LG Darmstadt 27 O 216/21
Umschiffen des paritätischen Halbteilungsgrundsatzes durch den Doppelmakler über eine „Mehrerlösabrede“

22.02.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Darmstadt
30.12.2021
27 O 216/21
BeckRS 2021, 51806

Leitsatz | LG Darmstadt 27 O 216/21

Nach § 656 c I S. 1 und 2 BGB kann der Makler für den Fall, dass er sich von beiden Parteien des Kaufvertrages über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus ein Maklerlohn versprechen lässt, dies nur in der Weise, dass sich die Parteien in gleicher Höhe verpflichten.

Sachverhalt | LG Darmstadt 27 O 216/21

Die Parteien streiten um die Rückzahlung einer Maklercourtage. Die Beklagten als Gesellschafter führten eine Werbeaktion durch und warben mit 50 % Rabatt bei Vergabe eines Maklerauftrages. Die Eigentümer einer Werbeaktion wurden auf die Aktion aufmerksam und schlossen am 20.01.2021 einen Maklervertrag. Wegen der Provision wurde vereinbart: „Der Auftraggeber verpflichtet sich an den Auftragnehmer eine Provision i.H.v. 4,1 % des Gesamtkaufpreises zu zahlen. Zusätzlich vereinbaren beide Auftragsparteien eine Mehrerlösvereinbarung, diese wird je nach Kaufpreisangebot abgestimmt und wahlweise von der Käufer- oder Verkäuferseite gezahlt.“

Die Kläger interessierten sich für das Objekt und schlossen am 29.1.2021 eine Vereinbarung in den Geschäftsräumen der Beklagten. Hierbei wurde eine Provisionszahlung im Falle des Hauptvertragsabschlusses aufgrund der Nachweistätigkeit i.H.v. 4,1 % vereinbart. Am 03.05.2021 kauften die Kläger das Objekt mit notariell beurkundetem Vertrag. In diesem wird auch die Provision i.H.v. 4,1 % erwähnt.
Die Beklagten verlangten daraufhin Provision von den Klägern i.H.v. 4,1 % (14.754,91 €). Den Klägern wurde eine Rechnung i.H.v. 7.377,46 € gestellt. Dieser Betrag wurde beglichen. Des Weiteren wurde den Klägern eine weitere Rechnung über 6.000,00 € brutto wegen einer „Überschuss-Vereinbarung“ gestellt. Nachdem die Kläger die Rechnung in Frage gestellt hatten, entschuldigten sich die Beklagten und stellten den Verkäufern weitere 7.377,46 € in Rechnung.

Die Kläger schalteten einen Prozessbevollmächtigten ein, der zunächst am 03.07.2021 den Widerruf des Maklervertrags erklärte. Darüber hinaus verlangten sie klageweise die Maklercourtage zurück. Sie behaupten, dass die Verkäufer gemäß der Werbeaktion einen Rabatt von 50 % auf die Maklercourtage von 4,11 % erhalten würden. Dafür sollte der Kaufpreis zunächst um Euro 6.000,00 durch den zu suchenden Käufer als Angebot erhöht werden. Der Kaufvertrag sollte dann um diese Euro 6.000,00 reduziert protokolliert und der Betrag als „Mehrerlös“ dem Käufer in Rechnung gestellt und von diesem bezahlt werden.

