KG 6 W 48/22
Erbeinsetzung aufgrund einer Abänderungsklausel und angesichts einer möglichen Demenz wegen einer Parkinson-Erkrankung

05.04.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
09.05.2023
6 W 48/22
ZEV 2023, 664

Leitsatz | KG 6 W 48/22

  1. Das Gesetz schreibt für die Errichtung eines eigenhändigen Testaments nicht die Verwendung eines bestimmten Schriftträgers vor. Daher kann ein Testament wirksam auf der blanko Rückseite eines Ausdrucks des Speiseplanes eines Cafés errichtet werden.
  2. Auch eine länger andauernde Parkinson-Erkrankung mit verbundenen krankheitsbedingten Einschränkungen rechtfertigt noch nicht die Annahme einer fehlenden Testierfähigkeit.

Sachverhalt | KG 6 W 48/22

Der Erblasser und seine Ehefrau hatten keine Kinder und sich daher gegenseitig als Alleinerben in einem gemeinschaftlichen Testament eingesetzt. Die Beschwerdeführerin wurde als Schlusserbin eingesetzt, allerdings bestand eine Regelung, wonach der Letztlebende berechtigt war auch anders zu testieren. Als die Ehefrau verstorben ist, verfügte der Erblasser in einem handschriftlichen Testament, dass er den Antragsteller zum Alleinerben einsetze. Nachdem auch der Erblasser 2021 gestorben ist, beantragte der Antragsteller die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist. Die Beschwerdeführerin hat die Anfechtung der letztwilligen Verfügung des Erblassers erklärt. Sie stellt dessen Geschäftsfähigkeit bei Abfassung des Testaments und die Echtheit der Urkunde in Frage.

Nachdem das Nachlassgericht ausführlich Beweis erhoben hat, hat es festgestellt, dass der Antragsteller Alleinerbe geworden ist. Von einer Testierunfähigkeit des Erblassers wird nicht ausgegangen. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde, die dem KG vorgelegt wurde.

 

Entscheidung | KG 6 W 48/22

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zunächst bestehen keine Zweifel an der Formwirksamkeit des Testamentes, §§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB, da der Erblasser es eigenhändig errichtet hat. Obwohl die Beschwerdeführerin eine Schriftprobe in Form eines Eintrags in ein Poesiealbum vorlegte, besteht keine Verpflichtung für das Nachlassgericht, ein graphologisches Gutachten einzuholen. Denn die Unterschiede im Schriftbild lassen sich durch den zeitlichen Abstand von über 16 Jahren und die Verschiedenartigkeit der Schriften (Druckbuchstaben und Schönschrift) erklären. Die Tatsache, dass der Erblasser seit 6 Jahren an Parkinson erkrankt war, beeinträchtigte ebenfalls seine feinmotorischen Fähigkeiten. Daher konnte davon ausgegangen werden, dass das Testament vom Erblasser stammt. Auch der Pflegedienst bestätigte, dass der Erblasser trotz seiner Erkrankung weiterhin schreiben konnte. Der Umstand, dass das Testament auf die Rückseite einer Café Speisekarte geschrieben wurde, begründet keine Zweifel daran, dass der Erblasser mit Testierwillen handelte. Dies ist nach § 133 BGB zu beurteilen. Für einen Testierwillen spricht, dass das Dokument mit „Mein Testament“ überschrieben war und alle relevanten Daten enthielt. Der Erblasser war auch nicht gem. § 2271 BGB durch das frühere gemeinschaftliche Testament an einem neuen gehindert, da eine explizite Freistellungsklausel bestand.

Schließlich ist mit dem Nachlassgericht davon auszugehen, dass der Erblasser auch testierfähig war. Dafür ist erforderlich, dass der Testierende in der Lage ist, die Tragweite seiner Anordnungen und ihre Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen einzusehen und danach zu handeln. Dieser Maßstab wurde zu Grunde gelegt. Das Nachlassgericht prüfte im Rahmen eines zweistufigen Beurteilungssystems, ob eine geistige Störung vorlag, und ob diese den Ausschluss der erforderlichen Einsichts- und Handlungsfähigkeit zur Folge hatte. Denn ein Erblasser gilt so lange als testierfähig, bis das Gegenteil zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist. Im Rahmen eines Sachverständigengutachtens wurde festgestellt, dass durch die Parkinson Erkrankung eine Einschränkung der freien Willensbildung bei Testamentserrichtung zwar wahrscheinlich, jedoch nicht sicher festzustellen ist. Dies war das Ergebnis einer umfassenden Gesamtabwägung. Parkinson ist kein einheitliches Krankheitsbild, sondern unterscheidet sich in seinem Verlauf stark und ist vor allem durch motorische Einschränkungen geprägt. Eine Einschränkung der freien Willensbestimmung geht damit nicht automatisch einher. Auch der Neurologe und die Hausärztin des Erblassers gingen nicht von einer Demenz des Patienten aus. Schließlich spricht für die Testierfähigkeit, dass die Verfügung inhaltlich plausibel und nachvollziehbar war, da der Antragsteller die wichtigste Bezugsperson des Erblassers war.

 

Praxishinweis | KG 6 W 48/22

Es ist zu beachten, dass ein Erblasser so lange als testierfähig gilt, bis das Gegenteil zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist. Eine Unfähigkeit muss daher hinreichend dargelegt werden, was im Zweifelsfall durchaus schwierig werden kann. Liegt eine Parkinson - Erkrankung vor, geht damit nicht immer eine Demenz einher. Ob eine solche vorliegt, ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen.