OLG Bremen 5 W 9/15
Erbausschlagung durch gesetzlichen Vertreter eines Vereins gegenüber Nachlassgericht

08.02.2016

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Bremen
12.05.2015
5 W 9/15
NZG 2015, 833

Leitsatz | OLG Bremen 5 W 9/15

Auf die Erklärung der Erbausschlagung durch den gesetzlichen Vertreter eines Vereins gegenüber dem Nachlassgericht als amtsempfangsbedürftige Willenserklärungen finden die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht keine Anwendung.

Sachverhalt | OLG Bremen 5 W 9/15

Mit handschriftlichem Testament vom 15.01.2006 „vermachte“ die Erblasserin, verstorben am […] 2010 dem Beteiligten zu 1, einem eingetragenen Verein, ihr Grundstück sowie das Sparkassenbuch und dem Beteiligten zu 2 das Inventar. Nach entsprechender Information des Nachlassgerichts mit Schreiben vom 01.04.2010 erklärte die seinerzeitige 1. Vorsitzende des Beteiligten zu 1, für diesen am 03.05.2010 gegenüber dem Nachlassgericht die Ausschlagung der Erbschaft. Ausweislich der Satzung des Beteiligten zu 1 wurde der Verein seinerzeit allerdings gerichtlich sowie außergerichtlich nur durch den 1. und 2. Vorsitzenden gemeinsam vertreten. Der 2. Vorsitzende wirkte an der Erbausschlagung nicht mit und hatte auch keine Kenntnis vom zugrunde liegenden Sachverhalt.

Der Beteiligte zu 2 beantragte am 05.07.2010 nach entsprechender Mitteilung durch das Nachlassgericht unter Hinweis auf die Erbausschlagung einen Erbschein, der ihn als Alleinerbe ausweist. Das AG ging von der Wirksamkeit der Erbausschlagung des Beteiligten zu 1 aus, stellte für den ausgeschlagenen Teil am 02.12.2012 die gesetzliche Erbfolge fest und erteilte unter gleichem Datum den Erbschein, der den Beteiligten zu 2 als Alleinerben auswies.

Mit Antrag vom 06.03.2012 beantragte der Beteiligte zu 1 diesen Erbschein wegen Unrichtigkeit einzuziehen und stattdessen einen Erbschein auszustellen, der ihn als Alleinerben ausweist. Als Begründung führt er an, dass die 1. Vorsitzende seinerzeit satzungsgemäß für den Verein nicht allein vertretungsbefugt gewesen sei. Die Erbausschlagung sei daher unwirksam. Der Beteiligte zu 2 erwidert, dass der Beteiligte zu 1 (Verein) sich das Handeln der 1. Vorsitzenden zurechnen lassen müsse.

Mit Beschluss vom 10.02.2014 hat das AG den Antrag der Beteiligten zu 1 auf alleinige Ausstellung des Erbscheins mit alleiniger Erbeinsetzung abgelehnt. Hiergegen hat sich der Beteiligte zu 1 mit der Beschwerde vom 11.03.2014 gewandt.

Mit Beschluss vom 09.01.2015 hat das AG der Beschwerde stattgegeben und „die Erteilung eines Erbscheins bewilligt“, wonach die Erblasserin vom Beteiligten zu 1 allein beerbt worden sei. Hierauf richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2 vom 02.02.2015 mit der Begründung, dass das Gericht durch internen Vermerk am 22.07.2010 vor Erteilung des ersten Erbscheins die gesetzliche Erbfolge bereits festgestellt habe.

Entscheidung | OLG Bremen 5 W 9/15

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 hatte keinen Erfolg.

Nach Meinung des OLG-Bremen geht das AG zutreffend, wenn auch unausgesprochen in Übereinstimmung mit beiden Beteiligten davon aus, dass es sich bei dem „Vermächtnis“ hinsichtlich des Grundstücks und des Sparbuchs in Wahrheit um eine alleinige Erbeinsetzung zugunsten des Beteiligten zu 1 handelt. Bei der Zuwendung des Inventars an den Beteiligten zu 2 handelt es sich angesichts des nur geringen Wertes tatsächlich nur um ein Vermächtnis.

Die wirksame Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 ist durch die Erbausschlagung der 1. Vorsitzenden nicht gegenstandslos geworden, da die Vereinssatzung hier eine Gesamtvertretung beider Vorsitzender vorsah und dies auch gem. §§ 68, 70 BGB in das Vereinsregister eingetragen und damit wirksam war.

Die Grundsätze über Anscheins- und Duldungsvollmacht seien in diesem Fall ebenfalls nicht einschlägig. Sie beruhen auf dem Rechtsinstitut des Vertrauensschutzes und seien daher schon nicht auf amtsempfangsbedürftige Willenserklärungen anwendbar. Weiterhin entstünde bei dem Beteiligten zu 2 schon kein Vertrauensschutz, da er nicht Adressat der Ausschlagungserklärung und im Fall ihrer Wirksamkeit nur mittelbar von ihr betroffen sei.

Praxishinweis | OLG Bremen 5 W 9/15

Die Entscheidung überzeugt nicht vollends, da vor der Bewilligung des Erbscheins zuerst die zu seiner Erteilung erforderlichen Tatsachen für festgestellt hätte erachtet werden müssen, wie es im ursprünglichen Beschluss vom 02.12.2010 – wenn auch sachlich nicht zutreffend – geschehen ist. Denn nur solch ein Beschluss kann angefochten werden. Da der Erbschein bereits mit Beschluss bewilligt worden ist, kann dieser lediglich durch Antrag eingezogen werden.

Bei der Entscheidung über die Kosten war abweichend von § 84 FamFG zu berücksichtigen, dass die nicht widerspruchsfreien Entscheidungen des AG auch darauf beruhten, dass die Vertretungsbefugnis des Beteiligten zu 1 betreffend des Handelns der 1. Vorsitzenden seitens des Nachlassgerichts nicht überprüft worden ist und der Beteiligte zu 1 durch das Handeln der früheren Vorsitzenden nicht die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt aufgebracht hat.