OLG Celle 9 W 73/22
Post-Brexit: Anmeldung der Löschung der Zweigniederlassung einer britischen Limited

10.03.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Celle
05.09.2022
9 W 73/22
RFamU 2022, 528 = GmbHR 2022, 1258 m. Anm. Wachter = EWiR 2022, 710 (Stiegler)

Leitsatz | OLG Celle 9 W 73/22

Kein Zwangsgeld gegen den Inhaber einer Limited englischen Rechts zwecks Anmeldung des Erlöschens der Zweigniederlassung wegen Aufgabe des Gewerbebetriebs.

Sachverhalt | OLG Celle 9 W 73/22

Die Betroffene ist eine 2009 vom Beschwerdeführer als Alleingesellschafter und einziges Organ errichtete private limited by shares, mit satzungsmäßigem Sitz und im Vereinigten Königreich. Sie hat ihren Verwaltungssitz zum frühestmöglichen Zeitpunkt unter Errichtung einer deutschen Zweigniederlassung nach Deutschland verlegt und ist mit der Zweigniederlassung seit April 2009 im deutschen Handelsregister eingetragen.

Das Registergericht hat dem Inhaber der Betroffenen unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.500 EUR aufgegeben, entsprechend § 31 Abs. 2 HGB das Erlöschen der Zweigniederlassung in Form des § 12 Abs. 1 HGB wegen Aufgabe des Gewerbebetriebes zum Handelsregister anzumelden. Dagegen hat der Beschwerdeführer Einspruch erhoben, der vom Registergericht als offensichtlich unbegründet verworfen wurde. Zugleich setzte es das angedrohte Zwangsgeld fest.

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit umfänglichen, teils schwer verständlichen Ausführungen vom 30.06.2022, die das Registergericht als Beschwerde behandelt und mit Nichtabhilfebeschluss vom 15.08.2022 dem OLG zur Entscheidung vorgelegt hat.

Entscheidung | OLG Celle 9 W 73/22

Die Beschwerde ist statthaft und zulässig und hat im Ergebnis Erfolg. Mit Recht geht das Registergericht davon aus, dass die im Streitfall betroffene (Zweigniederlassung einer) Limited englischen Rechts, deren tatsächlicher Verwaltungssitz allein im Inland liegt, aufgrund des Brexit und des Verstreichens aller Übergangsfristen am 31.12.2020 in dem Sinne nicht mehr existiert, dass sie ihre Rechtsfähigkeit verloren hat. Ein in diesem Sinne nicht mehr existenter Rechtsträger hat keine für ihn handlungsfähigen Organe; folglich konnte dem Beschwerdeführer nicht aufgegeben werden, eine Anmeldung des für erforderlich erachteten Inhalts für die nicht mehr rechtsfähige Limited vorzunehmen.

Soweit der Nichtabhilfebeschluss vom 15.08.2022 dies dadurch argumentativ zu retten sucht, dass derartige Unternehmen nunmehr als einzelkaufmännische Unternehmen zu behandeln seien und der Beschwerdeführer folglich wie ein Einzelkaufmann zur Anmeldung verpflichtet sei, verfängt das nicht.

Zum einen steht nicht fest, dass die Zweigniederlassung zu einem einzelkaufmännischen Unternehmen geworden ist. Das Registergericht hat sowohl den Beschwerdeführer als auch eine Frau L. A. angeschrieben, so dass sich die Limited bei Verlust ihrer Rechtsfähigkeit auch zur OHG gewandelt haben könnte. In diesem Fall könnten aber nur der Beschwerdeführer und Frau A. Anmeldungen vornehmen, § 108 HGB. Hier wäre es verfehlt, nur eine Person mit einem Zwangsgeld für eine Anmeldung zu belegen, die der Herangezogene nicht allein vornehmen könnte.

Zum anderen fehlt es hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung und dem Zwangsgeldbeschluss an einer ordnungsgemäßen Beschlusspräzisierung. Das verlangte Verhalten muss so präzise und nachvollziehbar beschrieben werden, dass der Herangezogene dem ohne Weiteres nachkommen und das Beschwerdegericht ggfs. die Erfüllung des Geforderten prüfen kann. Die Androhung lässt hier im Unklaren, für welchen Rechtsträger eine Anmeldung vorgenommen werden muss. Wollte das Registergericht den Beschwerdeführer als Einzelkaufmann zur Anmeldung der Aufgabe des Gewerbes verpflichtet sehen, stünde dem entgegen, dass er als solcher nicht eingetragen ist.

