OLG München 33 Wx 36/23 e
Entlassung des Testamentsvollstreckers bei fehlender Mietentrennung

19.10.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
25.05.2023
33 Wx 36/23 e
NJW-Spezial 2023, 455

Leitsatz | OLG München 33 Wx 36/23 e

  1. Die Abwicklung des Nachlasses hat bei Abwicklungsvollstreckung mit tunlicher Beschleunigung zu erfolgen (Anschluss an OLG München BeckRS 1994, 30840582). Stellt es der Erblasser dem Testamentsvollstrecker frei, innerhalb welcher Frist eine zum Nachlass gehörende Immobilie zu veräußern ist, führt diese Anordnung nicht dazu, dass Dauertestamentsvollstreckung angeordnet wäre.
  2. Vermietet der Testamentsvollstrecker die zum Nachlass gehörende Immobilie und trennt die Mieteinnahmen nicht von seinem persönlichen Vermögen, setzt er die Erben dem Risiko aus, dass Eigengläubiger des Testamentsvollstreckers in den ungeteilten Nachlass vollstrecken können und damit auf eine Haftungsmasse Zugriff haben, die für Eigenverbindlichkeiten des Testamentsvollstreckers grundsätzlich nicht zur Verfügung steht. Eine derartige Pflichtverletzung rechtfertigt grundsätzlich die Entlassung des Testamentsvollstreckers.
  3. Richtet der Testamentsvollstrecker, der die zum Nachlass gehörende Immobilie vermietet, für die vom Mieter entrichtete Mietkaution kein separates Konto ein, um diese getrennt von seinem Vermögen zu verwahren, handelt es sich um eine erhebliche Pflichtverletzung, die seine Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers rechtfertigen kann.

 

Sachverhalt | OLG München 33 Wx 36/23 e

Der im Jahr 2018 verstorbene Erblasser setzte durch notarielles Testament seine zweite Ehefrau sowie seine drei Kinder aus erster Ehe zu Miterben ein und bestimmte seine zweite Ehefrau zur Testamentsvollstreckerin, um den Nachlass abzuwickeln. Der Erblasser gab der Testamentsvollstreckerin vor, dass sie seine Nachlassimmobilie verkaufen und den Zeitpunkt des Verkaufs eigenverantwortlich festlegen konnte. Mit Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vom Mai 2019 nahm die Witwe das Amt der Testamentsvollstreckerin an. Sie vermietete die Nachlassimmobilie, trennte dabei jedoch die Mieteinnahmen und die Mietkaution nicht von ihrem Privatvermögen, woraufhin die Kinder des Erblassers die Entlassung der Witwe aus dem Amt der Testamentsvollstreckerin beantragten. Diese stellte sich auf den Standpunkt, dass der Erblasser keine Abwicklung, sondern Dauertestamentsvollstreckung angeordnet habe und sie somit zur Vermietung der Immobilie berechtigt sei. Wann die Nachlassimmobilie veräußert werde, stünde in ihrem Belieben. Die Verbuchung der Mieteinnahmen und der Mietkaution auf ihr privates Konto rechtfertigte die Testamentsvollstreckerin damit, als Privatperson kein Anderkonto errichten zu können.

Das Nachlassgericht hat die Testamentsvollstreckerin mit Beschluss vom 07.12.2022 aus dem Amt entlassen. Dagegen richtet sich ihre Beschwerde. Sie ist der Ansicht, jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt zu haben, da ihr mehrere Fachanwälte für Erbrecht bestätigt hätten, dass der Erblasser Dauertestamentsvollstreckung angeordnet habe.

Entscheidung | OLG München 33 Wx 36/23 e

Die zulässige Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

Nach § 2227 Abs. 1 BGB kann der Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten aus dem Amt entlassen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Entlassungsgrund im Sinne der Vorschrift ist anzunehmen bei einer groben Pflichtverletzung oder der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung seitens des Testamentsvollstreckers. Daneben kann ein wichtiger Grund ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Testamentsvollstreckers auch dann vorliegen, wenn sein persönliches Verhalten begründeten Anlass zur Annahme gibt, dass ein längeres Verbleiben im Amt der Ausübung des letzten Willens des Erblassers hinderlich ist oder sich dadurch eine Schädigung oder erhebliche Gefährdung der Interessen der sonstigen Nachlassbeteiligten ergeben könnte. Auch ein auf Tatsachen beruhendes Misstrauen eines Beteiligten, zu dem der Testamentsvollstrecker Anlass gegeben hat, oder ein erheblicher Interessengegensatz zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben können wichtige Gründe zur Entlassung darstellen.

