BGH V ZB 4/21
Bei Miteigentumserwerb eines Minderjährigen und dessen Eintritt auf der Vermieterseite ist kein lediglich rechtlicher Vorteil gegeben

07.11.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
28.04.2022
V ZB 4/21
ZIP 2022, 2135

Leitsatz | BGH V ZB 4/21

  1. Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem vermieteten Grundstück durch einen Minderjährigen führt gem. § 566 BGB zu dessen Eintritt in den Mietvertrag auf Vermieterseite und ist deshalb für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB (Fortführung von BGH, Beschl. v. 03.02.2005 – V ZB 44/04, BGHZ 162, 137).
  2. Dies gilt auch, wenn der Veräußerer den Miteigentumsanteil zuvor von dem Alleineigentümer des Grundstücks erworben hat, denn bei der Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem vermieteten Grundstück durch den bisherigen Alleineigentümer tritt der Erwerber gem. § 566 BGB ebenfalls neben diesem in den Vertrag auf Vermieterseite ein.

Sachverhalt | BGH V ZB 4/21

Eine GbR ist Eigentümerin eines Grundstücks, welches mit einem vermieteten Mehrfamilienhaus bebaut ist, im Grundbuch ist ein Nießbrauch eingetragen. Nachdem ein Großteil der Miteigentumsanteile (ca. 94/100) an dem Grundstück von der GbR auf den Vater (V) übertragen worden sind möchte V hiervon die Hälfte (ca. 47/100) an seine minderjährigen Kinder K1 und K2 übertragen. V handelt dabei im eigenen Namen, als Bevollmächtigter seiner Ehefrau M und im Namen der gemeinsamen Kinder K1 und K2. Fraglich ist nun, ob die beiden Eltern vertretungsberechtigt waren. Grds. sind Eltern nach § 1629 I 1 BGB vertretungsberechtigt. Der Erwerb eines vermieteten Grundstücks ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft iSv § 107 BGB (persönliche Haftung des Erwerbers aus dem Verhältnis § 566 I BGB). Den Vermieter trifft die Pflicht zur Überlassung des vermieteten Grundstücks aus dem Mietverhältnis.

§ 535 I BGB, die Schadensersatz-, Aufwendungsersatzpflicht § 536a BGB, sowie die Pflicht zur Rückgewähr einer von dem Mieter geleisteten Sicherheit § 566a BGB und vor allem haftet er auch mit seinem persönlichen Vermögen.

Entscheidung | BGH V ZB 4/21

V und M waren beide nicht vertretungsbefugt, § 1629 II 1, § 1795 I Nr. 1 und II, § 181 BGB, so der BGH. V war nicht vertretungsbefugt, weil er die Auflassung sowohl im eigenen Namen, als auch im Namen der Kinder erklärte §§ 1795 II iVm 181 BGB und damit ein sog. in sich Geschäft vorliegt. M war nicht vertretungsbefugt, weil die Auflassung ein Rechtsgeschäft zwischen ihrem Ehemann und ihren vertretenen minderjährigen Kindern ist §§ 1629 II 1, 1795 I Nr. 1 BGB.

Jedoch könnte § 1795 BGB nicht anwendbar sein, dies ist der Fall, wenn das Rechtsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Ein Rechtsgeschäft ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft iSv § 107 BGB, wenn der Minderjährige in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er dinglich nicht nur mit der erworbenen Sache haftet, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet. Der Erwerb eines vermieteten Grundstücks ist somit nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Auch bei Erwerb von nur einem Miteigentumsanteil an dem Grundstück tritt der Erwerber in den Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten ein.
Weiterhin führt auch die Belastung des Grundstücks mit einem Nießbrauch § 1030 I BGB nicht dazu, dass der Eigentumserwerb für K1 und K2 lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Ist die GbR Vermieterin, ist § 566 BGB unmittelbar und direkt anwendbar. Ist der Nießbraucher Vermieter, dann treten K1 und K2 mit Beendigung des Nießbrauchs in das Mietverhältnis ein §§ 1056 I, 566 BGB. Hier stellt sich die Frage, ob diese theoretische und in der Zukunft stattfindende Möglichkeit die rechtliche Vorteilhaftigkeit unterstützt. Allerdings ist das Grundstück schon zum Zeitpunkt der Auflassung seit Längerem vermietet, es besteht demnach die hinreichend konkrete Möglichkeit, dass K1 und K2 bei einer Beendigung des Nießbrauchs mit Rechten und Pflichten aus dem Mietverhältnis belastet werden.

Praxishinweis | BGH V ZB 4/21

Die Normenkette §§ 1629 II 1 iVm 1795 BGB wird ab dem 01.01.2023 anders lauten, sie wird zu §§ 1629 II 1 nF iVm 1824 nF.

§ 1629 II BGB nF verweist dann nicht mehr auf das Vormundschaftsrecht, sondern auf das Betreuungsrecht.

§ 1824 I Nr. 1 BGB nF spricht anders als § 1795 nicht mehr von Lebenspartnern, in der Sache ändert sich jedoch nichts, weil nach § 21 LPartG die Regelungen zu Ehepartnern entsprechend gelten.
Hinsichtlich des Nießbrauchs als beeinflussender Faktor für die lediglich rechtliche Vorteilhaftigkeit kommt nur dann eine andere Beurteilung in Betracht, wenn das Mietverhältnis mit Aufgabe des Nießbrauchs beendet werden würde, hier wäre dann § 572 II BGB zu beachten.