BGH II ZR 162/21
Die Haftung des Geschäftsführers einer Kommanditisten-GmbH

10.11.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
14.03.2023
II ZR 162/21
RFamU 2023, 321

Leitsatz | BGH II ZR 162/21

  1. Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstreckt sich im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft.
  2. Die Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG erstreckt sich auch dann auf die Kommanditgesellschaft, wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist.

 

Sachverhalt | BGH II ZR 162/21

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin), einer Publikums-Kommanditgesellschaft. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Beklagte wurde am 25. Oktober 2011 zum weiteren Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin bestellt. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen einer Überweisung der Schuldnerin an die D. AG vom 31. Mai 2012 über 510.000 € auf einen Teilbetrag in Höhe von 200.000 € in Anspruch. An der Überweisung wirkte der Beklagte nicht mit. Nach dem Gesellschaftsvertrag der Schuldnerin war zur Geschäftsführung ausschließlich eine Kommanditistin, die U. GmbH berechtigt. Eine weitere Sicherheit wurde der Schuldnerin im Zusammenhang mit der Auszahlung der Darlehenstranche vom 31.Mai 2012 nicht bestellt. Zum Zeitpunkt der Überweisung waren von den in Höhe von etwa 38 Mio. Die U. GmbH war noch in weiteren Fondsgesellschaften geschäftsführende Kommanditistin.

Entscheidung | BGH II ZR 162/21

Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg. Der BGH bestätigte die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts und bejahte einen Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG des Geschäftsführers der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH gegenüber der Kommanditgesellschaft. Die Grundsätze der Ausweitung des Schutzbereichs der zwischen Komplementär-GmbH der GmbH & Co. KG und deren Geschäftsführer aus bestehendem Organ- und Anstellungsverhältnis im Hinblick auf eine Geschäftsführerhaftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG seien auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn die Kommanditgesellschaft sei in vergleichbarer Weise in den Schutzbereich des Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehende Organ- und Anstellungsverhältnis einbezogen. Dies folgert der 2. Senat im Wesentlichen aus den folgenden Erwägungen: Es bestünde insofern eine Schutzwirkung zugunsten Dritter. Denn die Kommanditisten-GmbH komme bestimmungsgemäß mit den Leistungen des Geschäftsführers in Berührung, weil sich Fehlleistungen seitens der Geschäftsführung zwangsläufig auf die Kommanditgesellschaft auswirkten.

Die führend an der KG beteiligte GmbH habe auch ein Interesse an der ordnungsgemäßen Ausführung der Geschäfte, weil sie für Schäden aus der Geschäftsführung des übernommenen Gesellschaftsvertrags hafte und sich Pflichtverletzungen des Geschäftsführers gemäß § 31 BGB analog zurechnen lassen müsse.

Es bestünde auch ein Bedürfnis für die Ausdehnung des Schutzbereiches aus Treu und Glauben.

Eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers bei der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft gehe in erster Linie zu Lasten der Kommanditgesellschaft. Die Kommanditgesellschaft bzw. die Kommanditisten vertrauen daher auf die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH, unabhängig davon, ob diese die Geschäftsführung als Komplementärin oder als Kommanditistin ausübt. Befugnisse zur Einwirkung, insbesondere ein Weisungsrecht der Kommanditgesellschaft, unmittelbar auf den Geschäftsführer der geschäftsführenden GmbH einzuwirken, bestünden regelmäßig nicht. Verschärft werde dies dadurch, dass die geschäftsführende GmbH in gewissen Grenzen auf (pfändbare) Ersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer verzichten oder ihn trotz Kenntnis eines pflichtwidrigen Verhaltens entlasten könne.

Nur wenn der Kommanditgesellschaft aus dem Organ- und Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers mit der GmbH ein eigener Anspruch gegen den Geschäftsführer zustehe, führe die Entlastung des Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung der GmbH nicht zugleich zum Ausschluss der Kommanditgesellschaft von Ansprüchen gegen den Geschäftsführer. Unerheblich sei, ob auf die geschäftsführende Komplementär-GmbH oder die geschäftsführende Kommanditisten-GmbH abgestellt werde. Die Schutzbedürftigkeit der Kommanditgesellschaft gegenüber der Kommanditisten-GmbH werde auch nicht deswegen entscheidend verringert, weil deren Prokura widerruflich sei oder hinsichtlich der Geschäftsführung ein Widerspruchsrecht bestehe. Denn diese stehe lediglich dem Komplementär zu, dessen Interessen sich nicht mit denen der Kommanditgesellschaft oder der übrigen schutzbedürftigen Kommanditisten decken müssten.

