OLG Schleswig-Holstein 2 Wx 29/22
Erforderlichkeit der Vorlage eines Erbscheins beim Grundbuchamt bei Konkurrenz zwischen einem öffentlichen Testament und einem privatschriftlichen Testament mit Verwirkungsklausel

18.10.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Schleswig-Holstein
30.12.2022
2 Wx 29/22
ZEV 2023, 226

Leitsatz | OLG Schleswig-Holstein 2 Wx 29/22

  1. Liegt neben dem öffentlichen Testament ein eigenhändiges Testament vor, bleibt es bei der Regel des § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO sofern die Erbfolge nicht ausschließlich auf dem öffentlichen Testament, sondern (auch) auf dem privatschriftlichen Testament beruht. Existiert neben dem öffentlichen Testament ein späteres privatschriftliches Testament, ist neben Widerruf (§§ 2254 bis 2256 BGB) und Widerspruch zu dem früheren öffentlichen Testament (§ 2258 BGB) auch jede andere Beschwerung mit Bezug zur Erbeinsetzung (etwa Nacherbfolge, Testamentsvollstreckung) zu beachten.
  2. Bei Konkurrenz zwischen einem öffentlichen Testament und einer später errichteten privatschriftlichen Verfügung von Todes wegen kann das Grundbuchamt daher regelmäßig bereits dann auf der Vorlage eines Erbscheins bestehen, wenn das eigenhändige Testament nicht offenbar ungültig, widerrufen oder für die Erbfolge bedeutungslos ist.
  3. Wird in einem späteren privatschriftlichen Testament eine Verwirkungsklausel eingefügt, ist diese für die Erbfolge von Bedeutung, weil sie geeignet ist, die in der öffentlichen Urkunde getroffene Erbfolgeanordnung zu modifizieren oder zu beseitigen. Eine Verwirkungsklausel führt zum Verlust des Erbrechts für denjenigen oder diejenigen Erben, die gegen die sanktionsbewehrte Verhaltensanordnung verstoßen, sodass die nachträgliche Einfügung einer solchen auflösenden Bedingung für die Erbfolge von Bedeutung ist.

 

Sachverhalt | OLG Schleswig-Holstein 2 Wx 29/22

Der Erblasser hatte in einem notariellen Testament aus dem Jahr 2014 seine drei Söhne zu je einem Drittel als Erben eingesetzt. Später errichtete er im April und September 2017 zwei privatschriftliche Testamente, die Änderungen und Vermächtnisse enthielten. Im Testament vom September 2017 äußerte der Erblasser den Wunsch, dass seine Söhne etwaige Meinungsverschiedenheiten einvernehmlich beilegen sollten. Sollte einer der Erben klagen, hätte er nur Anspruch auf den Pflichtteil.

Die Testamente wurden beim Amtsgericht eröffnet. Im August 2019 beantragten die Antragsteller zunächst die Eintragung der Söhne als Eigentümer in das Grundbuch und legten einen Erbauseinandersetzungsvertrag vor. Das Grundbuchamt verlangte jedoch die Vorlage eines Erbscheins, da das spätere privatschriftliche Testament für die Erbfolge relevant sei.

Daraufhin zogen die Antragsteller ihren Antrag zurück und beantragten stattdessen im April 2020 die Umschreibung des Eigentums auf ihre Söhne als Miteigentümer zu je 1/3. Sie legten eine Vereinbarung vor, mit der die frühere Vereinbarung aufgehoben wurde. Das Grundbuchamt wies darauf hin, dass die Zustimmung aller Erben erforderlich und nachzuweisen sei. Es verwies auf eine frühere Zwischenverfügung.

Im März 2021 zogen die Antragsteller ihren Antrag erneut zurück und beantragten die Eintragung der Söhne als Eigentümer in Erbengemeinschaft. Sie legten eine Urkunde mit der eidesstattlichen Versicherung vor, dass keiner der benannten Erben Klage erhoben habe. Die Erklärungen in der Urkunde wurden vom Testamentsvollstrecker und einer Angestellten der Notarin abgegeben.

Das Grundbuchamt verlangte schließlich im März 2022 die Vorlage eines Erbscheins und berief sich auf eine Verwirkungsklausel in einem späteren privaten Testament. Die Antragsteller legten Beschwerde ein und machten geltend, dass die bereits vorgelegte eidesstattliche Versicherung ausreichend sei. Das Grundbuchamt legte die Beschwerde dem Oberlandesgericht vor.

