BGH II ZR 103/20
Bekanntmachungspflichten im Vorfeld einer Hauptversammlung

04.11.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
19.07.2022
II ZR 103/20
ZIP 2022, 1644

Leitsatz | BGH II ZR 103/20

Der Bericht des Vorstands über die beabsichtigte Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre gem. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG muss nicht entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 AktG a.F. mit seinem wesentlichen Inhalt bekannt gemacht werden.

Sachverhalt | BGH II ZR 103/20

Die Beklagte ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, die Klägerin sind die Aktionäre der Beklagten. Am 28.04.2016 veröffentlicht der Vorstand der Beklagten im elektronischen Bundesanzeiger die Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung vom 09.06.2016. Auf der Tagesordnung steht der Beschluss zur Ermächtigung des Vorstandes zur Ausgabe von Options- und Wandelanleihen, Genussrechten, Gewinnschuldverschreibungen. Das Bezugsrecht der Aktionäre sollte der Vorstand unter Bestimmten Bedingungen mit Zustimmung des Aufsichtsrates ausschließen können. Die Beklagte machte nicht den vollständigen oder wesentlichen Inhalt des Berichts des Vorstands zum Ausschluss des Bezugsrechts bekannt. Während der Einberufung wurde darauf hingewiesen, dass Dokumente in den Geschäftsräumen ausliegen zur Einsicht und jeder Aktionär eine Abschrift derer erhalten könne. Der Vorstandsbericht war jedoch nicht aufgeführt. Die Hauptversammlung fasste den o.g. Beschluss, den die Kläger für nichtig erklären lassen wollen. Das LG wies die Klage ab, das Berufungsgericht wies die Berufung zurück und hiergegen richtete sich die Revision der Klägerin.

Entscheidung | BGH II ZR 103/20

Die Revision hatte keinen Erfolg. Der Bericht des Vorstands über die beabsichtigte Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre § 186 IV 2 AktG müsse nicht entsprechend § 142 II 3 Fall 2 AktG a.F. mit seinem wesentlichen Inhalt bekannt gemacht werden. Eine fristgerechte Bekanntmachung der Tagesordnung inkl. der Beschlussvorschläge als Information für die Aktionäre genügt, damit sich diese vorbereiten können. Für den beabsichtigten Ausschluss des Bezugsrechts sind die Anforderungen in § 186 IV 1 AktG festgelegt. Der Ausschluss muss ausdrücklich und ordnungsgemäß bekannt gemacht werden (Hinweis und Warnfunktion). Dem sei genüge getan mit einer deutlichen und eindeutigen Ankündigung, so der BGH. Eine darüberhinausgehende Bekanntmachungspflicht besteht nicht. Eine Pflicht zur Bekanntmachung des Vorstandsberichts widerspreche zudem auch dem Telos von § 124 II 3 Fall 2 AktG a.F. Der Beschlussgegenstand ist der Bezugsrechtsausschluss, dem Informationsinteresse der Aktionäre ist genüge getan, indem der Bezugsrechtsausschluss nach § 186 IV 1 AktG ausdrücklich und ordnungsgemäß bekanntgemacht werde. Weiterhin sei der Beschluss nicht nach § 243 I AktG anfechtbar, weil die Beklagte den Vorstandsbericht in der Einberufung zur Hauptversammlung nicht in der Liste der zur Einsicht ausliegenden Unterlagen aufgeführt habe. Die Einberufung zur Hauptversammlung von nicht börsennotierten Aktiengesellschaften beinhaltet nur Informationen und Angaben zum organisatorischen Rahmen und der allgemeinen Tagesordnung.

Praxishinweis | BGH II ZR 103/20

Der Streit über das Bestehen einer Bekanntmachungspflicht wurde hiermit entschieden. Bereits bei Erlass des ARUG und auch bei Einführung des ARUG II 2019 war der Streit bekannt und dennoch wurde der Pflichtenkatalog nicht um die Bekanntmachungspflicht erweitert, was ebenso gegen eine Bekanntmachungspflicht spricht.