OLG Düsseldorf 12 U 42/21
Gleichstellung von Darlehensforderungen aus unternehmerischer Tätigkeit eines Gesellschafters mit Gesellschafterdarlehen und Beweislast des Insolvenzverwalters für Nichtvorliegen der Voraussetzungen von § 1 COVInsAG

25.11.2022

Leitsatz | OLG Düsseldorf 12 U 42/21

  1. Zu den einem Gesellschafterdarlehen gleichgestellten Forderungen gehören auch Darlehensforderungen von Unternehmen, die mit dem Gesellschafter horizontal oder vertikal verbunden sind. Für diese Verbindung genügt eine mittelbare Beteiligung sowohl am Schuldnerunternehmen als auch (mehrheitlich) an der darlehensgebenden Gesellschaft.
  2. Die Beweislast für das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG obliegt dem Insolvenzverwalter. Steht fest, dass der Schuldner bereits am 31.12.2019 zahlungsunfähig war, weil er seine Zahlungen eingestellt hatte, greift die Vermutung des § 1 I 3 COVInsAG nicht zugunsten des Anfechtungsgegners ein.
  3. Der Nachweis des Nichtberuhens der Insolvenzreife auf den Folgen der COVID-19- Pandemie kann aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Schuldners vor dem Stichtag mit Blick darauf, dass bis zum 31.12.2019 keine Anzeichen für eine coronabedingte Wirtschaftskrise bestanden, als geführt anzusehen sein.

Sachverhalt | OLG Düsseldorf 12 U 42/21

Am 21.1.2021 wurde ein Insolvenzverfahren aufgrund eines Insolvenzeröffnungsantrags über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. MP, der Alleingesellschafter der Schuldnerin, ist gleichzeitig auch mittelbarer Mehrheitsgesellschafter der Beklagten. Die Beklagte hat der Schuldnerin Darlehen gewährt und die Schuldnerin hat an die Beklagte am 26.2.2020, am 14.4.2020 und am 30.6.2020 Zahlungen iHv 163.000,00 € insgesamt zur Befriedigung der verschiedenen Darlehen geleistet.

Der Insolvenzverwalter und die Schuldnerin klagten auf Rückgewähr der Zahlungen.

 

Entscheidung | OLG Düsseldorf 12 U 42/21

Das OLG Düsseldorf weist die Berufung der Beklagten als offensichtlich unbegründet zurück.

Unter Verweis auf die BGH Rechtsprechung IX ZR 243/18 vom 25.6.2020 stellte das Gericht fest, dass der Darlehensgeber zumindest dann unter § 39 I Nr. 5 InsO fällt, wenn der mittelbare Gesellschafter eine maßgebliche Beteiligung an der Darlehensgeberin hat und ob seiner Mehrheitsbeteiligung die Rückgewähr des Darlehens beeinflussen kann. Es läge dann ein Darlehen vor, das wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entspricht. Vorliegend handele es sich um einen Fall der horizontalen Verbindung, da MP sowohl mittelbar am Schuldunternehmen beteiligt war als auch an der darlehensgebenden Gesellschaft.

Vorliegend sind die Zahlungen im letzten Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags erfolgt. Durch die Rückzahlung der Darlehen an die Beklagte seien die Gläubiger der Schuldnerin benachteiligt worden § 129 I InsO.
Die Beklagte hatte vorgetragen, dass sie im Hinblick auf die Regelung aus § 2 I Nr. 2 COVInsAG benachteiligt worden sei. Das LG hielt dies für inkorrekt, da die Schuldnerin bereits zum 31.12.2019 zahlungsunfähig gewesen ist und ihr damit keine Privilegierung nach § 2 I Nr. 2 COVInsAG zustünde. Nach § 2 I Nr. 2 COVInsAG gilt die bis zum 30.09.2023 erfolgende Rückgewähr eines Kredits, der im Aussetzungszeitraum gewährt worden war, nicht als gläubigerbenachteiligend, soweit nach § 1 I COVInsAG die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist. Auch die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen wird unter diesen Voraussetzungen geschützt. Voraussetzung ist, dass das neue Darlehen im Aussetzungszeitraum vom 1.3.2020 - 30.9.2020 § 1 I COVInsAG ausbezahlt worden ist. Eine Privilegierung der Zahlung der Schuldnerin iHv 100.000 € am 26.2.2020 scheidet damit bereits aus, weil das Darlehen der Beklagten bereits am 10.2.2020 und somit außerhalb des Aussetzungszeitraums gewährt worden war.

Weiterhin setzt auch die Privilegierung des § 2 II Nr. 2 COVInsAG voraus, dass die Pflicht zum Stellen des Insolvenzantrags nach § 1 COVInsAG ausgesetzt ist. Der Aussetzungszeitraum hierfür war 1.3.2020 bis 30.9.2020. Dies galt jedoch nicht, wenn die Insolvenzreife nicht im Zusammenhang mit der COVID 19 Pandemie stand oder aber wenn keine Aussicht darauf bestand, dass die Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden konnte. Der Kläger habe substanziiert vorgetragen, dass die Schuldnerin bereits zum 31.12.2019 zahlungsunfähig gewesen ist. Die danach bestehende Insolvenzreife habe nicht auf den Auswirkungen der Pandemie beruht.

War die Schuldnerin bereits im Dezember 2019 zahlungsunfähig, so war diese Zahlungsunfähigkeit nicht mit der Pandemie zu begründen, deshalb besteht auch keine Privilegierung nach § 2 II Nr. 2 COVInsAG weil die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nicht gem. § 1 I COVInsAG entfallen war.

Praxishinweis | OLG Düsseldorf 12 U 42/21

Im vorliegenden Fall zeigte sich, wie wichtig die Kooperation durch den Insolvenzverwalter in einem solchen Fall ist. Nur durch die Bereitstellung aller Unterlagen ließen sich alle Zeitpunkte (z.B. der Zahlungsunfähigkeit) genau bestimmen.

Ist der/die Schuldnerin bereits vor der Pandemie zahlungsunfähig gewesen, ist die Pflicht zur Insolvenzantragstellung nicht ausgesetzt.

Ob Aussichten auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestanden ist irrelevant, weil § 1 I COVInsAG nur einschlägig ist, wenn diese pandemiebedingt war.