LG München II 12 O 2538/21
Widerruf eine Maklervertrages

27.02.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG München II
29.03.2022
12 O 2538/21
BeckRS 2022, 17536

Leitsatz | LG München II 12 O 2538/21

  1. Eine Widerrufsbelehrung kann auch vor Vertragsschluss erfolgen, die Frist beginnt dann mit Vertragsschluss zu laufen.
  2. Eine Verwirkung des Lohnanspruchs nach § 654 BGB liegt nur vor, wenn der Makler für beide Seiten als Vermittlungsmakler tätig wird.

Sachverhalt | LG München II 12 O 2538/21

Die Klägerin wurde durch die hälftigen Miteigentümer mit dem Verkauf eines Grundstücks beauftragt und stellte dieses auf einem Internetportal ein. Nach Interesse des Beklagten sendete die Klägerin diesem am 06.07.2020 eine E-Mail mit Fotos, Grundriss…  und Widerrufserklärung. Einen Tag später kam es zu einem Besichtigungstermin durch den Beklagten, bei welchem der Gesellschafter der Klägerin dem Beklagten ein Expose, eine Reservierungsvereinbarung und ein Widerrufsformular übergab. Der Beklagte übersendete das unterzeichnete und unterschriebene Dokument am 08.07.2020, der Gesellschafter der Klägerin schickte die Reservierungsvereinbarung ebenfalls unterschrieben am 09.07.2020 zurück. Der Beklagte bezahlte die Gebühr am 13.07.2020. Am 29.07.2020 wurde ein Notarvertrag über den Grundstückserwerb geschlossen, die Maklergebühr findet darin Erwähnung. Nachdem die Klägerin eine entsprechende Rechnung gestellt hat, erklärte der Beklagte „vorsorglich“ den Widerruf/Rücktritt vom Maklervertrag und der Reservierungsvereinbarung.
Die Klägerin beantragt eine Verurteilung des Beklagten in Höhe der fälligen Maklergebühr.

Der Beklagte beantragt im Wege der Widerklage eine Verurteilung der Klägerin zur Rückzahlung der Reservierungsgebühr und Schadensersatz für Kosten für Hochwasserschutz. Es sei bereits kein Maklervertrag zustande gekommen, zumindest hätte er einen solchen aber widerrufen und die Klägerin ihren Lohnanspruch gem. §654 BGB verwirkt, da sie ihn nicht auf die Nähe zu den umliegenden Hochwassergebieten aufmerksam gemacht hätte. Der Beklagte behauptete weiterhin ein Zurückbehaltungsrecht zu haben, da er den Kaufpreis mindern könnte.

Entscheidung | LG München II 12 O 2538/21

Die Klage ist zulässig und begründet, die Widerklage hingegen in beiden Anliegen unbegründet.

Zwischen den Parteien ist ein Maklervertrag zustande gekommen. Das Angebot des Beklagten lag in der unterzeichneten Reservierungsvereinbarung, die auch einen Passus zur Maklerprovision enthielt und ist der Klägerin zugegangen. Es wurde durch Unterzeichnung des Gesellschafters der Klägerin angenommen, was wiederum dem Beklagten zugegangen ist. Der Beklagte schuldet auch eine Provision für die Maklertätigkeit der Klägerin. Dies ergibt sich schon aus § 653 Abs. 1 BGB.

Zwar hat der Beklagte grundsätzlich ein Widerrufsrecht nach §§ 355, 312 g Abs. 1 BGB, welches er auch ausübte. Allerdings ist dieser Widerruf verfristet. Grundsätzlich beträgt die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 BGB 14 Tage und beginnt mit dem Vertragsschluss. Die Frist beginnt dementsprechend am 09.07.2020 und ist am 23.07.2020 abgelaufen. Hier greift auch kein späterer Beginn, da der Beklagte bereits durch Aushändigung der Widerrufsbelehrung am 07.07.2020 ordnungsgemäß entsprechend Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über sein Recht unterrichtet wurde. Auch ergeben sich weder aus §§ 355, 356 BGB noch aus Art. 246a EGBGB Anhaltspunkte, dass eine Widerrufsbelehrung vor Vertragsschluss nicht erfolgen kann.

Es liegt keine Verwirkung des Provisionsanspruchs vor, da die Klägerin nicht für beide Seiten als Vermittlungsmakler tätig war. Eine schwere Verletzung der maklerrechtlichen Treuepflicht ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin den Beklagten nicht über die Hochwasserrisikogebiete aufklärte. Denn wer ein Grundstück in einer bestimmten Lage erwirbt, hat selbst dafür zu sorgen, dass er über die Eigenarten der Lage informiert ist.

Des Weiteren liegt auch kein Verstoß gegen AGB Recht vor. Die Reservierungsvereinbarung enthält die essentialia negotii für einen Maklervertrag. Diese stellen keine allgemeinen Geschäftsbedingungen zu einem Vertrag dar, sondern den Vertrag(sschluss) selbst. Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 2.a BGB scheitert außerdem daran, dass der Maklervertrag kein gegenseitiger Vertrag ist und so bereits kein Recht des Beklagten nach §320 BGB besteht.

Schließlich ist keine Aufrechnung möglich, da der Beklagte gegen die Klägerin gerade keinen Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung hat (siehe obige Argumente).

Praxishinweis | LG München II 12 O 2538/21

Das LG stellt klar, dass die Erklärung über den Widerruf auch bereits vor Abschluss des Vertrags erfolgen kann. Sie beginnt dann ab dem Abschluss zu laufen. Die Verwirkung eines Makleranspruchs gem. § 654 BGB liegt nur bei einer schweren Verletzung der maklerrechtlichen Treuepflicht vor. Objektiv muss der Makler wesentliche Pflichten verletzten und dem Interesse des Kunden in schwerwiegender Weise zuwider handeln. Subjektiv ist Voraussetzung, dass den Makler ein schweres Verschulden trifft i.S.v. Vorsatz oder diesem nahekommende grobe Fahrlässigkeit. Bei einer unterbliebenen Aufklärung über Hochwasserrisikogebiete ist dies nicht der Fall. Eine Reservierungsvereinbarung wie hier enthält die essentialia negotii für einen Maklervertrag und stellt damit keine AGB, sondern den Vertrag selbst dar.