OLG Celle 6 U 89/22
Kein Auftragsverhältnis bei Ehegattenvollmacht und 50-jähriger Ehe

27.10.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Celle
13.01.2023
6 U 89/22
NJW-Spezial 2023, 232

Leitsatz | OLG Celle 6 U 89/22

Haben sich Ehegatten nach 50-jähriger Ehe eine Vorsorgevollmacht erteilt, scheidet in der Regel im Innenverhältnis ein Auftragsrecht aus. Vielmehr ist von einem Gefälligkeitsverhältnis mit Haftungsfreistellung auszugehen. (nicht amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt | OLG Celle 6 U 89/22

Die Eheleute waren seit 50 Jahren verheiratet, als die Ehefrau begann unter Alzheimer zu leiden. Daraufhin erteilte sie ihrem Ehemann eine Generalvollmacht. Nach ihrem Tod wurde sie von ihrem Ehemann sowie ihren beiden Kindern beerbt. Die Tochter klagte erfolglos gegen den Vater auf Auskunft über den Verbleib von Vermögensgegenständen und auf Auskunfts- und Rechnungslegung aus dem Innenverhältnis der Vollmacht. Dies stützte sie auf §§ 662, 666 BGB.

Entscheidung | OLG Celle 6 U 89/22

Das OLG regt per Hinweisbeschluss an, die Berufung mangels Erfolgsaussicht zurückzunehmen.

Unter Miterben besteht grundsätzlich kein gegenseitiger Auskunftsanspruch. Zwar kann jeder Miterbe als Rechtsnachfolger des Verstorbenen eigene Auskunftsansprüche z.B. gegenüber Banken oder Dritten geltend machen oder Einsichtnahme in öffentliche Register fordern. Allerdings ist ein solcher Anspruch nach § 242 BGB gegen Miterben nur anzunehmen, wenn der Auskunftsberechtigte in entschuldbarer Weise keine Kenntnis über den Bestand und Umfang seiner Rechte hat und der Auskunftsgeber die Auskünfte leicht erteilen kann.

Zwischen den Eheleuten bestand auch kein Auftragsverhältnis, weshalb sich auch aus dem Innenverhältnis der Vollmacht kein Anspruch ergibt. Für die Abgrenzung zwischen einem Auftrag und einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis ist der Rechtsbindungswillen im Einzelfall unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte maßgeblich. Grundsätzlich spricht für einen Rechtsbindungswillen, die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung eine Angelegenheit. Die niedrigen Vermögensverhältnisse lassen die wirtschaftliche Bedeutung hingegen zweifelhaft erscheinen.

Da die Eheleute bereits seit 50 Jahren verheiratet sind und die Erblasserin zwischen der Vollmachtserteilung und ihrem Tod nie Auskunft oder Rechenschaft von ihrem Ehemann verlangte, verstößt ein nachträgliches Auskunftsverlangen außerdem gegen § 242 BGB.

Praxishinweis | OLG Celle 6 U 89/22

Die Abgrenzung zwischen einem Auftrag gem. § 662 BGB und einer Gefälligkeit ist vom Rechtsbindungswillen abhängig. Dieser ist im Einzelfall nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände und der Verkehrssitte zu ermitteln. Eine generalisierende Aussage, dass bei Geldgeschäften durch Familienangehörige ein Auftragsverhältnis vorliegt, kann indes nicht erfolgen.