FG Köln 7 K 1333/19
Vorlagefrage: Verletzt eine höhere Bewertung von vermieteten Immobilien in Drittstaaten bei der Erbschaftssteuer europäisches Recht?

26.12.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

FG Köln
02.09.2021
7 K 1333/19
DStRE 2022, 1188

Leitsatz | FG Köln 7 K 1333/19

Es erscheint zweifelhaft, ob es mit der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 ff. AEUV vereinbar ist, dass der Erwerb eines bebauten und vermieteten Grundstücks des Privatvermögens, welches in einem Drittstaat (hier: Kanada) belegen ist, von der Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13c Abs. 3 i.V.m. § 13c Abs. 1 ErbStG 2009 ausgeschlossen ist.

Sachverhalt | FG Köln 7 K 1333/19

Der Erblasser verstarb im Jahr 2016. Er machte seinem Sohn, dem Kläger, durch notariell beurkundeten Erbvertrag seinen hälftigen Anteil am Grundvermögen in Kanada sowie 1/3 eines Gesellschaftsanteils an der „A1 GmbH & Co. KG“ mit Sitz in Deutschland. Die Grundstücke in Kanada sind zu Wohnzwecken vermietet und nicht Teil des Betriebsvermögens. Sowohl der Erblasser als auch der Kläger lebten zur Zeit des Erbfalls in Deutschland. Der Kläger nahm das Vermächtnis an. Außerdem sind die Grundstücke mit lebenslangen Nießbrauchrechten zugunsten der Ehefrau belastet.

Die Parteien sind sich über den anteiligen Wert der in Kanada belegenen Grundstücksanteile und bezüglich der steuerlichen Bewertung des Nießbrauchs einig. Daraufhin setzte das beklagte Finanzamt die Erbschaftssteuer mit Bescheid vom 17.07.2017 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 19.03.2018 gemäß § 164 Abs. 2 AO die Änderung des Bescheids dahingehend, das Grundvermögen in Kanada gemäß § 13c Abs. 1 ErbStG 2009 lediglich mit 90% seines gemeinen Wertes der Besteuerung zu unterwerfen. Denn das Grundvermögen in Kanada sei zu Wohnzwecken vermietet und gehöre zum Privatvermögen. Im Zuge dessen behauptet der Kläger, dass die einschlägige Norm hinsichtlich der Voraussetzung der Belegenheit des Grundstücks gegen die Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 63 AEUV in Bezug auf einen Drittstaat verstoße. Nachdem das FA die Änderung des Erbschaftssteuerbescheides ablehnte, legte der Kläger Einspruch ein. Diesen wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 23.04.2019 als unbegründet zurück. Daraufhin erhob der Kläger am 24.05.2019 Klage. Der Senat legt dem EuGH die Frage zur Auslegung der Art. 63, 64 und 65 AEUV im Vorabentscheidungsverfahren vor.

Entscheidung | FG Köln 7 K 1333/19

Wichtig zu erwähnen ist die Tatsache, dass das ErbStG 2009 im vorliegenden Fall trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 im Zeitpunkt der Steuerentstehung, dem Todestag des Erblassers 2016, aufgrund der Fortgeltungsanordnung des BVerfG noch anwendbar ist. Das in Kanada belegene Grundvermögen unterliege auch der deutschen Erbschaftssteuer, sofern es nicht steuerfrei sei. Folglich sei das Grundstück in voller Höhe der Erbschaftssteuer zu unterwerfen, wenn die Voraussetzungen des § 13c Abs. 3 Nr. 1 bis 3 ErbStG 2009 nicht erfüllt sind. Während die Voraussetzungen des § 13c Abs. 3 Nr. 1 u. 3 ErbStG 2009 erfüllt seien, fehle es im Streitfall an der Voraussetzung des § 13c Abs. 3 Nr. 2 ErbStG 2009, welcher erfordert, dass das zu Wohnzwecken vermietete Grundstück im Inland, in einem Mitgliedsstaat der EU oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegen ist.

Der Senat legt dem Gerichtshof folgende Frage im Vorabentscheidungsverfahren vor: Sind Art. 63 Abs. 1, 64 und 65 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaates über die Erhebung der Erbschaftssteuer entgegenstehen, die für die Berechnung der Erbschaftssteuer vorsieht, dass ein zum Privatvermögen gehörendes bebautes Grundstück, welches in einem Drittland belegen ist und zu Wohnzwecken vermietet wird, mit seinem vollen Wert angesetzt wird, während ein Grundstück des Privatvermögens, welches im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegen ist und zu Wohnzwecken vermietet wird, lediglich mit 90% seines Wertes bei der Berechnung der Erbschaftssteuer berücksichtigt wird. Damit bezweifelt der Senat die Rechtmäßigkeit eines Ausschlusses von der Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13c Abs. 3 i.V.m. § 13c Abs. 1 ErbStG 2009 von bebauten und vermieteten in einem Drittstaat belegenen Grundstücken. Fraglich sei damit, ob sich der Kläger unmittelbar auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV berufen könne. Der Schutzbereich umfasst ausdrücklich auch Drittstaatensachverhalte, weshalb das Grundvermögen in Kanada, welches aufgrund eines Vermächtnisses in das Vermögen des Klägers übergegangen ist, vom Schutzbereich erfasst sei. Folglich seien alle Maßnahmen verboten, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedsstaat oder in einem Drittstaat abzuhalten, wovon laut Senat auch solche Maßnahmen umfasst seien, die Steuerpflichtige davon abhalten können, in einem anderen Mitgliedsstaat oder Drittland belegene Wirtschaftsgüter zu behalten. Daher könne eine Minderung des Wertes des Nachlasses aufgrund einer höheren Erbschaftssteuer auf das im Drittland belegene Grundvermögen eine grundsätzlich verbotene Beschränkung darstellen.

Aufgrund der zeitlichen Beschränkung hat der Senat Zweifel daran, dass die Beschränkung im Rahmen der Standstill-Klausel in Art. 64 Abs. 1 AEUV erlaubt wäre, da die Vergünstigung der einschlägigen Norm erst 2009 eingeführt wurde. Außerdem sei die Ausnahmeregelung des Art. 65 Abs. 1a AEUV auch laut EuGH Rechtsprechung eng auszulegen. Demnach sei eine Beschränkung ausnahmsweise nur dann gerechtfertigt, sofern die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die objektiv nicht miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind. Dies sei im vorliegenden Fall allerdings nicht der Fall, da sich die Sachverhalte lediglich bei der Belegenheit des Grundstücks unterscheiden und daher keine steuerliche Schlechterstellung rechtfertigen würde. Dafür spreche insbesondere auch, dass der Gesetzgeber die Erwerber von Vermögenswerten in Drittstaaten außerhalb des EWR beim steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG 2009 ebenfalls erfasst. Auch sei weder eine Rechtfertigung durch Art. 65 Abs. 1b AEUV ersichtlich noch sprechen zwingende Gründe des Allgemeininteresses für eine Rechtfertigung der Beschränkung. Die weitere Entscheidung über die Klage hängt von der Beantwortung der Vorlagefrage ab.

 

Praxishinweis | FG Köln 7 K 1333/19

Die Entscheidung über die Klage ist so lange ausgesetzt, bis der EuGH über die Vorlagefrage entschieden hat. Grundsätzlich wird die Entscheidung jegliches Grundvermögen betreffen, das sich in einem Drittstaat außerhalb des EWR befindet, an eine sich in Deutschland regelmäßig aufhaltende Person vererbt wird und damit der deutschen Erbschaftssteuer unterliegt.

Das Verfahren ist beim EuGH anhängig unter C-670/21.