OLG Bremen 3 W 15/23
Transmortale Gültigkeit der Vollmacht ohne explizite Anordnung

08.04.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Bremen
31.08.2023
3 W 15/23
NJW-Spezial 2023, 647

Leitsatz | OLG Bremen 3 W 15/23

Eine notarielle Vollmacht kann auch dann über den Tod der Vollmachtgeber wirksam im Rechtsverkehr verwendet werden, wenn deren Gültigkeitsdauer nicht ausdrücklich über den Zeitpunkt des Ablebens der Vollmachtgeber erstreckt wurde und die Bevollmächtigten später Erben der Erblasser wurden.

Sachverhalt | OLG Bremen 3 W 15/23

Zur Regelung ihrer Vermögensangelegenheiten erteilen die Eltern ihren beiden Söhnen eine notarielle Vollmacht. Der Wortlaut der Vollmacht deutet nicht darauf hin, dass diese über den Tod der Eltern hinaus wirken soll. Nach dem Tod der Eltern beantragen die zu gleichen Teilen beerbten Söhne unter Vorlage der Vollmacht die Eintragung des Eigentumswechsels an einer Nachlassimmobilie. Daraufhin wird vom Grundbuchamt eine Zwischenverfügung erlassen, da es die Vollmacht nach dem Tod der Vollmachtgeber nicht (mehr) für wirksam hält und die Vorlage eines Erbscheins verlangt. Die Beschwerde führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung und das Grundbuchamt wird angewiesen, erneut über den Eintragungsantrag zu entscheiden.

Entscheidung | OLG Bremen 3 W 15/23

Der Senat betont, dass bei Zweifeln bezüglich der Dauer der Wirksamkeit einer Bevollmächtigung entsprechend § 672 S. 1, § 168 S. 1 BGB die allgemeinen Auslegungsregeln erst angewandt werden sollen, wenn eine erste Auslegung der Vollmacht kein eindeutiges Ergebnis liefert. Insbesondere sollte bei dieser ersten Auslegung berücksichtigt werden, dass je stärker der Auftragsgegenstand auf die Person und persönlichen Verhältnisse des Auftraggebers abgestimmt ist, desto naheliegender ein Erlöschen des im Innenverhältnis bestehenden Auftrags mit dem Tod des Vollmachtgebers ist.

Die Vollmacht war für solche Fälle bestimmt, in denen die Eltern aufgrund von Alter oder Krankheit nicht mehr selbstständig für dich sorgen konnten, wobei klargestellt wurde, dass es sich lediglich um Anweisungen im Innenverhältnis handeln sollte. Die Vollmacht bezog sich ausschließlich auf vermögensrechtliche Vertretungsfälle, womit kein spezifischer Bezug zu persönlichen Angelegenheiten vorgesehen war. Dementsprechend gilt es die Vollmacht so auszulegen, dass sie auch über den Tod hinaus für vorrangige Vermögensangelegenheiten gültig ist, wodurch die Anwendung der Zweifelsregelung des § 672 S. 1 BGB vermieden wird. Gleichzeitig wird betont, dass die Vollmacht trotz der gemeinschaftlich erlangten Erbstellung bestehen bleibt. Zur Sicherstellung eines reibungslosen Rechtsverkehrs, bleibt die Legitimationswirkung der Vollmacht bestehen, vorausgesetzt, sie ermöglicht dem Bevollmächtigten als Erbe erweiterte Handlungsoptionen und steht keinen schutzwürdigen Interessen entgegen. Dementsprechend erstreckt sich die Vollmacht auch auf Nachlassgeschäfte.

Praxishinweis | OLG Bremen 3 W 15/23

Beachtenswert ist, dass sich der Senat entgegen dem Wortlaut für eine Rechtsgültigkeit der Vollmacht über dem Tod des Vollmachtgebers hinaus entschieden hat. Es wird darauf hingewiesen, dass eine Fortwirkung der Vollmacht sicherlich im Zusammenhang mit der Aufklärung bzw. Beurkundung beim Notar dokumentiert worden wäre, sofern dies dem Wunsch des Erblassers entsprochen hätte. Um solche Probleme zu vermeiden, ist es empfehlenswert eine Nichtgeltung der Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers in der Vollmachtsurkunde ausdrücklich festzuhalten.