OLG Karlsruhe 14 W 6/22 (Wx)
Rückgabe eines mit einem Ehevertrag verbundenen gemeinschaftlichen öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung

27.07.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Karlsruhe
11.01.2022
14 W 6/22 (Wx)
ZEV 2022, 226

Leitsatz | OLG Karlsruhe 14 W 6/22 (Wx)

Auch im Falle einer notariellen Urkunde, die sowohl ein gemeinschaftliches Ehegattentestament als auch einen Ehevertrag sowie einen Pflichtteilsverzicht untrennbar miteinander verbunden enthält, haben die Erblasser gem. § 2256 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich ein Recht auf Rückgabe des gemeinschaftlichen Testaments aus der amtlichen Verwahrung. (nichtamtl. Ls.)

Sachverhalt | OLG Karlsruhe 14 W 6/22 (Wx)

Die beteiligten Eheleute sind Schweizer Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland. Sie begehren die Rückgabe ihres gemeinschaftlichen öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung nach § 2272, 2256 Abs. 2 S. 1 BGB. Das Testament war in einer öffentlichen Urkunde zugleich mit einem Ehevertrag im Jahr 2014 vor dem Notariat F errichtet worden. Das Testament wurde von den Beteiligten bereits widerrufen, es soll jedoch sichergestellt werden, dass es nicht im Erbfall eröffnet wird.

Das Nachlassgericht stellte beim Öffnen des Umschlags fest, dass es sich entgegen der Meldung auf den Hinterlegungsscheinen um eine öffentliche Urkunde mit einem Ehevertrag und einem gemeinsamen öffentlichen Testament handelt. Da der Ehevertrag nicht aus der amtlichen Verwahrung genommen werden dürfe, schickte das Nachlassgericht die Urkunde zurück an das Verwahrgericht. Die Verweigerung der Rückgabe des öffentlichen Testaments wurde den Eheleuten mit Verfügung vom 29.10.2021 samt Begründung mitgeteilt. Ebenfalls sei die Herausgabe und Weiterverwahrung durch einen Notar nicht möglich, da es sich nicht um einen Erbvertrag, sondern um ein gemeinschaftliches Testament handele. Die Beteiligten sind der Ansicht, der Ehevertrag bedürfe keiner Hinterlegung.

Die Rückgabe der öffentlichen Urkunde lehnte das Nachlassgericht am 16.12.2021 ab. Dagegen legten die Eheleute Beschwerde ein. Das Gericht half den Beschwerden nicht ab.

Entscheidung | OLG Karlsruhe 14 W 6/22 (Wx)

Die Beschwerden der Beteiligten sind zulässig und begründet. Gemäß Art. 24 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO sei für die Klärung der Rechtsfrage deutsches Recht anwendbar, da die Eheleute bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten.

Entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts sei das Recht der Beteiligten als testierende Erblasser auf Rückgabe des Testaments nicht deshalb ausgeschlossen, weil die notarielle Urkunde zudem auch die ehevertraglichen Regelungen sowie einen Pflichtteilsverzicht enthält. Dies gelte gemäß § 2300 Abs. 2 BGB zwar für Erbverträge, jedoch nicht für das vor einem Notar errichtete gemeinschaftliche Testament. Dies werde bereits durch den Verweis in § 2300 Abs. 2 S. 3 BGB deutlich, welcher ausschließlich auf § 2256 Abs. 1 BGB verweist. Hingegen kann ein Erblasser bzgl. eines nach § 2256 Abs. 1 BGB errichteten Testaments die Rückgabe gemäß § 2256 Abs. 2 BGB jederzeit verlangen. Der Senat findet weder in der Rechtsprechung noch in der einschlägigen Literatur Hinweise darauf, dass § 2300 Abs. 2 BGB auch auf Testamente anzuwenden sein soll. Außerdem sollte mit Schaffung der Norm die Rechtslage gerade an die für das gemeinschaftliche Testament geltende Regelung angeglichen werden, was aus der entsprechenden Gesetzesbegründung hervor geht. Vielmehr sei für ein vor dem Notar errichtetes gemeinschaftliches Testament als Rückgabegegenstand allein § 2256 BGB einschlägig, weshalb die Eheleute gemeinsam gemäß §§ 2272, 2256 Abs. 2 S. 1 BGB die Rückgabe der Urkunde verlangen können.

Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

Praxishinweis | OLG Karlsruhe 14 W 6/22 (Wx)

Grundsätzlich ist für die notarielle Praxis von Bedeutung, dass (trotz dieser Entscheidung) im Hinblick auf die Rückgaberegelung der §§ 2256, 2272 BGB grundsätzlich ein Testament niemals mit einem anderen Rechtsgeschäft in einer Urkunde zusammengefasst werden darf. Dies verdeutlicht auch die dadurch entstehende Problematik des vorliegenden Falles. Damit soll der Verlust dieser mit dem Testament verbundenen anderen lebzeitigen Rechtsgeschäfte vermieden werden, was auch im Sinne der Beteiligten ist. Der Notar muss, sofern er mehrere Rechtsgeschäfte in einer Urkunde zusammenfasst, damit rechnen, dass er später im Falle einer Rückgabe der Urschrift der Urkunde die Beweismöglichkeiten bzgl. dieser lebzeitigen Rechtsgeschäfte vereitelt und damit seine Pflicht aus § 45 BeurkG verletzt. Dem kann durch entsprechende Maßnahmen zur Beweissicherung nach Erstellung der Urkunde vorgebeugt werden. Die Beteiligten müssen trotzdem auf die eingeschränkte Rücknahmemöglichkeit hingewiesen werden, um eine etwaige Haftung des Notars zu verhindern.