Entscheidung | LG Darmstadt 27 O 216/21

Die Klage ist zulässig und im Wesentlichen begründet. Der Maklervertrag zwischen den Klägern und den Beklagten ist gem. § 656c Abs. 2 BGB unwirksam, da er von der Regelung des § 656c Abs. 1 S. 1 und 2 BGB abweicht. Nach § 656 c I S. 1 und 2 BGB kann der Makler für den Fall, dass er sich von beiden Parteien des Kaufvertrages über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus ein Maklerlohn versprechen lässt, dies nur in der Weise, dass sich die Parteien in gleicher Höhe verpflichten. Vereinbart der Makler mit einer Partei des Kaufvertrages, dass er für diese unentgeltlich tätig wird, kann er sich auch von der anderen Partei keinen Maklerlohn versprechen lassen. Vorliegend wurden die Beklagten als sog. „Doppelmakler“ tätig, indem sie mit beiden Parteien des Kaufvertrages einen gesonderten Maklervertrag abgeschlossen haben. Rein formal wurde sowohl mit der Käufer- als auch der Verkäuferseite eine Maklerprovision i.H.v. 4,1 % vereinbart. Die Relevanz der Abweichung von 0,01 % in den jeweiligen Einzelverträgen kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, denn die dokumentierte Provisionsvereinbarung weicht von der tatsächlichen ab. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass die Dokumentation nicht der vertraglichen Vereinbarung entspricht bzw. diese nicht vollständig dokumentiert wurde.

Eine „Mehrerlösvereinbarung wurde eindeutig und verständlich kommuniziert“ bei einem Angebot von 365.000,00 €. Die Kläger wurden zur Bezahlung der offenen Rechnung in Höhe von Euro 6.000,00 aufgefordert unter Hinweis darauf, dass sonst die Ansprüche an die Verkäufer gestellt werden müssten. Dies jedoch stellt einen Verstoß gegen das Erfordernis des Halbteilungsgrundsatzes dar, wie er in § 656c BGB niedergelegt ist. Die Mehrerlösvereinbarung führt zu einer ungleichgewichtigen Belastung der Käufer, in dem diese über die vereinbarten 4,1 % hinaus weitere 6.000,00 € Mehrerlös zu zahlen haben. Das Ungleichgewicht resultiert bereits daraus, dass der Mehrerlös allein von den Käufern zu tragen ist. Es wird darüber hinaus noch verstärkt, da die Mehrerlösvereinbarung zulasten der Käufer offenkundig mit einer reduzierten Provisionszahlung der Verkäufer verbunden ist.

Die Beklagten führten aus, dass die behaupteten Vereinbarungen nicht erfolgt oder nicht durchgesetzt worden sind. Eine weitere Konkretisierung erfolgte nicht.

Der Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz wird auch durch die Rechnungsstellung belegt. Diese stellte mit der identischen Rechnungsnummer den Klägern die „Überschuss Vereinbarung“ und den Verkäufern die Hälfte der dokumentierten Courtage in Rechnung. Nachdem sich die Kläger geweigert hatten, der Forderung nach Zahlung der „Überschuss Vereinbarung“ nachzukommen, wurde den Verkäufern in einer zeitlich nachfolgenden Rechnung diese dergestalt nachbelastet, dass der den Verkäufern bereits in Rechnung gestellte Betrag noch einmal verlangt wurde, insgesamt 4,1 %. Wenn die Beklagten vortragen, man habe hierdurch den Verkäufern im Hinblick auf deren finanzielle Belastung durch den Neuerwerb einer Immobilie entgegenkommen wollen, überzeugt dies nicht. Vor dem Hintergrund der Mehrerlösproblematik und dem zeitlichen Ablauf wirkt dies konstruiert.

Praxishinweis | LG Darmstadt 27 O 216/21

Ein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz gem. § 656c I BGB liegt auch vor, wenn zwar dieselbe Provision von Käufern und Verkäufern vereinbart wird, jedoch eine zusätzliche Mehrerlösvereinbarung zulasten des Käufers fällig wird. Das Ungleichgewicht resultiert dabei zum einen daraus, dass der Mehrerlös allein von den Käufern zu tragen ist. Hier wird es noch verstärkt, da die Mehrerlösvereinbarung zulasten der Käufer offenkundig mit einer reduzierten Provisionszahlung der Verkäufer verbunden ist. In diesem Fall ist der Vertrag gem. § 656c II BGB unwirksam und der Makler bei bereits gezahlter Provision um diese rechtsgrundlos bereichert.