BFH XI R 2/17
Kein ermäßigter Steuersatz für durch gemeinnützigen Verein betriebenes Bistro

20.02.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
23.07.2019
XI R 2/17
juris

Leitsatz | BFH XI R 2/17

Die Umsätze, die ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Wohlfahrtswesens aus Gastronomieleistungen und der Zurverfügungstellung einer öffentlichen Toilette erzielt, sind selbst dann nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt zu besteuern, wenn diese Leistungen der Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke gedient haben.

Sachverhalt | BFH XI R 2/17

Der Kläger unterstützt als gemeinnütziger Verein Menschen mit Behinderung, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands der Hilfe bedürfen. Zur Erfüllung dieses Zwecks betreibt er eine Werkstatt für behinderte Menschen, ein Bistro und eine öffentliche Toilette. Der Kläger begehrt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7% auf die Umsätze des öffentlichen Betriebes (Bistro und Toilette), da dort auch behinderte Menschen arbeiten. Dem Begehren folgte das Finanzamt nicht. Die Klage vor dem Finanzgericht blieb erfolglos.

Entscheidung | BFH XI R 2/17

Die Umsätze des vom Kläger betriebenen Bistros und der öffentlichen Toilette unterliegen grundsätzlich dem allgemeinen Umsatzsteuersatz. Die Voraussetzungen für eine Steuersatzermäßigung gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a S. 3 UStG seien nicht gegeben. Die Sache sei jedoch nicht spruchreif und werde daher an das Finanzgericht zurückverwiesen, da nicht beurteilt werden könne, ob sich der ermäßigte Steuersatz aus anderen Gründen ergebe.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a S. 1 UStG gelten die Steuerermäßigungen nur für Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. Die Steuerermäßigung gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Der ermäßigte Steuersatzes für Zweckbetriebe findet wiederum Anwendung, wenn der Zweckbetrieb nicht in unmittelbarem Wettbewerb mit der Regelbesteuerung unterliegenden Unternehmen tätig ist (1. Alternative) oder mit dessen Leistungen die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklicht werden (2. Alternative), § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a S. 3 UStG. Bei der hiesigen Entscheidung seien zwingende Vorschriften des Unionsrechts im Bereich der Mehrwertsteuer zu beachten. In entsprechender Anwendung der Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (RL 2006/112/EG) dürfen die Mitgliedstaaten insbesondere nicht auf alle gemeinnützigen Leistungen einen ermäßigten Steuersatz anwenden, sondern auf die diejenigen, die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind (EuGH, Urt. v. 17.06.2010, C-492/08). Unionsrechtlich seien daher andere als gemeinnützige Leistungen vom Anwendungsbereich der Steuersatzermäßigung für gemeinnützige Körperschaften von vornherein ausgeschlossen. Daraus folge, dass die Begünstigung von Körperschaften, die mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen, unionsrechtswidrig sei. Im Übrigen seien die oben dargestellten Regelungen, sofern sie zur Anwendung des Regelsteuersatzes führen, weit auszulegen.

Obwohl vorliegend ein Zweckbetrieb vorliege, seien die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a S. 3 UStG nicht erfüllt.

Mit dem Bistro trete der Kläger mit den Umsätzen des Bistros und der öffentlichen Toilette in Wettbewerb mit anderen Unternehmen, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Außerdem unterstütze der Betrieb des Bistros und der öffentlichen Toilette nicht die satzungsmäßigen Zwecke des Vereins selbst. Satzungsmäßiger Zweck war die Unterstützung von Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands der Hilfe bedürfen. Zwar möge der Verkauf von Gastronomieleistungen und die Zurverfügungstellung der Toilette der Verwirklichung dieser Zwecke gedient haben. Jedoch dienen diese Leistungen in erster Linie den Zwecken der Besucher und der Nutzer, die nicht vom gemeinnützigen Zweck der Einrichtung des Klägers erfasst werden. Die angebotenen Leistungen seien daher nicht originär gemeinnützige Leistungen. Begünstigt wären nur Leistungen gegenüber behinderten Personen, jedoch nicht Leistungen, an deren Erbringung behinderte Arbeitnehmer des Integrationsunternehmens teilhaben. Dieses Ergebnis entspreche auch der erforderlichen weiten Auslegung des Regelsteuersatzes.

Dennoch müsse das Finanzgericht die Prüfung nachholen, ob bzw. in welchem Umfang steuerermäßigte Umsätze nach anderen Vorschriften vorliegen.

Praxishinweis | BFH XI R 2/17

Seit Jahren wird kritisiert, dass Vereine immer stärker in kommerzielle Bereiche vorstoßen und dabei sogar durch Steuervergünstigungen privilegiert sind. Obwohl auf viele gemeinnützige Betriebe bisher der ermäßigte Steuersatz von 7 % angewendet wurde, ist nun eine Prüfung notwendig, ob dies auch weiterhin gilt. Zumindest besteht nun kein automatischer Anspruch auf einen ermäßigten Umsatzsteuersatz mehr.