BGH V ZR 24/20
Keine Arglist gem. § 444 BGB bei Verschweigen eines "schwarz" errichteten Gebäudes auf dem verkauften Grundstück

19.09.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
28.05.2021
V ZR 24/20
BeckRS 2021, 24697

Leitsatz | BGH V ZR 24/20

Amtlicher Leitsatz

  1. Bezugspunkt der Arglist in § 444 BGB ist ein konkreter Mangel. Arglist liegt deshalb nur vor, wenn der Verkäufer diesen konkreten Mangel kennt oder zumindest im Sinne eines bedingten Vorsatzes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Das schließt es aus, ein arglistiges Verschweigen von Mängeln gemäß § 444 BGB durch den Verkäufer allein daraus abzuleiten, dass das Gebäude auf dem verkauften Grundstück teilweise unter Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz errichtet worden ist.
  2. Für die Annahme von Arglist genügt es nicht, dass sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen (Bestätigung von Senat, Urteil vom 12. April 2013 - V ZR 266/11, NJW 2013, 2182).
  3. Ein Grundstück ist nicht allein deshalb mangelhaft, weil bei der Errichtung eines auf ihm stehenden Gebäudes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen wurde.

 

Sachverhalt | BGH V ZR 24/20

Die Klägerin kaufte mit notariellem Vertrag vom 27. März 2012 von den Beklagten zu 1 und 2 ein Grundstück für 253.000 €. In dem Vertrag wurden die Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Grundstücks, des Gebäudes und der mitverkauften beweglichen Sachen ausgeschlossen.

Auf dem Grundstück befindet sich ein Gebäude, das der Beklagte zu 1 aufgrund eines Werkvertrags mit einer inzwischen verstorbenen Bauunternehmerin hatte errichten lassen. Im Zuge von Umbauarbeiten stellte die Klägerin Mängel der Abdichtung des Kellers und des Haussockels gegen Feuchtigkeit fest.

Im Dezember 2012 trat der Beklagte zu 1 an die Klägerin sämtliche ihm gegenüber der Bauunternehmerin zustehenden Gewährleistungsansprüche ab.

Die Klägerin hat wegen der Feuchtigkeitsmängel von den Verkäufern und den Erben der Bauunternehmerin zuletzt insgesamt 48.457,51 € als Wertminderungsschaden verlangt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin hinsichtlich des Beklagten zu 2 und der Erben der Bauunternehmerin durch Teilurteil vom 30. April 2019 zurückgewiesen. Dieses Teilurteil ist rechtskräftig. Mit Schlussurteil vom 23. Dezember 2019 hat es den Beklagten zu 1 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen zur Zahlung von 34.679,72 € nebst Zinsen verurteilt. Dagegen wendet sich der Beklagte zu 1 mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidung | BGH V ZR 24/20

Das Berufungsgericht habe im Ausgangspunkt richtigerweise erkannt, dass das Gebäude ohne eine Vertikalabdeckung bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen sei. Aufgrund dieser Mängel könne der Beklagte zu 1 nach § 437 Nr. 3, § 440, § 280 Abs. 1 u. 3, § 281 BGB zu Schadensersatz statt des ausgefallenen Leistungsteils verpflichtet sein. In diesem Rahmen könne die Klägerin nicht nur, wie zuletzt beantragt, Ersatz des Minderwertes, sondern, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, auch Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten verlangen.

Unzutreffend sei aber die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Beklagte zu 1 die festgestellten Mängel arglistig verschwiegen habe, ergebe sich schon daraus, dass der gesonderte Vertrag über die Herstellung der Bodenplatte und der Abdichtung gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung verstoßen habe. Damit verkenne das Berufungsgericht den Anknüpfungspunkt der Arglist in § 444 BGB und die ihr nach dieser Vorschrift zugedachte Wirkung. Nach § 444 BGB darf sich der Verkäufer auf einen in dem Kaufvertrag vereinbarten Haftungsausschluss nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Mit „Mangel“ sei jeder einzelne Mangel gemeint, auf den sich der Käufer beruft. Das arglistige Verschweigen des Mangels führe dabei nicht dazu, dass der Verkäufer sich per se nicht mehr auf den Haftungsausschluss berufen könne. Die Berufung auf den Haftungsausschluss ist ihm daher nur „insoweit“ verwehrt, als dass er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Arglist liegt deshalb nur vor, wenn der Verkäufer diesen konkreten Mangel kenne oder zumindest im Sinne eines bedingten Vorsatzes für möglich halte und billigend in Kauf nehme. Das schließt es aus, ein arglistiges Verschweigen von Mängeln gemäß § 444 BGB durch den Verkäufer allein daraus abzuleiten, dass das Gebäude auf dem verkauften Grundstück teilweise unter Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz errichtet worden ist. Die dadurch einschlägigen Tatbestände befassen sich jedoch nicht mit dem Inhalt der versprochenen Leistungen und besagen erst recht nichts darüber, ob die vereinbarte Leistung wie vorgesehen erbracht worden ist oder nicht. Sie geben deshalb auch keine Auskunft darüber, ob der Auftraggeber, worauf es im Zusammenhang von § 444 BGB allein ankomme, von Fehlern bei der Ausführung der Werkleistungen Kenntnis hatte oder das Vorhandensein solcher Fehler billigend in Kauf genommen hat. Sie begründen für sich genommen auch nicht den Verdacht, die Arbeiten seien nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden und das Grundstück dadurch mangelhaft. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass ein Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zur Nichtigkeit des Werkvertrags führe.

Praxishinweis | BGH V ZR 24/20

Zum einen sollte ein Bauherr kontinuierlich die real durchgeführten Arbeiten am Bauwerk kontrollieren. Dies gilt insbesondere bei einem vereinbarten Haftungsausschluss etwaiger Gewährleistungsansprüche. Nach der Entscheidung des BGH kann der Bauherr jedoch nicht allein aus dem Umstand, Arbeiten am Gebäude währen unter Schwarzarbeit durchgeführt worden schlussfolgern, dass ein arglistiges Verschweigen etwaiger Mängel vonseiten des Werkunternehmers vorläge. Vielmehr können auch Personen, welche unter Verstoß von § 1 II SchwarzArbG Arbeiten ausführen, mangelfrei leisten. Es sind daher weitere Gründe zu anzubringen, welche ein arglistiges Verschweigen etwaiger Mängel begründen können – mithin § 444 BGB greift.