BFH IX R 22/15
Schönheitsreparaturen als anschaffungsnahe Herstellungskosten

15.01.2018

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
14.06.2016
IX R 22/15
DStR 2016, 2274

Leitsatz | BFH IX R 22/15

1.    Unter Instandsetzung und Modernisierung eines Gebäudes sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird.

2.    Zu den Aufwendungen i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG gehören unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen und nicht nach S. 2 der Vorschrift ausdrücklich ausgenommen sind. Hierzu gehören auch Kosten für Schönheitsreparaturen.

3.    Von einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes kann im Regelfall ausgegangen werden, soweit bauliche Maßnahmen innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden. Aufwendungen, die mit den Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nicht im Zusammenhang stehen, können als sofort abzugsfähige Werbungskosten zu berücksichtigen sein.

Sachverhalt | BFH IX R 22/15

Der Kläger erwarb 2006 ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück und führte in den Streitjahren 2007 bis 2009 Instandsetzungs- und Renovierungsmaßnahmen wie die Reparatur des Daches, die Erneuerung der Gasleitungen und Modernisierung sowohl von Bädern als auch Fenstern in mehreren Wohnungen durch. Die entstandenen Kosten machte er als sofort abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte (das Finanzamt) setzte die Einkommensteuer unter Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß fest, ist jedoch im Zuge der Veranlagung für 2009 der Ansicht, dass die in den Jahren 2007 – 2009 angesetzten Erhaltungsaufwendungen insgesamt als anschaffungsnahe Herstellungskosten i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG anzusehen seien. Nach der Änderung der Einkommenssteuerbescheide berücksichtigte es die geltend gemachten Aufwendungen nun nur noch im Rahmen der AfA. Die dagegen beim FG eingelegte Klage hatte keinen Erfolg, da die Maßnahmen einen engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den anderen Maßnahmen hätten und daher nicht isoliert betrachtet werden könnten. Dem stehe auch nicht gegenüber, dass die einzelne Maßnahme möglicherweise isoliert betrachtet eine jährlich anfallende Erhaltungsarbeit bzw. Schönheitsreparatur sein könnte oder die Umbaumaßnahmen in den einzelnen Wohnungen aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlicher Ausprägung erfolgten.  Der Kläger wies in seiner Revision darauf hin, dass seiner Meinung nach die Beurteilung sämtlicher Renovierungs- und Umbaumaßnahmen pauschal als anschaffungsnaher Herstellungsaufwand unrichtig sei, da es zu keiner Einzelfallprüfung kam und die Umstände des konkreten Streitfalls nicht berücksichtigt wurden. Zumindest müssten doch reine Schönheitsreparaturen isoliert betrachtet werden und nicht mit unter den Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen subsumiert werden. Dies würde zu einer Abzugsfähigkeit derselben als Werbungskosten bei Einkünften aus VuV führen. Er beantragt somit, das Urteil des FG aufzuheben, die Änderungsbescheide seiner Einkommensteuer von 2007 und 2008 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid von 2009 die von ihm dargelegten sofort abziehbaren Erhaltungsaufwendungen zu berücksichtigen. Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision. 

Entscheidung | BFH IX R 22/15

Der BFH sah die Revision als teilweise begründet an und hob daher das Urteil des Finanzgerichts auf, soweit dieses die Einkommensteuer 2007 bis 2009 betraf und stellte klar, dass die geltend gemachten Aufwendungen für die Wartung der Heizung nicht als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu beurteilen seien, sondern als sofortige Werbungskosten abziehbar seien.

Aufwendungen, welche durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlasst sind (§ 21 Abs. 1 EStG), sind nicht als Werbungskosten abziehbar, wenn es sich um Herstellungskosten handelt. § 255 Abs. 2 S. 1 HBG bestimmt, welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen. Ebenfalls darunter fallen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 i. V. m. § 9 Abs. 5 S. 2 EStG Aufwendungen für Instandsetzung- und Modernisierungsmaßnahmen, die bis drei Jahre nach Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, sobald sie 15% der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Sie sind dann als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu qualifizieren. Jedoch wies der BFH darauf hin, dass Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen, entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 EStG i. V. m. § 255 Abs. 2 S. 1 HGB nicht hierunter zu subsumieren seien. Der Ansicht des Klägers, dass zumindest Schönheitsreparaturen wie das Tapezieren, Streichen oder Kalken der Wände nicht zu den Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen hinzugerechnet werden könnten, folgte der BFH nicht und hielt damit an seiner früheren Rechtsprechung nicht mehr fest, wonach er einen engen räumliche, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Schönheitsreparaturen zu einer als einheitlich zu würdigenden Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes gefordert hatte. Er wies darauf hin, dass Schönheitsreparaturen nicht zu den üblichen jährlich anfallenden Erhaltungsarbeiten zählten, da sie im Regelfall nicht jährlich vorgenommen würden. Darüber hinaus entschied er eine Zugehörigkeit der Kosten für eine wesentliche Verbesserung des Gebäudes ebenfalls zu den Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG.

Bei der Beurteilung des Sachverhalts sei auf das gesamte Gebäude abzustellen. Die Aufteilung in mehrere Wirtschaftsgüter sei nicht notwendig, da das Gesamtgebäude nicht in unterschiedlicher Weise genutzt wird. Maßgeblich sei, ob zwischen den Gebäudeteilen ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang bestehe.

Der BFH widersprach der Ansicht des FG jedoch bezüglich der Kosten für die Heizungswartung, welche zu Unrecht den anschaffungsnahen Herstellungskosten zugeordnet wurden. Es handle sich dabei vielmehr um regelmäßig anfallende Wartungsarbeiten iSv § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 EStG, die nicht im Zusammenhang mit etwaigen Umbau-, Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen stünden. Diese Kosten dürfe der Kläger in den jeweiligen Streitjahren als Werbungskosten ansetzen.

Die Rügen des Klägers aufgrund mangelnder Sachaufklärung wies der BFH zurück, auch sah er keine Notwendigkeit für eine Einzelfallprüfung, da § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG eine Regelvermutung für das Vorliegen anschaffungsnaher Herstellungskosten enthält.

Praxishinweis | BFH IX R 22/15

Nach dieser Rechtsprechung des BFH gehören Schönheitsreparaturen bei umfassender Renovierung und Modernisierung zu den Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, wenn sie innerhalb von 3 Jahren nach Anschaffung des Gebäudes erfolgen und 15% der Anschaffungskosten übersteigen. Diese Kosten können lediglich im Wege der Absetzungen für Abnutzung über die Nutzungsdauer des Gebäudes verteilt steuerlich geltend gemacht werden. Kosten für bauliche Maßnahmen, die im Zuge von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen anfallen, sind auch dann anschaffungsnahe Herstellungskosten, wenn sie eine wesentliche Verbesserung des Gebäudes bewirken. Jährlich üblicherweise anfallende Erhaltungsaufwendungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 EStG (z.B. laufende Heizungs- oder Aufzugswartungen, Beseitigung von Rohrverstopfungen usw.) werden nicht als anschaffungsnaher Aufwand angesehen und können daher als sofort abzugsfähige Werbungskosten angesetzt werden.