BGH VII ZB 24/20
Unpfändbarkeit von Corona-Soforthilfen in der Zwangsvollstreckung

22.09.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
10.03.2021
VII ZB 24/20
ZIP 2021, 814

Leitsatz | BGH VII ZB 24/20

  1. Bei der Corona-Soforthilfe (Bundesprogramm „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige“ und ergänzendes Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“) handelt es sich um eine nach § 851 I ZPO nicht pfändbare Forderung.
  2. Im Hinblick auf die Verwirklichung der mit dieser Soforthilfe verbundenen Zweckbindung ist in Höhe des bewilligten und auf einem Pfändungsschutzkonto des Schuldners gutgeschriebenen Betrags der Pfändungsfreibetrag in entsprechender Anwendung des § 850k IV ZPO zu erhöhen.

(amtliche Leitsätze)

Sachverhalt | BGH VII ZB 24/20

Der Gläubiger betreibt wegen einer titulierten Geldforderung gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung. Diese unterhält bei der Drittschuldnerin ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto nach § 850k ZPO). Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ließ sich der Gläubiger die Forderungen zur Einziehung überweisen. Im April 2020 wurde dem P-Konto der Schuldnerin im Rahmen der Corona-Soforthilfen ein Betrag i:H.v. 9.000 € gutgeschrieben, wobei dieser einer bestimmten Zweckbindung unterliegt und nur „zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie (…)“ erfolgt. Der Betrag sollte daher nur der Überbrückung von Liquiditätsengpässen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie dienen und insbesondere keine davor entstandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgleichen. Der pfändungsfreie Betrag der Schuldnerin wurde mithin durch das AG antragsgemäß um 9.000 € erhöht.

Entscheidung | BGH VII ZB 24/20

Die Beschwerde des Gläubigers hatte keinen Erfolg.

Mangels Übertragbarkeit ist die Corona-Soforthilfe unpfändbar. Dem stehe insbesondere § 399 Alt.1 BGB entgegen. Eine Forderung kann dann nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung des Inhalts möglich ist. Umfasst sind hiervon auch zweckgebundene Forderungen. Als eine solche ist auch die Corona-Soforthilfe einzuordnen. Der Zweck würde jedoch unterlaufen, wenn die Forderung für Altgläubiger, wie vorliegend, verwandt würde.

Das Pfändungsschutzkonto der Schuldnerin war entsprechend um 9.000 € zu erhöhen. Die Soforthilfe, als öffentlich-rechtliche Subvention, stellt zwar weder Arbeitseinkommen noch eine Sozialleistung i.S.d. §§ 850a ff. ZPO dar. Allerdings handelt es sich hierbei um eine planwidrige Regelungslücke, da der Pfändungsschutz für öffentlich-rechtliche Subventionen bislang nicht geregelt ist. Es besteht auch eine vergleichbare Interessenlage mit dem Ziel des § 850k IV ZPO, sodass die Regelungslücke mit der Erhöhung des pfändungsfreien Betrages geschlossen wird.

Praxishinweis | BGH VII ZB 24/20

Die Regelungslücke wird durch eine Neuregelung der Vorschriften betreffend das Pfändungsschutzkonto mit Wirkung ab 01.12.2021 geschlossen. Anders verhält es sich, wenn der Schuldner kein Pfändungsschutzkonto, sondern ein normales Girokonto führt. Eine entsprechende Anwendung des § 850 IV ZPO scheidet dann aus. Dies hat zur Folge, dass der Schuldner nur weitaus umständlicher, nämlich über den Weg eines Vollstreckungsschutzantrages nach § 765a ZPO, Pfändungsschutz bezüglich der gewährten Soforthilfe genießen kann.