BGH V ZR 282/20
Mangelkenntnis vor Vertragsabschluss bei vollmachtloser Vertretung

28.12.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
06.05.2022
V ZR 282/20
ZIP 2022, 1546

Leitsatz | BGH V ZR 282/20

Wird der Käufer bei Abschluss eines Grundstückkaufvertrages durch einen vollmachtlosen Vertreter vertreten, kommt es für seine Kenntnis vom Mangel i.S.v. § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Zeitpunkt der Abgabe der Genehmigungserklärung an; solange er die Genehmigungserklärung nicht in den Verkehr gebracht hat, muss er neu gewonnene Kenntnisse über Mängel der Kaufsache gegen sich gelten lassen.

Sachverhalt | BGH V ZR 282/20

In einem Maklerexposé wird eine ca. 1.700m² große Fläche angeboten, welche bislang als Bürogebäude benutzt wird, aber auf dieser Fläche auch z.B. Studentenwohnungen entstehen könnten. Bei der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags dieser Fläche werden sowohl Verkäuferin als auch die Käuferin (Bauträger) vollmachtlos vertreten. Die Verkäuferin genehmigt den Vertrag ohne Probleme. Die Käuferin hingegen lässt die Genehmigung notariell beglaubigen, bevor sie diese allerdings dem beurkundenden Notar übersendet, erfährt sie, dass die vermietbare Wohnfläche nur ca. 1.400m² umfasst. Trotzdem übersendet sie die Genehmigung an den beurkundenden Notar, behält sich aber Mängelansprüche vor, welche sie dann im Rahmen der Drittwiderklage geltend macht. Der Makler klagte auf Zahlung der Provision. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die fehlerhafte Flächenangabe in dem Exposé nicht kausal für den Abschluss des Kaufvertrages war, denn die Verkäuferin hatte ihre Genehmigung in der Kenntnis der fehlerhaften Flächenangabe erteilt.

Entscheidung | BGH V ZR 282/20

Die Revision hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Zwar stellen falsche Flächenangaben im Exposé einen Mangel dar und können eine arglistige Täuschung des Verkäufers begründen, wenn Flächen einberechnet werden, die offenkundig keine Wohnflächen sind. Allerdings sind gem. § 442 I 1 BGB die Rechte des Käufers wegen Mängeln ausgeschlossen, wenn dieser bei Vertragsabschluss den Mangel kennt. Durch die besondere Situation mit der vollmachtlosen Vertretung und der nachträglichen Zustimmung, § 184 I BGB, liegt gem. § 177 I BGB ein wirksamer Vertragsabschluss erst dann vor, wenn alle Vertretenen genehmigen. Allerdings schränkt der BGH § 442 I 1 BGB bei einem gestreckten Vertragsabschluss dahingehend ein, dass, wenn die notariell beurkundete Genehmigung schon dem Verkäufer zugegangen ist bzw. schon der Käufer die Erklärung abgegeben hat, nicht jedoch der endgültige Vertragsabschluss erfolgte und der Käufer nun vom Mangel Kenntnis erlangt, dann § 442 I 1 BGB nicht eingreift und der Käufer seine Rechte wegen Mängeln behält. Dies überträgt er nun auch auf die Fälle der vollmachtlosen Vertretung beim Grundstückskauf, denn der Käufer ist nach Sinn und Zweck des § 442 I 1 BGB in gleicher Weise schutzwürdig, wie im Falle eines gestreckten Vertragsschlusses, wenn ihm die Mängel erst nach Abgabe der Genehmigungserklärung bekannt werden. Wenn wie vorliegend allerdings der Käufer vor Inverkehrbringen der Genehmigungserklärung neue Kenntnisse über Mängel der Kaufsache erlangt, muss er diese gegen sich gelten lassen.

Praxishinweis | BGH V ZR 282/20

Auch bei der vollmachtlosen Vertretung schränkt der BGH wie bei den Fällen des gestreckten Vertragsabschlusses den § 442 I 1 BGB ein.

Die weitverbreitete Annahme vieler Käufer, dass sie, wie bei Abnahme im Werkvertragsrecht, bei Kenntnis der Mängel trotzdem genehmigen und sich dabei ihre Rechte wegen Mängeln behalten können, sollte nicht unwidersprochen bleiben und über den Irrtum aufgeklärt werden.