Für den Beklagten war das Interesse der GmbH in den Schutzbereich einbezogen zu werden auch erkennbar und zumutbar. Obwohl in der Literatur und Rechtsprechung weitgehend befürwortet, ließ der BGH bisher unentschieden, ob er Geschäftsführer der Komplementärin einer GmbH & Co. KG gegenüber der Kommanditgesellschaft auch dann § 43 Abs. 2 GmbHG hafte, wenn die Wahrnehmung der Geschäftsführung nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH sei. Nunmehr entschied der 2. Senat des BGH diese Rechtsfrage und folgte der Auffassung der Literatur. Die Haftungserstreckung auf die KG bleibe für den Geschäftsführer der geschäftsführenden GmbH auch erkennbar, wenn die GmbH die Geschäfte in weiteren Gesellschaften führt. Am Pflichtenkreis des Geschäftsführers ändere sich durch die Mehrfachgeschäftsführung grundsätzlich nichts; er sei verpflichtet, sich bei Übernahme der Geschäftsführung einen Überblick über den Umfang der damit verbundenen Aufgaben zu verschaffen. Die Kommanditgesellschaft dürfe sich darauf verlassen, dass die geschäftsführende GmbH bzw. deren Geschäftsführer ihr die geschuldete Sorgfalt und Fürsorge unabhängig von der Anzahl der übernommenen weiteren Geschäftsführungen oder sonstigen gesellschaftsfremden Aufgaben entgegenbringe. Könne die geschäftsführende GmbH dies nicht gewährleisten, führe dies nicht zu einer Reduzierung des Haftungsumfangs. Vielmehr müsse die geschäftsführende GmbH ihre Aufgaben auf das Maß beschränken, das ihr die geschuldete ordnungsgemäße Erfüllung aller übernommenen Pflichten ermögliche.

Die unmittelbare Haftung des Geschäftsführers einer GmbH, der die Geschäftsführung in mehreren Gesellschaften übernommen hat, gegenüber der Kommanditgesellschaft sei nicht mit der Begründung unzumutbar, in der Person des Geschäftsführers könne ein Interessenkonflikt bestehen. Einer im Einzelfall möglicherweise bestehenden Pflichtenkollision im Rahmen des Tätigwerdens für mehrere Gesellschaften kann auf der Rechtfertigungs- oder Verschuldensebene Rechnung getragen werden. Die weitergehende Annahme eines abstrakten Interessenkonflikts bei der Geschäftsführung für mehrere Gesellschaften sei nicht geboten, zumal zwischen den Gesellschaften nicht zwingend wettbewerbliche Berührungspunkte in Betracht kommen.

Eine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die interne Ressortverteilung nicht primäre Aufgabe des Geschäftsführers gewesen sei. Ihn träfe grundsätzlich die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen, die auch durch eine interne Ressortverteilung nicht grundsätzlich entfallen würde.

Hinsichtlich der dem ressortverantwortlichen Geschäftsführer verbleibenden Überwachungspflichten gebe es keinen sachlichen Grund, die Schutzwirkung zu Gunsten der Kommanditgesellschaft einzugrenzen und die Überwachungspflichten abweichend von den Geschäftsführerpflichten im Übrigen zu handhaben. Die KG sei insoweit in vergleichbarer Weise schutzbedürftig wie bezüglich der Geschäftsführungspflicht im Ganzen. Der Ressortverteilung werde bereits durch die Herabstufung der Geschäftsführungspflichten zu Überwachungspflichten in ausreichendem Maße entsprochen.

Indem der Geschäftsführer die Überweisung an die D. AG nicht verhindert habe, habe er seine Überwachungspflichten verletzt, sodass zusammenfassend die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 GmbHG insgesamt als gegeben anzusehen waren.

Praxishinweis | BGH II ZR 162/21

Die Meinungen über dieses weitläufig rezipierte Urteil sind geteilt. Stellenweise wird das Urteil ausdrücklich als Rechtsklarheit schaffend begrüßt (Blücher, GWR 2023, 213, 214). Ebenso kann das Urteil jedoch kritisiert werden, weil es den Schutzbereich des § 43 Abs. 2 GmbHG ausweitet und so die herkömmliche Vermögenszuordnung gerade in komplexen Beteiligungsverhältnissen durchbricht. Kritisiert werden kann in diesem Zusammenhang auch die Wahl des strengen Verschuldensmaßstabs, der eine Exkulpation des Geschäftsführers weitgehend verhindert (ausführlich zu beidem Anm. Ries/Bauerhorst, RFamU, 324, 326). In praktischer Hinsicht ist anzumerken, dass sich die Beteiligten bei Abschluss von Gesellschafts- und Geschäftsführeranstellungsverträgen der umfassenden Haftung bewusst sein sollten.