LG Hamburg 333 S 15/21
Rückzahlung überzahlter Mieten

24.02.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Hamburg
31.03.2022
333 S 15/21
BeckRS 2022, 7320

Leitsatz | LG Hamburg 333 S 15/21

Der Zusatz „ca.“ lässt zwar erkennen, dass Toleranzen hingenommen werden sollen. Auch für solche Toleranzen ist jedoch die Grenze dort zu ziehen, wo die Unerheblichkeit einer Tauglichkeitsminderung der Mietsache (§ 536 Abs. 1 Satz 1 BGB) endet. Diese Grenze ist im Interesse der Praktikabilität und der Rechtssicherheit bei 10 % anzusetzen; eine zusätzliche Toleranz ist dann nicht mehr gerechtfertigt (BGH, Urt. v. 24.03.2009 - VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268; Urt. v. 10.03.2010 - VIII ZR 144/09, NJW 2010, 1745).

Sachverhalt | LG Hamburg 333 S 15/21

Die Beklagte mietete eine 3-Zimmer-Wohnung und vermietete diese mit Untermietvertrag für monatlich 824 € an einen Untermieter. Zum 31.10.2018 endete das Hauptmietverhältnis mit der Beklagten. Im Mietvertrag ist die Wohnfläche mit ca. 70 qm angegeben. Die Klägerin zahlte sowohl die Mieten als auch die Mietsicherheit i.H.v. 1.827 € direkt an die Beklagte. Sie schloss mit dem Untermieter am 13.06.2017 einen Abtretungsvertrag, nach welchem der Untermieter seinen Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution an die Klägerin abtritt. Die Klägerin zeigte die Abtretung gegenüber der Beklagten an. Die Beklagte bestätigte den Empfang der Anzeige am 29.06.2017.

Mit Versäumnisurteil vom 12.11.2020 hat das AG Hamburg-Wandsbek die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 4.381,40 € nebst Zinsen zu zahlen. Mit Urteil vom 30.04.2021 hat das Gericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Der Anspruch des Untermieters auf Rückzahlung der überzahlten Mieten gem. § 812 I S. 1 BGB in Höhe von 2.554,50 € sei gem. § 33 I SGB II auf die Klägerin übergegangen. Dieser Anspruch ergebe sich daraus, dass, der substantiierten Behauptung der Klägerin nach, die Wohnfläche lediglich 59,12 qm betragen hat. Ferner stehe der Klägerin wegen der Abtretung ein Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution in Höhe von 1.827 € zu. Die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung mit einem Kaufpreisanspruch für Möbel und Haushaltsgegenstände führe zu keinem Erlöschen der Ansprüche der Klägerin. Die Behauptung der Beklagten, sie habe die Kaution am 28.02.2018 in bar an den Untermieter ausgezahlt, sei unglaubhaft und wegen § 407 I BGB irrelevant.

Die Beklagte meint, die Klägerseite habe bereits vor dem 13.06.2018 von der Flächenabweichung erfahren und könne daher wegen § 814 BGB keine Rückforderung geltend machen.

Entscheidung | LG Hamburg 333 S 15/21

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 2.554,50 € aus übergegangenem Recht verlangen. Durch den gesetzlichen Forderungsübergang ist die Klägerin Inhaberin von Ansprüchen des Untermieters geworden, § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Nach § 33 I S. 1 SGB II gehen Ansprüche von Leistungsempfängern gegen Dritte kraft Gesetzes auf die Leistungsträger über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Dritten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären. Die Klägerin ist als Leistungsträger i.S.d. § 33 I SGB II aktivlegitimiert. Weiterhin müsste der Zeitraum, in dem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährt werden, mit der zeitlichen Leistungspflicht des Dritten übereinstimmen (sog. Zeitraumidentität). Dies ist hier der Fall. Nicht erforderlich ist, dass bei rechtzeitiger Erfüllung des Anspruchs vom Leistungsträger überhaupt keine Leistung gewährt worden wäre; es reicht, dass die Leistung in geringerer Höhe erbracht worden wäre.

