BGH III ZR 210/20
Persönliche Haftung des im Rechtsverkehr handelnden Vertreters einer UG (haftungsbeschränkt)

15.07.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
13.01.2022
III ZR 210/20
NZG 2022, 513

Leitsatz | BGH III ZR 210/20

Weist eine Unternehmergesellschaft i.S.v. § 5a GmbHG nicht – wie im Gesetz vorgesehen – ihre Rechtsform und die Haftungsbeschränkung in der Firma aus, haftet ihr im Rechtsverkehr auftretender Vertreter für den dadurch erzeugten unrichtigen Rechtsschein gem. § 311 II und III, § 179 BGB analog.

Sachverhalt | BGH III ZR 210/20

Der Beklagte war seit 2015 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der V UG und deren Prokurist. Dem Kläger stellte er sich 2013 als Finanzvermittler und Inhaber der V UG vor. Daraufhin zeichnete der Kläger auf Empfehlung des Beklagten am 09.09.2013 eine über eine Treuhandkommanditistin gehaltene Beteiligung i.H.v. insgesamt 89.000 Euro an der V P GmbH & Co. F KG. Bei dem Investment handelt es sich um einen als Blind Pool konzipierten Fonds, der als Investor am Private Equity Markt auftreten und sich mit dem eingelegten Kapital an nicht börsenorientierten Start-up-Unternehmen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein beteiligen sollte. Die Beteiligung lässt sich aufspalten in einen Sofortbetrag von 41.000 Euro und den Restbetrag, der sich aus 156 Raten zu je 250 Euro und einer weiteren Einmalzahlung von 9.000 Euro zusammensetzt.

Zur teilweisen Finanzierung der Beteiligung schloss der Kläger darüber hinaus einen Vertrag mit der PiL mit Sitz in Luxemburg über den Kauf und die Abtretung seiner bei der A AG bestehenden Lebensversicherung. Laut Vertrag erwarb die PiL die Versicherung zum Preis von 80 % des Rückkaufwertes und übernahm im Folgenden die weitere Prämienzahlung (Modell „FlexCASH“). Über den Vertrag existiert eine Urkunde vom 09.09.2013 und eine weitere Urkunde vom 08.10.2013. Die Urkunden unterscheiden sich hinsichtlich der Zahlungsverfügung des Klägers über den Kaufpreis. Der Empfänger des Kaufpreises in der früher datierten Urkunde sollte die Treuhandkommanditistin sein, während die Zahlung laut der zweiten Urkunde an den Kläger selbst überwiesen werden sollte. Eine Zahlungsanweisung sah eine Überweisung des Kaufpreises an die Treuhandkommanditistin vor.

Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei den Unterschriften auf beiden Urkunden um die des Klägers oder ob es sich um Fälschungen handelt. Die PiL bestätigte, den Kaufpreis i.H.v. 59.723,76 Euro ausgezahlt zu haben. Im Jahr 2017 wurde der Fonds liquidiert und der Kläger verlor das zu diesem Zeitpunkt eingelegte Kapital. Zusätzlich wurde der Kläger angewiesen, die noch ausstehende Pflichteinlage einzuzahlen, weshalb er letztlich 9.500 Euro einzahlte.

Der Kläger verlangt im Wege einer Klage die Erstattung der in die Kapitalanlage geflossenen Zahlungen von 41.000 Euro und 9.500 Euro, Ersatz der Rechtsanwaltskosten und die Feststellung der Pflicht zum Ersatz eines wegen der Abtretung der Versicherung zukünftig eintretenden Schadens. Die Klage wurde zurückgewiesen. Nachdem auch die Berufung erfolglos blieb, legte der Kläger Revision ein.

Entscheidung | BGH III ZR 210/20

Die Revision ist zulässig und begründet.

Es sei nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht auszuschließen, dass der Beklagte dem Kläger zumindest nach den Rechtsscheingrundsätzen gemäß §§ 311 Abs. 2, 3, 179 BGB (analog) persönlich haftet. Es könnte ein Anlageberatungsvertrag zwischen dem Kläger und der V UG angenommen werden. Demnach müsse der Anlageberater den Kunden verständlich und vollständig in Bezug auf das Anlageobjekt rechtzeitig, richtig und sorgfältig beraten. Dazu gehört insbesondere die Aufklärung über die für die Anlageentscheidung wesentlichen Eigenschaften und Risiken. Mit einbezogen und abgeklärt werden müssen die persönlichen (wirtschaftlichen) Verhältnisse des Kunden, das Anlageziel, die Risikobereitschaft und der Wissensstand des Anlageinteressenten. Das Vorbringen des Klägers, das Emissionsprospekt sei ihm erst nach Vertragsschluss übergeben worden, müsse als zutreffend unterstellt werden.

Mit Blick auf das Anlageziel des Klägers, in eine sichere Anlage zur Altersvorsorge investieren zu wollen, komme eine Verletzung der Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung ohne Weiteres in Betracht. Denn der Fonds war tatsächlich für Anleger auf der Suche nach einer Beteiligung zur Altersvorsorge nicht geeignet. Vielmehr handele es sich um ein hochriskantes Investment, indem das eingelegte Kapital an der zukünftigen Entwicklung neugegründeter Unternehmen hängt, dem ein beträchtliches Risiko des Totalverlustes innewohnte.

Das Berufungsgericht habe zutreffend angenommen, dass der Vertrag zwischen dem Kläger und der V UG zustande gekommen ist. Der Beklagte sei nach dem objektiven Empfängerhorizont als Vertreter der V UG aufgetreten, was unter anderem durch den Verweis des Beklagten auf seine Tätigkeit für die V UG deutlich wurde. Allerdings hafte der Beklagte analog § 179 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 u. 3 BGB und sei somit entgegen der Ansicht des OLG passivlegitimiert. Eine persönliche Haftung komme deshalb in Betracht, weil der Beklagte die Haftungsbeschränkungen der Gesellschaft dem Kläger gegenüber nicht zum Ausdruck gebracht hat. Denn eine Haftung entstehe wegen des Verstoßes gegen § 4 GmbHG unter Rechtsscheingesichtspunkten analog § 179 BGB nach gefestigter Rechtsprechung dann, wenn der im Geschäftsverkehr Auftretende durch sein Zeichnen der Firma ohne Formzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat. Es sei nämlich die Aufgabe des Auftretenden, dafür zu sorgen, dass das Unternehmen, für das er handelt, korrekt bezeichnet wird. All das gelte auch im Falle einer Unternehmergesellschaft. Ein besonderer Hinweis auf (k)eine persönliche Haftung einer natürlichen Person sei bei einer UG gerade deshalb besonders wichtig, da die UG mit einem ganz geringen Stammkapital ausgestattet sein könnte. Die Vorgaben des § 5a GmbHG seien jedoch von dem Beklagten nicht eingehalten worden, da die Urkunden keinen Hinweis auf die Haftungsbeschränkung der V UG geben. Demnach sei das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuweisen.

Praxishinweis | BGH III ZR 210/20

Wer als Vertreter einer Gesellschaft auftritt, sollte seinem Handlungsgegner deutlich klar machen, wer in welchem Fall und in welcher Höhe haftbar ist. Sollte eine Haftung der auftretenden Person nicht gewollt sein, sollte dies ausdrücklich, bestenfalls schriftlich, mitgeteilt werden. Insbesondere bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist dies wichtig, da der Umstand der Haftungsbeschränkung ein entscheidungsprägender Faktor für den Handlungsgegner darstellen könnte. Der Handlungsgegner könnte, um Unsicherheiten zu vermeiden, im Vorfeld die Haftungsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft erfragen.