OLG Saarbrücken 5 W 71/22
Keine Entscheidung des Einzelrichters über PKH-Antrag zu Klage gegen Testamentsvollstrecker

20.09.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Saarbrücken
18.10.2022
5 W 71/22
ZEV 2022, 723

Leitsatz | OLG Saarbrücken 5 W 71/22

Bei der gegen den Testamentsvollstrecker beabsichtigten Klage auf Auskunft und Rechnungslegung handelt es sich um eine erbrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG, über deren Schicksal, einschließlich des entsprechenden Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, gem. § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO jetzt grds. die Zivilkammer zu befinden hat. (amtl. Ls.)

Sachverhalt | OLG Saarbrücken 5 W 71/22

Die Klägerin ist Teil einer Erbengemeinschaft des verstorbenen V. Der Anteil der Klägerin an einer verkauften Firma des Nachlasses beträgt 200.000€. Dieser Betrag wurde auf einem Anderkonto hinterlegt, auf welches allein die Beklagte als Testamentsvollstreckerin Zugriff hat. Laut Kontoauszug befinden sich auf dem Konto nur noch 100.000€. Daraufhin wollte die Betreuerin der Klägerin die Beklagte auf Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch nehmen. In diesem Rahmen beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Der Antrag wurde vom Landgericht, einem Einzelrichter, mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägerin könne die Kosten des Rechtsstreits aus ihrem Vermögen aufbringen und hierzu die Beklagte im Wege der einstweiligen Verfügung auf Zustimmung zur Auszahlung in Anspruch nehmen. Hiergegen wandte sich die Betreuerin im Beschwerdeverfahren und führte aus, dass die Gefahr einer Streitverzögerung durch die Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt wurde.

 

Entscheidung | OLG Saarbrücken 5 W 71/22

Die Beschwerde hat zumindest vorläufigen Erfolg.

Zwar wurde richtigerweise davon ausgegangen, dass die Klägerin über kurzfristig realisierbares Vermögen verfügte, mit welchem sie die Prozesskosten decken könnte. Jedoch wurde das Urteil nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen, Art. 101 Abs. 1 GG. Grundsätzlich gilt eine Zuweisung der am Landgericht eingehenden Verfahren an Einzelrichter, § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO. Jedoch gilt dies dann nicht, wenn die Zuständigkeit der Kammer nach § 72a Abs. 1 GVG vorliegt. § 72a Abs. 1 GVG beinhaltet in Nr. 6 auch erbrechtliche Streitigkeiten. Entgegen einer vertretenen Ansicht beschränkt sich dabei der Geltungsbereich der Norm schon nach dem Gesetzeswortlaut nicht auf Fälle des § 27 ZPO. Vielmehr beurteilt sich die Frage, ob die Streitigkeit als erbrechtliche Sache in die Zuständigkeit der Landgerichte fällt, nach dem Streitgegenstand. Die Zuweisung betrifft dabei neben dem eigentlichen Erkenntnisverfahren auch alle Nebenverfahren, einschließlich des vorliegenden Verfahrens auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Vorliegend geht es auch unzweifelhaft um Normen des Erbrechts, weshalb ein Fall des 72a Abs. 1 GVG vorliegt.

Der Beschluss ist weder durch die Kammer als gesetzlicher Richter ergangen, noch wurde dieser Mangel im weiteren Verfahren geheilt, § 572 Abs. 1 ZPO. Daher wird der Beschluss aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen, damit dieses in ordnungsgemäßer Besetzung entscheiden kann. Da die Unzuständigkeit des Einzelrichters auch auf die Zuständigkeiten des Senats im Beschwerdeverfahren und damit auf den gesetzlichen Richter des Beschwerdegerichts wirkt, kann der Senat auch keine eigene Sachentscheidung treffen.

 

Praxishinweis | OLG Saarbrücken 5 W 71/22

Da die Beschwerde bereits wegen der Unzuständigkeit des Einzelrichters erfolgreich war, bleibt abzuwarten, wie das Landgericht in richtiger Besetzung in der Sache entscheiden wird.