OLG Brandenburg 9 UF 221/21
Kontrolle einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich

18.12.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
14.06.2022
9 UF 221/21
BeckRS 2022, 16057

Leitsatz | OLG Brandenburg 9 UF 221/21

Die Aufhebung des Scheidungsausspruchs und die Zurückverweisung des Scheidungsverfahrens ist geboten, wenn das Ausgangsgericht gegen die ihm obliegende Amtsermittlungspflicht verstoßen hat, indem es die für die richterliche Kontrolle eines notariellen Ehevertrags unverzichtbare Tatsachenaufklärung unterlassen hat.

Sachverhalt | OLG Brandenburg 9 UF 221/21

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin heirateten 1992. In demselben Jahr kam das gemeinsame Kind zur Welt, um welches sich die Antragsgegnerin in der Folgezeit kümmerte. Vor der Hochzeit hatten die Parteien einen notariellen Ehevertrag geschlossen, in welchem sie Gütertrennung vereinbarten, wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichteten und den Versorgungsausgleich ausschlossen.

Am 29.04.2021 stellte der Antragsteller Antrag auf Ehescheidung. Als Trennungszeitpunkt gab er den 10.03.2016 an. Das zuständige Gericht legte einen Termin zur mündlichen Verhandlung fest, an welchem die Antragsgegnerin nicht erschien. Durch Beschluss wurde die Ehe der Beteiligten geschieden und kein Versorgungsausgleich durchgeführt, da er durch notariellen Ehevertrag formgemäß ausgeschlossen worden sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.

 

Entscheidung | OLG Brandenburg 9 UF 221/21

Die Beschwerde ist zulässig und begründet und das Verfahren daher zurückzuverweisen.

Das erstinstanzliche Gericht hat gegen die ihm obliegende Amtsermittlungspflicht gem. § 26 FamFG verstoßen. Geben das Vorbringen der Beteiligten oder der Sachverhalt Veranlassung zu der Annahme, dass durch einen Versorgungsausgleich eine evident einseitige und unzumutbare Lastenverteilung entsteht, muss der Tatrichter eine richterliche Kontrolle durchführen. Eine solche ist in jedem Fall erforderlich, wenn eine typische Unwirksamkeitsfallgruppe vorliegt. Eine solche Prüfung ist jedoch, obwohl sie angezeigt war, vorliegend nicht erfolgt.

Ein vor der Hochzeit und zur Versorgung eines gemeinsamen Kindes geschlossener Ehevertrag ist zwar noch nicht sittenwidrig, weil die Antragsgegnerin schwanger war. Die Schwangerschaft stellt aber ein Indiz für die Sittenwidrigkeit dar. Hinzu kommt, dass auch subjektiv eine Disparität zwischen den Parteien bestand. Die Antragsgegnerin war mit 23 Jahren noch relativ jung und arbeitete als ungelernte Servicekraft. Zudem wusste sie nicht, ob sie eine Verlängerung ihrer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten würde. Hingegen stand der Antragssteller mit 37 Jahren und einem bereits länger andauerndem Job als Schauspieler mitten im Leben. Es ist folglich davon auszugehen, dass er in finanziellen Angelegenheiten erfahrener als die Antragsgegnerin sein dürfte.

Somit wird die Sache zurückverwiesen, das erstinstanzliche Gericht hat die für eine Inhalts- und Ausübungskontrolle erheblichen Umstände zu ermitteln.

 

Praxishinweis | OLG Brandenburg 9 UF 221/21

In der vorliegenden Entscheidung weist das OLG Brandenburg auch darauf hin, dass das erstinstanzliche Gericht die persönliche Anhörung der geladenen, aber nicht erschienenen Ehefrau unterlassen hat. Hierin liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel i.S.v. § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i.V.m. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Denn eine solche Anhörung dient nicht nur der Aufklärung des Sachverhalts, sondern soll insbesondere sicherstellen, dass über Ehesachen als höchstpersönliche Angelegenheiten nicht entschieden wird, ohne dass sich die Ehegatten persönlich dazu äußern. Dass ein Ehegatte trotz Ladung nicht erscheint, ist noch kein Grund, von der Anhörung abzusehen. Anders kann nur bei mehrfachen, unentschuldigten Fehlen gelten.