BGH II ZB 6/22
Bestellung des Vorstands einer AG zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH

27.03.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
17.01.2023
II ZB 6/22
bundesgerichtshof

Leitsatz | BGH II ZB 6/22

  1. Die Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft ist bei der Beschlussfassung über seine Bestellung als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft nach § 181 Fall 1 BGB beschränkt.
  2. § 112 Satz 1 AktG ist auf die Bestellung des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft zum Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft nicht anwendbar.

 

Sachverhalt | BGH II ZB 6/22

Die Antragstellerin ist eine GmbH in der Gründung. Deren alleinige Gesellschafterin ist die J AG, mit den Vorstandsmitgliedern A, B und C. Die AG wird entweder von einem Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem anderen Vorstandsmitglied oder mit einem Prokuristen vertreten. Am 04.12.2019 wurde O von A und B als „gesamtvertretungsbefugter Geschäftsführer der J AG“ zur Gründung einer GmbH bevollmächtigt. Einen Tag später errichtete er die Antragstellerin und bestimmte in einer Gesellschafterversammlung die drei Vorstandsmitglieder der J AG zu Geschäftsführern. Im April 2020 wurden die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Das Registergericht stellte daraufhin ein Eintragungshindernis fest. Bezüglich der Geschäftsführerbestellung von A und B, müsse eine Genehmigung durch den Aufsichtsrat der J AG samt Befreiung der Vorstände von den Beschränkungen des § 181 Fall 1 BGB für den konkreten Einzelfall vorgelegt werden. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hin, wurde die Zwischenverfügung insoweit aufgehoben, als eine Befreiung von § 181 Fall 1 BGB verlangt worden war.

Entscheidung | BGH II ZB 6/22

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Zwar ist der Beschluss zur Bestellung der Geschäftsführer schwebend unwirksam, allerdings ist zur Genehmigung der Bestellung nicht der Aufsichtsrat berufen.

Das Gericht hat die Eintragung gem. § 9c Abs. 1 Satz 1 GmbHG abzulehnen, wenn die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß errichtet wurde, wozu auch die vorschriftsgemäße Bestellung des Geschäftsführers gehört. Laut BGH fällt die Selbstbestellung von Vorständen einer Aktiengesellschaft zu Geschäftsführern einer Tochter-GmbH in den Anwendungsbereich des § 181 Fall 1 BGB. Nach dieser Norm kann ein Vertreter grundsätzlich kein Geschäft mit sich selbst im Namen des Vertretenen abschließen. Da der Inhalt der Bestellungserklärung sich in der Mitteilung des Beschlussinhalts erschöpft, sind die Beschlussfassung über die Bestellung und die Bestellung selbst ein einheitliches Rechtsgeschäft, auf das § 181 BGB angewendet wird. Die Einordnung als einheitliches Rechtsgeschäft entspricht auch dem Sinn und Zweck der Norm, wonach verschiedene, sich widersprechende Interessen nicht durch ein und dieselbe Person vertreten werden sollen. Dadurch sollen Interessenskonflikte und eine Schädigung des Vertretenen vermieden werden. Eine solche Gefahr besteht jedoch bereits bei der auf die eigene Bestellung gerichteten Stimmabgabe, da diese den Abstimmenden materiell begünstigen soll. Zwar ist § 181 BGB bei Beschlüssen über gemeinsame Gesellschaftsangelegenheiten nicht einschlägig, wenn der Gesellschafter das Stimmrecht für sich und einen anderen Gesellschafter ausübt. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, da das Interesse an der Stärkung der eigenen Rechtsposition nicht durch ein gleichstarkes Interesse am Gedeihen der Gesellschaft aufgewogen wird. Schließlich ist keine teleologische Reduktion des § 181 BGB angezeigt. Zum einen erlangt die J AG keine Rechte aus der Bestellung ihrer Vorstandsmitglieder als Geschäftsführer der Tochter GmbH. Zum anderen ist im Hinblick auf ihre gefährdeten Interessen das Geschäft nicht rechtlich neutral oder rein vorteilhaft.

Zwar wurde die J AG nicht von A und B, sondern von dem von diesen bevollmächtigten O vertreten. Allerdings ist es irrelevant, ob der beschränkte Vertreter die Stimme selbst abgibt oder durch die Nutzung eines Untervertreters. Auch ist § 181 BGB nicht unanwendbar, weil sich A und B nach § 78 Abs. 4 Satz 1 AktG wechselseitig ermächtigt hätten, den jeweils anderen zum Geschäftsführer der Tochtergesellschaft zu bestellen. Denn weder ergeben sich aus der Nennung des „gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer“ in der Vollmacht ausdrücklich wechselseitige Ermächtigungen und einzeln an O dazu erteilte Vollmachten, noch wurden äußere Umstände dahingehend festgestellt.