Somit ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.

Praxishinweis | OLG Celle 9 W 73/22

Nach dem Wirksamwerden des Brexits zum 01.01.2021 unterfällt eine Limited nicht mehr der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV. Demnach ist nicht mehr die Gründungs-, sondern die Sitztheorie anwendbar, weshalb in Deutschland ansässige Gesellschaften nach deutschem Gesellschaftsrecht beurteilt werden. Die praktische Relevanz ist hoch, da es immer noch über 10.000 UK-Limiteds gibt.

Das OLG wendet die Sitztheorie konsequent an. Allerdings ist die Vornahme von „letzten“ Registerhandlungen durch vormalige Handlungsorgane im deutschen Gesellschaftsrecht ein üblicher und praktikabler Regelungsansatz, da meist eine Einzelperson verpflichtet werden kann. Sobald es eine gewisse Gesellschafterzahl gibt, ist es nicht mehr zielführend, sie zur gemeinsamen Löschung und Anmeldung zu verpflichten. Das Abstellen auf das vorige Leitungsorgan ist auch sachgerecht. Hauptzweck der Zuständigkeitsregelung nach §§ 197, 198 Abs. 1 UmwG ist, dass keine Gründungsvorschriften unterlaufen werden. Der Schwerpunkt liegt daher auf dem Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft. Zwar besteht bei der Umwandlung in eine Personenhandelsgesellschaft die Möglichkeit der persönlichen Gesellschafterhaftung, vorliegend geht es aber nur um die Löschung, diese Gefahr besteht also nicht.

Gegen die Lösung des OLG Celle spricht auch, dass die Fortführung als OHG nicht immer feststeht. Ob eine ehemalige UK-Limited nach Wandlung in eine Personengesellschaft die Voraussetzungen eines Handelsgewerbes nach § 1 Abs. 2 HGB erfüllt, ist nicht gesagt. Es ist zu unterscheiden zwischen der Löschung aus Abteilung B (Kapitalgesellschaften), die einem Zwangsgeld zugänglich ist, und einer möglichen Anmeldung in Abteilung A (Einzelunternehmen, Personengesellschaften).

Für die Löschung wäre eine analoge Anwendung von § 65 Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 GmbH möglich. Dies erfordert eine unbeabsichtigte Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage. Das deutsche Gesellschaftsrecht berücksichtigt die gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen des Brexits, bzw. die Folgen des Ersetzens der Gründungs- durch die Sitztheorie, nicht. Folglich liegt eine planwidrige Regelungslücke vor. Auch die Interessenlage ist vergleichbar. In beiden Fällen muss die Gesellschaft aus dem Handelsregister gelöscht werden; bei der Liquidation als Folge eines Gesellschafterbeschlusses, infolge des Brexits durch eine faktische Gesetzesänderung. Beide Eintragungen sind rein deklaratorisch und geboten, um der Ordnungsfunktion des Handelsregisters nachzukommen und Dritte zu schützen. Somit ist eine Analogie möglich.

Das OLG Celle stützte die Ablehnung der Zwangsgeldandrohung zudem auf eine Unmöglichkeit der Zielerreichung seitens des Beschwerdeführers. Zwar erfordert § 108 HGB das Tätigwerden aller Gesellschafter für eine wirksame Anmeldung und das Zwangsgeldverfahren richtet sich gegen alle, die der Verpflichtung nicht nachkommen. Dem Betreffenden ist es aber möglich und zumutbar, seine eigene Mitwirkungshandlung vorzunehmen, um so der Zwangsgeldfolge zu entgehen. Somit ist es irrelevant, dass der Beschwerdeführer die Anmeldung nicht alleine hätte herbeiführen können. Im Übrigen besteht eine gesellschaftsvertragliche Verpflichtung jedes Gesellschafters zur Mitwirkung. Mitgesellschafter können also zur Vornahme einer Handlung gezwungen werden. Der pauschale Verzicht auf die zwangsweise Durchsetzung ist somit nicht überzeugend.