Eine Mietminderung folgt nicht aus § 536 II BGB, da nicht von einer zugesicherten Eigenschaft ausgegangen werden kann. Aus einer „ca.-Angabe“ geht nicht hervor, dass die Partei für das Vorhandensein einer Eigenschaft unbedingt einstehen will. Vielmehr wird deutlich, dass sich der Vermieter insoweit nicht binden will. Auch eine Flächenangabe rechtfertigt eine stillschweigende Zusicherung regelmäßig erst dann, wenn sie im Rahmen der Mietzinsvereinbarung als Kalkulationsgrundlage für die Miethöhe vereinbart ist. Im Mietvertrag findet sich jedoch keine Vereinbarung einer Quadratmetermiete.

Es liegt aber ein zur Mietminderung berechtigender Mangel i.S.d. § 536 I BGB wegen einer Flächenabweichung vor. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH liegt bei der Wohnraummiete ein solcher Mangel vor, wenn die gemietete Wohnung eine Wohnfläche aufweist, die mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt. Einer zusätzlichen Darlegung des Mieters hinsichtlich einer Einschränkung der Tauglichkeit der Wohnung bedarf es in einem solchen Fall nicht. Die Erheblichkeitsgrenze von 10 % gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Mietvertrag zur Größe der Wohnung nur eine „ca.“-Angabe enthält. Der Zusatz „ca.“ lässt zwar erkennen, dass Toleranzen hingenommen werden sollen, jedoch ist auch dafür die Grenze dort zu ziehen, wo die Unerheblichkeit einer Tauglichkeitsminderung der Mietsache endet. Diese Grenze ist im Interesse der Praktikabilität und der Rechtssicherheit bei 10 % anzusetzen. Eine zusätzliche Toleranz ist dann nicht mehr gerechtfertigt. Hier liegt eine Flächenabweichung von 15,5 % vor, da die Wohnfläche nicht ca. 70 qm, sondern ausweislich der substantiierten Behauptung der Klägerin lediglich 59,12 qm beträgt.

Diesem Anspruch kann auch nicht § 814 BGB entgegengehalten werden. Zwar trägt die Klägerin selbst vor, bereits am 13.06.2018 die Messung der Wohnung vorgenommen zu haben. Allerdings spricht gegen eine sofortige Wissenszurechnung bereits die allgemeine Lebenserfahrung, wonach die Weiterleitung von Ermittlungsergebnissen einen gewissen Zeitraum beansprucht. Deshalb ist es auch anerkannt, dass bei Mitwirkung mehrerer auf die Kenntnis der Person ankommt, der die Leistung anordnet.

Wie das Amtsgericht zutreffend entschieden hat, steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Rückzahlungsanspruch der von ihr geleisteten Mietkaution in Höhe von 1.827,00 € zu. Dieser ist jedenfalls am 01.05.2019 fällig geworden. Unabhängig davon, ob dieser Anspruch nach §33 I SGB II auf die Klägerin übergegangen ist, ergibt sich deren Aktivlegitimation aus der erfolgten Abtretung vom 13.06.2017. Dieser Anspruch ist auch nicht durch die erklärte Hilfsaufrechnung der Beklagten erloschen, da dieser das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB entgegensteht. Die behauptete Rückzahlung ist nicht wahrscheinlich.

Praxishinweis | LG Hamburg 333 S 15/21

Bei Unterschreiten der im Mietvertrag vereinbarten Quadratmeterzahl folgt ein Mangel noch nicht aus § 536 II BGB, da zumindest bei einer „ca.-Angabe“ der Wohnraumfläche, nicht von einer zugesicherten Eigenschaft ausgegangen werden kann. Auch eine Flächenangabe rechtfertigt eine stillschweigende Zusicherung erst dann, wenn sie im Vertrag als Kalkulationsgrundlage für den Mietzins genutzt wird.

Jedoch liegt ein Mangel i.S.d. § 536 I BGB vor, wenn die tatsächliche Wohnfläche mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt. Wird eine „ca.“-Angabe genutzt, sollen zwar Toleranzen hingenommen werden, die Grenze der Unerheblichkeit liegt aber auch hier im Interesse der Praktikabilität und der Rechtssicherheit bei 10 %. Eine zusätzliche Toleranz ist dann nicht mehr gerechtfertigt.