BGH X ZR 42/20
Keine Begründungspflicht beim Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks

08.09.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
11.10.2022
X ZR 42/20
ZEV 2023, 174

Leitsatz | BGH X ZR 42/20

Die Erklärung des Widerrufs einer Schenkung wegen groben Undanks bedarf keiner Begründung.

Sachverhalt | BGH X ZR 42/20

Die frühere Klägerin (mittlerweile verstorben), hatte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Grundstückseigentum auf den Beklagten und die beiden jetzigen Klägerinnen (ihre Erbinnen) übertragen. Dabei hatte sich die Erblasserin einen lebenslangen, unentgeltlichen Nießbrauch vorbehalten. Am 10.04.2018 erteilte sie die Bewilligung zur Löschung ihrer eingetragenen Nießbrauchsrechte. Die Bewilligungen wurden der gemeinsamen Hausverwaltung der Erbinnen und des Beklagten "zur weiteren Verfügung und Verwahrung bei ihren Unterlagen" übersandt und in einem Safe bei der Hausverwaltung aufbewahrt. Der Beschenkte ließ sich die Urkunde aushändigen und verhandelte ergebnislos mit den jetzigen Erbinnen und der Schenkerin über die Verwendung der Bewilligungen.

Trotz fehlender Einigung reichte der Beklagte die Löschungsbewilligungen bei den zuständigen Grundbuchämtern ein. Hiergegen erwirkte die Schenkerin eine einstweilige Verfügung. Danach widerrief sie die Schenkung und klagte auf Rückübertragung des (Mit-)Eigentums an den Grundstücken. Nachdem sie beim LG Frankfurt Erfolg hatte, wies das OLG Frankfurt als Berufungsinstanz die Klage ab. Der Schenkungswiderruf sei mangels Widerrufsgrund und notwendiger Begründung unwirksam.

 

Entscheidung | BGH X ZR 42/20

Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Frage, ob ein Schenkungswiderruf begründet werden muss, wurde vom BGH noch nicht abschließend geklärt. In einem früheren Urteil des BGH (v. 22.10.2019 – X ZR 48/17) blieb die Frage mangels Entscheidungserheblichkeit noch offen. Zwar hält die obergerichtliche Rechtsprechung und ein Teil der Literatur die Mitteilung des Widerrufsgrundes für erforderlich. Allerdings sieht ein Teil der Literatur auch ausdrücklich davon ab. Dem schließt sich der BGH vorliegend an.

Zunächst sieht der Wortlaut von § 530 BGB das Begründungserfordernis nicht vor. Auch aus dem Sinn und Zweck der §§ 530ff BGB kann ein solches Erfordernis nicht abgeleitet werden. Aufgrund der gravierenden Folgen des Widerrufs für den Beschenkten muss dieser den Widerruf zwar zuverlässig überprüfen können. Er wird jedoch durch das Gesetz geschützt, da die materielle Wirksamkeit des Widerrufs an enge objektive und subjektive Voraussetzungen geknüpft ist und der Schenker diese auch vor dem Gericht darlegen und beweisen muss. Hierfür spricht auch, dass es i.R.d. fristlosen Kündigung eines Dienstvertrags aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB nur darauf ankommt, dass ein Grund vorliegt und die Frist eingehalten wurde. Die Wirksamkeit hängt jedoch nicht davon ab, dass der Kündigungsgrund auch mitgeteilt wurde.

Hinsichtlich eines möglichen Widerrufsgrundes der Schenkenden hat das Berufungsgericht nicht die erforderlichen Erwägungen angestellt. Bezüglich der Gesamtwürdigung kann das Revisionsgericht nur kontrollieren, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff ausreichend auseinandergesetzt hat. Vorliegend war dies jedoch nicht der Fall. Der Widerruf einer Schenkung setzt objektiv eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere voraus. In subjektiver Hinsicht muss die Verfehlung Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten sein, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann. Das Berufungsgericht hat aber nicht berücksichtigt, dass die Umstände der Übersendung der Löschungsbewilligung und die ergebnislosen Verhandlungen gerade gegen eine eigenmächtige Ausübung der Löschungsbewilligung durch den Beschenkten sprachen. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Schenkende auch mit einer Verwendung gegen ihren Willen rechnen müssen. Dahingehende Anhaltspunkte vor Erteilung der Löschungsbewilligung lagen nicht vor. Folglich sind auch die Erwägungen zu den subjektiven Voraussetzungen nicht tragfähig.

 

Praxishinweis | BGH X ZR 42/20

Der BGH hat in der vorliegenden Entscheidung die bislang streitige Frage, ob ein Anspruch wegen Widerrufs einer Schenkung eine formale Begründung der Widerrufserklärung voraussetzt, verneint. Die Wirksamkeit der Widerrufserklärung bedarf weder einer Begründung noch einer Sachverhaltsdarstellung und damit weder einer rechtlichen noch sonstigen Begründung. Trotzdem müssen die Tatbestandsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen, der Beschenkte sich also des groben Undanks schuldig gemacht und der Schenker fristgemäß den Widerruf der Schenkung erklärt haben. In der Praxis tritt dadurch für den Schenker eine verfahrenstaktische Erleichterung ein, spätestens im gerichtlichen Verfahren muss er jedoch den Widerrufsgrund angeben und schlüssig darzulegen.

Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob ein Widerrufsgrund i.S.v. § 530 Abs. 1 BGB vorliegt. Sollte es dies bejahen, wird es die bislang offen gelassene Frage zu klären haben, ob die Übertragung an den Beklagten auf einer Schenkung beruht.