OLG Düsseldorf I-3 Wx 198/20
Auslegung einer Schlusserbeneinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament bzgl. der Bezeichnung „die Kinder“

30.07.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Düsseldorf
25.11.2020
I-3 Wx 198/20
NJW-Spezial 2021, 71

Leitsatz | OLG Düsseldorf I-3 Wx 198/20

Verfügen Ehegatten, die Kinder aus Vorehen hatten, in einem gemeinschaftlichen Testament, mit welchem sie einander zu Alleinerben einsetzen, „Erst nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Elternteils sollen die Kinder uns zu ungefähr gleichen Teilen beerben.“, so kann die Auslegung ergeben, dass mit "Kinder" lediglich die im Haushalt lebenden Kinder des vorverstorbenen Ehemannes gemeint sein sollten und nicht auch das Kind der Erblasserin, zu dem zur Zeit der Errichtung des Testaments kein Kontakt bestand.

Sachverhalt | OLG Düsseldorf I-3 Wx 198/20

Die Erblasserin und ihr im Jahr 2013 vorverstorbener Ehemann errichteten 2009 handschriftlich ein gemeinsames Testament, mit welchem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Weiter enthielt das Testament folgenden Passus:

„Erst nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Elternteils sollen die Kinder uns zu ungefähr gleichen Teilen beerben.“

Die Erblasserin hatte zwei im Haushalt der Eheleute lebende Kinder aus erster Ehe. Eine Tochter (T) und einen Sohn (S), der im Jahr 2018 vorverstorben war und zwei Kinder hinterließ. Der Ehemann der Erblasserin hatte eine Tochter aus erster Ehe (Antragstellerin), zu der aber keinerlei Verhältnis bestand.

Mit notarieller Urkunde vom 30.01.2020 beantragte die Tochter der Erblasserin den Erlass eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der als Erben der Erblasserin T zu einem 1/2 -Anteil und die Kinder des S zu je ¼-Anteil ausweist. Dagegen wendet sich die Antragstellerin und beantragt die Einziehung des Erbscheins. Die Erbfolge richte sich nach dem gemeinschaftlichen Testament, mit welchem „die Kinder“ eingesetzt worden seien, mithin auch sie. Damit sei sie Erbin zu einem 1/3-Anteil geworden.  Das Nachlassgericht hat den Antrag zurückgewiesen.

Entscheidung | OLG Düsseldorf I-3 Wx 198/20

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Zu Recht hat das Nachlassgericht den Antrag auf Einziehung der Erbscheins zurückgewiesen. Gem. § 2361 S. 1 BGB ist ein Erbschein einzuziehen, wenn er unrichtig ist. Unrichtig ist ein Erbschein, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins nie vorlagen oder aber nachträglich nicht mehr gegeben sind. Dies kann sich sowohl aus verfahrensrechtlichen wie aus materiell-rechtlichen Gründen ergeben.

Eine materiell-rechtliche Unrichtigkeit kann sich aus eine abweichenden Testamentsauslegung ergeben. Wie bereits das Nachlassgericht kommt jedoch auch das Berufungsgericht im Wege der Auslegung zu dem Ergebnis, dass mit „die Kinder“ nicht die Antragstellerin gemeint war und sie nicht mit einschließe. Allein die im Haushalt der Eheleute lebenden Kinder der Erblasserin T und S seien nach dem Willen der Eheleute als Erben eingesetzt worden.

Erweist sich der Inhalt eines Testamentes als nicht eindeutig, ist es auslegungsbedürftig. Die erläuternde Auslegung hat zum Ziel, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen. Was er mit seinen Worten sagen wollte. Bei gemeinschaftlichen Testamenten ist gem. §§ 157, 242 BGB ferner zu prüfen, ob ein nach dem Verhalten des einen Testierenden mögliches Auslegungsbedürfnis auch dem Willen des anderen entsprochen hat.

Die Antragstellerin hatte keinen Kontakt zu den Eheleuten. Kontaktbemühungen seitens der Antragstellerin wurden von den Eheleuten abgeblockt. Zudem entspreche es dem allgemein üblichen Sprachgebrauch, mit den Worten „die Kinder“ die im eigenen Haushalt lebenden Kinder zu bezeichnen. Daraus ergebe sich in der Gesamtschau kein Wille der beiden Ehegatten, die Antragstellerin zur Erbin habe einsetzen zu wollen. Damit war der Antrag zurückzuweisen.

 

Praxishinweis | OLG Düsseldorf I-3 Wx 198/20

Durch den gesellschaftlichen Wandel entstehen immer mehr sogenannte „Patchwork“-Familien. Eheleute sollten bei der Errichtung des gemeinschaftlichen Testamentes ihre Wortwahl genau bedenken. Im Zweifel sind mit „die Kinder“ immer die im Haushalt der Eheleute lebenden Kinder gemeint.