OLG München 33 U 6666/21
Rangverhältnis der Erfüllung angeordneter Vermächtnisse und der Testamentsvollstreckervergütung

06.11.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
13.06.2022
33 U 6666/21
DNotZ 2023, 368

Leitsatz | OLG München 33 U 6666/21

  1. Die Auslegung eines notariellen Testaments kann im konkreten Einzelfall ergeben, dass unter den Begriff der „Erbfallschulden“ ausnahmsweise nicht die Testamentsvollstreckervergütung fällt.
  2. Nach der Neuen Rheinischen Tabelle berechnet sich der Vergütungsgrundbetrag der Testamentsvollstreckervergütung aus dem Nachlasswert, multipliziert mit einem von der Tabelle vorgegebenen Prozentsatz.

 

Sachverhalt | OLG München 33 U 6666/21

Die 2017 verstorbene Erblasserin hinterließ ein beträchtliches Vermögen sowie ein Testament. In diesem bestimmte sie zwei Erben, sowie mehrere Geldvermächtnisse. Zudem ordnete sie Testamtsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker sollte neben dem Ersatz seiner Aufwendungen eine Vergütung erhalten.

In  Ziff. III. 2. des Testaments ist unter der Überschrift „Geldvermächtnis“ folgendes geregelt: „Das bei meinem Tode nach Abzug aller Erblasser- und Erbfallschulden… vorhandene Bargeld sowie eventuell noch vorhandene Wertpapiere sollen wie folgt verteilt werden:...“

Der Kläger hat das Amt des Testamentsvollstreckers angenommen. Der Nachlass ist inzwischen mit Ausnahme der Testamentsvollstreckervergütung abgewickelt. Nach Zahlungen der Erben bleibt eine Rechnung des Testamentsvollstreckers in Höhe von ca. 89.000 € offen. Diese hat er klageweise geltend gemacht.

 

Entscheidung | OLG München 33 U 6666/21

Die Berufung des Beklagten ist teilweise begründet. Die Testamentsvollstreckervergütung ist von den Erben zu bezahlen und das Vermächtnis ungeschmälert herauszugeben.

Bei der Testamentsauslegung kommt es auf den wirklichen Willen des Erblassers gem. § 133 BGB an. Auch notarielle Testamente unterliegen dabei der Auslegung. Vorliegend ist aufgrund der Auslegung aber davon auszugehen, dass unter den Begriff der Erbfallschulden in Ziffer III des Testaments nicht die Testamentsvollstreckervergütung fällt. Grundsätzlich ist diese zwar von dem Begriff der Erbfallschulden umfasst, hier bestehen jedoch konkrete Anhaltspunkte, dass der objektive Erklärungsinhalt nicht dem Willen der Erblasserin entspricht. Zunächst ist für einen Laien, wie die Erblasserin nicht ersichtlich, was tatsächlich unter den Begriff der Erbfallschulden fällt. Dies zeigt sich schon daran, dass unter „Erbfallschuld“ auch Vermächtnisse fallen, was hier kaum Sinn machen würde. Auch hat sie exemplarisch geregelt, was sie unter diesen Begriff fasst. Zu den vom Vermächtnis abzuziehenden Kosten zählt sie vor allem geringere Positionen wie die Beerdigungskosten, obwohl sie gemessen am Wert ihres Vermögens mit erheblichen Kosten für die Testamentsvollstreckung rechnen musste. Zudem war Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. In diesem Fall ist in regelmäßigen Zeitabschnitten die Vergütung zu entrichten, während die Vermächtnisse sofort zu erfüllen sind. Damit war das Bar- und Buchgeld ohne Abzug der Testamentsvollstreckervergütung auszukehren. Schließlich haben die Erben beträchtliche Beträge erhalten. Es ist dabei nicht ersichtlich, dass sie von Zahlungsverpflichtungen freigehalten werden sollten. Damit ist bei einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass es der Wille der Erblasserin war, dass die Testamentsvollstreckervergütung von den Erben zu tragen ist, ohne dass eine Verrechnung mit den angeordneten Geldvermächtnissen stattzufinden hat.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Ziffer des Testaments, wonach etwaige Kosten der Vermächtniserfüllung der jeweilige Vermächtnisnehmer zu tragen habe. Denn aufgrund der Auslegung ergibt sich, dass unter die Vermächtniskosten nicht die Testamentsvollstreckervergütung fällt. Ob besonders „hoch“ bedachte Vermächtnisnehmer zumindest anteilig an den Kosten für den Testamentsvollstrecker beteiligt werden sollen, kann dahin stehen, da die besonders hoch bedachten Vermächtnisnehmer auch Erben sind. Schließlich kann der Beklagte die Zahlung nicht aufgrund ihm gegen den Kläger zustehenden Schadensersatzansprüchen verweigern. Denn mangels einer schuldhaft entstandenen Pflichtverletzung bestehen solche Ansprüche gerade nicht.

Die Berufung des Beklagten hat jedoch in Bezug auf die Höhe der Forderung Erfolg. Bei richtiger Berechnung ergibt sich nur ein Betrag von ca. 39.500 €. Zudem ist zu beachten, dass die Erben Gesamtschuldner sind, die Erfüllung durch einen also auch dem anderen zu Gute kommt.

 

Praxishinweis | OLG München 33 U 6666/21

Das OLG München betont in der vorliegenden Entscheidung, dass gem. § 133 BGB bei der Auslegung von Testamenten stets der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen ist. Dies kann dazu führen, dass der Erblasser auch eigentlich eindeutigen Begriffen eine andere Bedeutung beimisst, als sie sich aus dem allgemeinen oder juristischen Sprachgebrauch ergibt. Bei einem notariellen Testament kommt der Wortwahl, aufgrund der gesteigerten Beratung und Belehrung durch den Notar, eine besondere Bedeutung zu. Trotzdem kann bei Vorliegen konkreter und gewichtiger Anhaltspunkte auch hier die Auslegung zu einem anderen Ergebnis kommen.