR 158/19

Handelt der Verkäufer in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker, so wird er selbst Vertragspartner des Käufers. Dies gilt auch dann, wenn er selbst Erbe ist. Jegliche Kenntnis seiner Miterben muss er sich lediglich dann zurechnen lassen, wenn diese in besonderer Weise an der Veräußerung beteiligt sind. Ein Käufer kann mithin bezüglich der Haftung des Verkäufers für Sachmängel nicht davon profitieren, dass die Kaufsache Teil des Nachlasses einer Erbengemeinschaft ist.