Rechtsfehlerhaft ist die Annahme, dass der Aufsichtsrat eine Genehmigung von Os Stimmabgabe erteilen muss. Sollte ein Vorstandsmitglied der AG über seine Bestellung als Geschäftsführer zur Tochter GmbH entgegen § 181 BGB abstimmen, ist der Beschluss schwebend unwirksam und hängt von der Genehmigung der AG ab. Allerdings kann diese grundsätzlich durch jedes vertretungsberechtigte und nicht durch § 181 BGB beschränkte Vorstandsmitglied erfolgen. Somit kann auch das Vorstandsmitglied C gemeinsam mit einem Prokuristen oder einem nicht durch § 181 BGB beschränktem Vorstandsmitglied die erforderliche Genehmigung erteilen. C selbst ist nicht nach § 181 BGB beschränkt, da er weder an Os Bevollmächtigung noch an seiner eigenen Bestellung beteiligt war. Ein Insichgeschäft ergibt sich auch nicht daraus, dass die Wirksamkeit von Cs Bestellung von der Genehmigung von A und B abhängen würde. Schließlich scheitert die Bestellung auch nicht an § 139 BGB. Zwar liegt grundsätzlich in der Bestellung mehrerer Geschäftsführer ein einheitliches Rechtsgeschäft, wodurch sich die schwebende Unwirksamkeit auf alle Teile auswirken würde. Dies gilt jedoch nicht, wenn der wirksame Teil auch ohne den nichtigen gefasst worden wäre. Um die Antragstellerin handlungsfähig zu machen, ist davon auszugehen, dass auch die Bestellung eines einzelnen Geschäftsführers gewollt war. Zudem lassen die Satzung und Vollmacht gerade auch einen einzelnen Geschäftsführer zu. Allerdings wurde im konkreten Fall nicht festgestellt, ob D mit einem anderen die Genehmigung erteilen kann. Damit bleibt offen, ob sie hier doch nur durch den Aufsichtsrat erfolgen kann.

Anders als teilweise vertreten, folgt vorliegend eine Genehmigungskompetenz des Aufsichtsrates nicht aus § 112 S. 1 AktG, da der Anwendungsbereich bereits nicht eröffnet ist. § 112 S. 1 AktG soll Interessenkollisionen vorbeugen und eine unbefangene Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern sicherstellen. Allerdings tritt bei der Bestellung eines Geschäftsführers die Aktiengesellschaft dem Vorstandsmitglied nicht auf Ebene der Obergesellschaft entgegen, sondern die Erklärung wirkt als von der Gesellschaftsversammlung abgegeben unmittelbar für die Vor-GmbH. Der hier gegebene Interessenkonflikt wird jedoch durch das allgemeine Verbot des § 181 Fall 1 BGB erfasst.

Die Frage, ob das Vorstandsmitglied entsprechend § 47 Abs. 4 S. 2 Fall 1 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, muss vorliegend nicht entschieden werden. In jedem Fall schließt die Anwendung des § 47 Abs. 4 S. 2 Fall 1 GmbHG die Anwendung von § 181 BGB nicht aus, weil unterschiedliche Interessenskonflikte geregelt werden. Der angefochtene Beschluss wird somit aufgehoben, soweit das Beschwerdegericht die Beschwerde zurückgewiesen hat. Die Sache wird mangels Entscheidungsreife an das Registergericht zurückverwiesen.

Praxishinweis | BGH II ZB 6/22

Der BGH stellt in dem vorliegenden Urteil klar, dass die Selbstbestellung von Vorständen einer Aktiengesellschaft zu Geschäftsführern einer Tochter-GmbH in den Anwendungsbereich des § 181 Fall 1 BGB fällt. Daher ist es unter Umständen sinnvoll, die Vorstände bereits frühzeitig von den Beschränkungen des § 181 BGB zu befreien. Sollte dies nicht geschehen, bedarf der Beschluss einer Genehmigung der Aktiengesellschaft. Diese muss jedoch nicht von dem Aufsichtsrat erteilt werden, sondern kann durch jedes vertretungsberechtigte und nicht durch § 181 BGB beschränkte Vorstandsmitglied erfolgen. Schließlich verneint der BGH vorliegend die Eröffnung des Anwendungsbereichs von § 112 S. 1 AktG, da die Aktiengesellschaft dem Vorstandsmitglied nicht auf Ebene der Obergesellschaft entgegentritt, sondern unmittelbar für die Vor-GmbH.