BGH V ZR 272/19
Erfolgreiche Anfechtung eines Grundstückskaufvertrags: Maklerprovision und Grunderwerbsteuer als ersatzfähige Schadensersatzpositionen

26.01.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
24.09.2021
V ZR 272/19
DStR 2021, 2808

Leitsatz | BGH V ZR 272/19

Kann sich der Käufer einer Immobilie aufgrund einer Pflichtverletzung des Verkäufers von dem Kaufvertrag lösen, stellen die von ihm an einen Makler gezahlte Provision und die von ihm entrichtete Grunderwerbsteuer ersatzfähige Schadensersatzpositionen dar; die Erstattungsansprüche gegen den Makler und den Fiskus sind entsprechend § 255 BGB an den Verkäufer abzutreten.

Sachverhalt | BGH V ZR 272/19

Die Beklagte verkauft der Klägerin mit notariellem Kaufvertrag vom 06.06.2014 ein mit einem Wohnhaus und einem Betriebsgelände bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 710.000 Euro. Die Klägerin entrichtete in der Folgezeit eine Provision von 25.347 Euro an die von ihr selbst beauftragten Maklerin und die festgesetzte Grunderwerbssteuer (23.800 Euro) an das Finanzamt.

Die Klägerin verlangt im Klageweg die Rückzahlung des Kaufpreises, hilfsweise Zug um Zug gegen Rückübertragung des Grundstücks, sowie Schadensersatz unter anderem für die gezahlte Maklerprovision und die Grunderwerbssteuer. Sie stützt ihr Vortragen auf die Behauptung den Vertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten zu haben. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises und Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 8.889,99 Euro und wies die Berufung im Übrigen zurück.

Die Revision wurde insoweit zugelassen, als sie sich auf die Erstattung der Maklerprovision und der Grunderwerbssteuer in Höhe von 49.147 Euro bezieht. Nachdem der Klägerin die Grunderwerbssteuer erstattet worden ist, hat sie den Rechtsstreit in der Höhe für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen.

Entscheidung | BGH V ZR 272/19

Die Revision ist zulässig und begründet und hat somit Erfolg. Die Zulässigkeit der Revision umfasse insbesondere auch die zunächst abgewiesenen vorgerichtlichen Anwaltskosten. Dem steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entgegen, dass die Revision nur beschränkt zugelassen wurde. Auch handele es sich mit der nur noch verlangten Zug-um-Zug Verurteilung nicht um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung, da die Klägerin ihren Klageantrag qualitativ beschränkt habe.

Die Revision sei teilweise bezüglich der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet und der Klägerin wurde zu Unrecht kein Schadensersatzanspruch wegen der gezahlten Maklerprovision und der Grunderwerbssteuer zuerkannt. Das Berufungsgericht nehme zutreffend an, dass der Klägerin aufgrund der vorvertraglich erfolgten arglistigen Täuschung der Beklagten ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB zustehe. Danach sei der Geschädigte nach einer Pflichtverletzung des Vertragspartners bei den Vertragsverhandlungen so zu stellen, wie er bei der Offenlegung der für seinen Vertragsentschluss maßgeblichen Umstände stünde.

Rechtsfehlerhaft sei hingegen die Ablehnung der Entstehung eines Schadens, weil der Klägerin Erstattungsansprüche gegen die Maklerin und das Finanzamt zustünden. Vielmehr stellen sie nutzlose Aufwendungen und damit ersatzfähige Schadenspositionen dar. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Klägerin ein Bereicherungs- bzw. Erstattungsanspruch zustehe. Die ständige Rechtsprechung schließe die Annahme eines Schadens im Verhältnis zu dem Betroffenen und dem für die Pflichtverletzung Verantwortlichen nicht aus, auch wenn dem Betroffenen infolge der Pflichtverletzung gegenüber Dritten Ersatz- und Rückforderungsansprüche entstanden seien. Es solle dem Geschädigten in einer solchen Situation freistehen, wen er in Anspruch nehmen möchte. Wende man § 255 BGB in einem solchen Fall entsprechend an, sei der Schädiger allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen den Dritten zum Schadensersatz verpflichtet. Insoweit habe das angefochtene Urteil keinen Bestand und sei in diesem Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

Die Sache sei somit bezüglich der Grunderwerbssteuer für erledigt zu erklären und der Beklagte sei zum Ersatz der Maklerprovision Zug um Zug gegen Abtretung des Rückzahlungsanspruchs der Klägerin gegen die Maklerin zu verurteilen.

Praxishinweis | BGH V ZR 272/19

Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass ein Schaden auch dann entsteht, wenn der Geschädigte Ersatzansprüche gegen einen Dritten hat. Dann soll der Geschädigte nicht das Insolvenzrisiko des Dritten tragen, den er sich ggf. als Vertragspartner nicht einmal selbst ausgesucht hat. Vielmehr soll dem Geschädigten das Wahlrecht obliegen, wen er in Anspruch nimmt – entweder den Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger oder den Ersatzanspruch gegen den Dritten. Es lohnt sich daher Schadensersatzansprüche vor Gericht einzuklagen, obwohl ein Ersatzanspruch besteht. Erfasst vom Schaden sind zudem vorgerichtliche Anwaltskosten.