Eine erhebliche Pflichtverletzung der Testamentsvollstreckerin liegt darin, dass sie es unterlassen hat, die Immobilie zu veräußern und den Nachlass auseinanderzusetzen, obwohl der Erblasser sie mit der Abwicklung des Nachlasses und dem Verkauf der Immobilie betraut hat. Es ist davon auszugehen, dass der Erblasser in seinem notariellen Testament den Regelfall der Testamentsvollstreckung, die Abwicklungsvollstreckung, angeordnet hat. Das folgt aus der Auslegung des Testaments. Dabei kommt es gemäß § 133 BGB auf die Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers an. Der Auslegung steht auch nicht entgegen, dass es sich vorliegend um ein notarielles Testament handelt, da auch notarielle Urkunden grundsätzlich zur Ermittlung des wahren Erblasserwillens der Auslegung zugänglich sind. Gleichwohl spricht in notariellen Testamenten eine gewisse Vermutung dafür, dass objektiver Erklärungsinhalt und Erblasserwillen übereinstimmen.

Für die Anordnung einer Abwicklungsvollstreckung spricht bereits die vom Erblasser gewählte Überschrift „zur Abwicklung meines Nachlasses“, die ein gewichtiges Indiz dafür ist, dass es dem Erblasser um eine Verwertung des Nachlasses nach seinem Tod ging. Hätte der Erblasser eine Dauertestamentsvollstreckung nach § 2209 BGB anordnen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass der Notar diesen Begriff ausdrücklich verwendet. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Testamentsvollstreckerin die Bedingungen und den Zeitpunkt des Verkaufs eigenverantwortlich und ohne Weisungsbefugnis der Miterben selbst bestimmen durfte. Darin sind lediglich vom Erblasser erteilte Verwaltungsanordnungen nach den §§ 2205, 2206 BGB zu sehen, die dem Zweck dienen, die Auseinandersetzung des Nachlasses zu bewirken. Dass die Nachlassimmobile nach über vier Jahren nach dem Erbfall ohne plausiblen Grund noch nicht veräußert wurde, stellt eine erhebliche Pflichtverletzung der Testamentsvollstreckerin dar. Die Pflichtverletzung erfolgte auch schuldhaft, da die Testamentsvollstreckerin spätestens nach dem Hinweis des Nachlassgerichts, dass von einer Abwicklungsvollstreckung auszugehen sei, Zweifel an den Ratschlägen ihrer Anwälte zur Rechtsnatur der angeordneten Testamentsvollstreckung hätte bekommen und dementsprechend hätte reagieren müssen.

Eine weitere erhebliche Pflichtverletzung liegt in dem Unterlassen der Testamentsvollstreckerin, die vereinnahmten Mieten auf ein Nachlass- bzw. Treuhandkonto einzahlen zu lassen. Dabei kann dahinstehen, ob die Testamentsvollstreckerin ein Anderkonto eröffnen kann oder nicht. Jedenfalls wäre es ihr möglich gewesen, ein Nachlasskonto zu eröffnen, dessen Inhaber ausschließlich die Mitglieder der Erbengemeinschaft sind und hinsichtlich dessen die Testamentsvollstreckerin Bevollmächtigte wäre. Die Nutzung eines privaten Girokontos sowie die Vermischung der Mietkaution mit dem Eigenvermögen verstoßen gegen § 551 Abs. 3 S. 2 BGB und somit gegen die Vermögensbetreuungspflicht eines Testamentsvollstreckers. Summe und Grad der Pflichtverletzung rechtfertigen die Entlassung.

Praxishinweis | OLG München 33 Wx 36/23 e

Nicht selten geben Erblasser in ihrem Testament vor, dass eine Nachlassimmobilie verkauft werden soll, benennen hierfür aber keinen Zeitraum. Ist der dazu befugte Miterbe untätig, können die Miterben unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OLG München davon ausgehen, dass ein Nichtverkauf nach vier Jahren übersetzt ist, da sie nach § 2042 BGB jederzeit die Auseinandersetzung des Nachlasses verlangen können. Der dazu vorgegebene zeitliche Spielraum sollte in der Praxis ca. ein Jahr betragen, den sich die Miterben insoweit entgegenhalten lassen müssten (Roth, NJW-Spezial 2023, 455).