OLG Brandenburg 9 WF 158/21
Keine familiengerichtliche Genehmigung einer Grundbesitzschenkung an einen Minderjährigen ohne Vertretung durch den Ergänzungspfleger

31.08.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
01.07.2021
9 WF 158/21
RNotZ 2022, 99

Leitsatz | OLG Brandenburg 9 WF 158/21

  1. Die Erteilung einer familiengerichtlichen Genehmigung setzt zwingend voraus, dass das minderjährige Kind – ordnungsgemäß vertreten – den Abschluss des genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfts begehrt. Will der für die Vertretung des Minderjährigen bei dem Rechtsgeschäft erforderliche Ergänzungspfleger an dem Abschluss des Rechtsgeschäfts nicht oder nicht mehr festhalten, so darf das Gericht den Abschluss des Rechtsgeschäfts nicht gegen seinen Willen genehmigen. (RNotZ-Ls)
  2. Die in einem Übertragungsvertrag vereinbarte (bedingte) Rückübertragungsverpflichtung begründet keinen rechtlichen Nachteil entgegen § 107 BGB, wenn hinsichtlich der Rechtsfolgen der Rückübertragung eine Beschränkung auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung enthalten ist. (RNotZ-Ls)
  3. Der dingliche Erwerb einer Eigentumswohnung ist ausnahmslos „nicht lediglich rechtlich vorteilhaft“ iSv § 107 BGB, weil sich aus der Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft persönliche Verpflichtungen ergeben können. (RNotZ-Ls)

Sachverhalt | OLG Brandenburg 9 WF 158/21

Die Betroffene ist minderjährig. Die nicht verheirateten Beteiligten sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern der Betroffenen. Die Beteiligten sind zu je ½ Eigentümer von Wohnungs- und Teileigentum, wobei der Anteil des Vaters auf die Betroffene übertragen werden soll. Dazu wurde am 27.02.2020 ein entsprechender Notarvertrag geschlossen. Die erforderliche familiengerichtliche Genehmigung wurde jedoch versagt.

Der Beteiligte zu 1 überließ der Betroffenen unentgeltlich mit notarieller Urkunde vom 08.12.2020 seinen ideellen hälftigen Miteigentumsanteil am Grundbesitz. Dabei wurde die Betroffene, vorbehaltlich nachträglicher Genehmigung durch einen noch zu bestellenden Ergänzungspfleger, von den Beteiligten vertreten. Daraufhin beantragte der Notar am darauffolgenden Tag die Einleitung einer Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenbereich der Vertretung bei der Übertragung von Wohnungseigentum gemäß § 1909 BGB. Somit wurde die Rechtsanwältin SH zur Ergänzungspflegerin für die Betroffene bestellt, hat jedoch aufgrund von Bedenken an der Vorteilhaftigkeit des Notarvertrags bislang keine Genehmigung der abgegebenen Erklärungen ausgesprochen.

Die familiengerichtliche Genehmigung ist auch mit Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 29.05.2021 mangels lediglich rechtlichen Vorteils des Notarvertrags für die Betroffene, abgelehnt worden. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

Entscheidung | OLG Brandenburg 9 WF 158/21

Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie bleibt jedoch erfolglos.

Das Amtsgericht habe die Versagung der familiengerichtlichen Genehmigung zutreffend ausgesprochen. Die Voraussetzungen für eine familiengerichtliche Genehmigung liegen mangels Genehmigung durch den Ergänzungspfleger nicht vor. Zwingende Voraussetzung der Genehmigung sei, dass das minderjährige Kind – ordnungsgemäß vertreten – den Abschluss des genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfts begehrt. Mangelt es an einer Zustimmung des Ergänzungspflegers, dürfe das Gericht den Abschluss des Rechtsgeschäfts nicht gegen seinen Willen genehmigen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Betroffene bei Abschluss des Rechtsgeschäfts durch ihre Eltern bereits wirksam vertreten worden ist und es der Bestellung des Ergänzungspflegers daher nicht bedurft hätte. Der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedarf es dann, wenn die Eltern des minderjährigen Kindes nach § 1795 BGB kraft Gesetzes von der Vertretung ausgeschlossen sind oder die Vertretung wegen einer bestehenden Interessenkollision nach § 1796 BGB durch gerichtliche Entscheidung entzogen worden ist. Ein Vertretungsausschluss ergebe sich gemäß § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB für die Mutter bzw. § 1795 Abs. 2 BGB i.V.m. § 181 BGB für den Vater, weshalb es der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedürfe. Daraus ergebe sich, dass die von den Eltern abgegeben Erklärungen zunächst gemäß § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam waren.

Bei einem Rechtsgeschäft zwischen dem Vater einerseits und dem minderjährigen Kind andererseits können die Eltern das Kind nur dann vertreten, wenn das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit bestehe. Dies sei der Fall, wenn ein rechtswirksamer schuldrechtlicher Schenkungsvertrag vorliegt und die Auflassung dadurch ausschließlich eine Verbindlichkeit erfüllt. Wird das Kind bei dem schuldrechtlichen Schenkungsvertrag durch die Eltern vertreten, könne dieser nur rechtswirksam sein, wenn das Rechtsgeschäft für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.d. § 107 BGB ist. Für die Bewertung des lediglich rechtlichen Vorteils komme es lediglich auf die rechtlichen Folgen eines Rechtsgeschäfts für den Minderjährigen an. Das Rechtsgeschäft hat die schenkweise Übertragung von Wohnungseigentum zum Gegenstand. Der Ergänzungspflegerin sei dahingehend zuzustimmen, dass die Mitgliedschaft der Minderjährigen innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft Verpflichtungen mit sich bringt und damit einer Bewertung als lediglich rechtlicher Vorteil entgegenstehe. Die Ergänzungspflegerin könne dann entscheiden, ob der Vertrag rückwirkend wirksam werden soll. Dafür könne sie durch eine Abwägung der sich für die Minderjährige ergebenden Rechte und Pflichten ermitteln, ob der Vertrag dem Minderjährigen im Ergebnis wirtschaftlich vorteilhaft ist.

Sollte die Ergänzungspflegerin die nachträgliche Zustimmung erteilen, entscheidet das Gericht in einer weiteren Frage, ob das Rechtsgeschäft einer familiengerichtlichen Genehmigung nach §§ 1643, 1819 ff. BGB bedarf und ob diese zu erteilen ist.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 9 WF 158/21

Zunächst zeigt die Entscheidung, dass sich der Weg zum Gericht, um eine familiengerichtliche Genehmigung zu erhalten, so lange aufgespart werden kann, bis der bestellte Ergänzungspfleger das Rechtsgeschäft genehmigt hat. Fehlt es an einer entsprechenden Genehmigung, wird eine familiengerichtliche Genehmigung unter keinen Umständen erteilt werden. Darüber hinaus wird eine Übertragung von Grundeigentum regelmäßig jedenfalls dann an der Ablehnung der Genehmigung scheitern, wenn mit der Übertragung die Mitgliedschaft innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft verbunden ist.