 

Entscheidung | OLG Schleswig-Holstein 2 Wx 29/22

Die nach §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde gegen die Zwischenverfügung nach § 18 GBO ist unbegründet.

Das Grundbuchamt hat den Antragstellern zu Recht aufgegeben, zum Nachweis der Erbfolge einen Erbschein vorzulegen, bevor sie als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen werden können.

Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge durch Vorlage eines Erbscheins zu führen. Es sei denn, die Erbfolge beruht auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, § 35 Abs. 1 S. 2 GBO.

Im vorliegenden Fall beruht die Erbfolge nicht ausschließlich auf dem notariellen Testament, da ein späteres privatschriftliches Testament vorliegt, das die Erbfolge beeinflusst.

Liegt neben einem öffentlichen Testament ein eigenhändiges Testament vor, bleibt es bei der Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO, solange die Erbfolge nicht ausschließlich auf dem öffentlichen Testament, sondern auch auf dem privatschriftlichen Testament beruht. In diesen Fällen ist insbesondere § 2258 BGB zu beachten, wonach ein früheres Testament insoweit aufgehoben wird, als es einem späteren Testament widerspricht.

Das Grundbuchamt kann daher in den Fällen, in denen ein öffentliches Testament und eine später errichtete privatschriftliche Verfügung von Todes wegen miteinander konkurrieren, in der Regel bereits die Vorlage eines Erbscheins verlangen, sofern das eigenhändige Testament nicht offensichtlich ungültig, widerrufen oder für die Erbfolge ohne Bedeutung ist.

Im vorliegenden Fall ist das privatschriftliche Testament nicht offensichtlich unwirksam oder widerrufen. Es kann sich auf die Erbfolge auswirken, da es die in der öffentlichen Urkunde getroffene Erbeinsetzung ändern oder aufheben kann. Es kann eine Verwirkungsklausel enthalten, die zur Folge hat, dass ein klagender Erbe nur Anspruch auf seinen Pflichtteil hat. Eine solche Klausel führt zum Verlust des Erbrechts für diejenigen Erben, die gegen den Erblasser klagen.

Auf eine Entscheidung des BGH können sich die Antragsteller nicht berufen, da in dem von ihnen angeführten Fall die Verwirkungsklausel in dem notariell beurkundeten Testament enthalten war. Sie können daher ihr Ziel, ohne Vorlage eines Erbscheins eingetragen zu werden, nicht auf diese Entscheidung stützen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn die Verwirkungsklausel bereits in der notariellen Urkunde enthalten gewesen wäre, die vorliegende eidesstattliche Versicherung des Testamentsvollstreckers und der bevollmächtigten Notariatsangestellten nicht ausgereicht hätte. In diesem Fall wäre eine entsprechende eidesstattliche Versicherung aller Beteiligten erforderlich gewesen. Die eidesstattliche Versicherung der Notariatsangestellten kann die Erklärung der Erben, dass keiner von ihnen Klage erhoben hat, nicht ersetzen, da es sich hierbei nicht um eine Willenserklärung, sondern um eine Erklärung über eine festzustellende Tatsache handelt.

Praxishinweis | OLG Schleswig-Holstein 2 Wx 29/22

Bei Konkurrenz eines öffentlichen Testaments mit einer später errichteten privatschriftlichen Verfügung von Todes wegen kann das Grundbuchamt grundsätzlich die Vorlage eines Erbscheins verlangen, sofern das privatschriftliche Testament nicht offensichtlich unwirksam, widerrufen oder für die Erbfolge ohne Bedeutung ist. Dies ergibt sich aus § 35 Abs. 1 GBO in Verbindung mit § 2258 BGB.

Das Grundbuchamt hat zu prüfen, ob das privatschriftliche Testament die in der öffentlichen Urkunde getroffene Erbeinsetzung abändert oder aufhebt und ob es eine Verwirkungsklausel enthält, die den Verlust des Erbrechts der anfechtenden Erben und einen Anspruch nur auf den Pflichtteil vorsieht. Ist dies der Fall, kann das Grundbuchamt zum Nachweis der Erbfolge die Vorlage eines Erbscheins verlangen.

Zu beachten ist, dass die eidesstattliche Versicherung eines Testamentsvollstreckers oder eines Notariatsangestellten nicht ausreicht, um die Nachweiskette zu schließen. In Fällen, in denen die Verwirkungsklausel bereits in der notariellen Urkunde enthalten ist, wäre eine entsprechende eidesstattliche Versicherung aller Beteiligten erforderlich.