OLG München 7 U 3319/20
Anspruch auf Ergänzung der vorbehaltlos angenommenen Abfindung nach einer Verschmelzung

08.06.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
12.05.2021
7 U 3319/20
AG 2021, 766

Leitsatz | OLG München 7 U 3319/20

  1. Durch § 13 Satz 2 SpruchG wird klargestellt, dass die vorbehaltlose Annahme einer Abfindung einen Ergänzungsanspruch nicht ausschließt.
  2. In entsprechender Anwendung des § 13 Satz 2 SpruchG kommt ein Barabfindungsergänzungsanspruch in Betracht, wenn der Ausgleichsverpflichtete tatsächlich über die gesetzlich gebotene Abfindung hinaus eine echte zusätzliche Abfindung (an Erfüllungs Statt) anbietet und sich diese zusätzliche Abfindung später als zu niedrig erweist.

Sachverhalt | OLG München 7 U 3319/20

Der Sachverhalt dreht sich um einen streitigen Barabfindungsergänzungsanspruch nach Verschmelzung und Durchführung eines Spruchverfahrens. Die streitigen Parteien sind der Kläger, welcher ursprünglich 496.782 Aktien an der damals börsenorientierten K AG hielt, und die Beklagte, die SD Holding AG. Die K AG schloss mit der Beklagten am 03.05.2017 einen notariell beurkundeten Verschmelzungsvertrag. Demnach übertrug die K AG ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung auf die Beklagte im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme. Die Beklagte hielt zur Zeit des Vertragsabschlusses 36,3 % der Anteile an der K AG. Die K AG stimmte der Verschmelzung in ihrer Hauptversammlung am 19.06.2017 zu, was am 17.08.2017 ins Handelsregister eingetragen wurde. Gegen den Beschluss hat der Kläger Widerspruch zur Niederschrift erklärt.

Der Vorstand der Muttergesellschaft der Beklagten beschloss bereits am 02.05.2017 eine entsprechende Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital. Das Umtauschverhältnis der geplanten Sachkapitalerhöhung wurde am 30.05.2017 bekanntgegeben und der Beklagten eine Zeichnungsfrist für die Teilnahme vom 23.08.2017 bis zum 19.09.2017 gegeben. Der Beklagten wurden für 39 Aktien zehn Aktien der Muttergesellschaft und eine Zuzahlung von 0,15 Cent je gewährter Aktie angeboten. Ein erforderlicher Spitzenausgleich sollte in bar auf Basis eines Wertes von 3,11 Euro je neuer Aktie der Beklagten erfolgen.

Das LG München beschloss im Rahmen eines Spruchverfahrens rechtskräftig, dass die Barabfindung von je 3,11 Euro je Aktie auf 3,38 Euro erhöht werde. Der Kläger forderte mit Schreiben vom 30.09.2029 die Zahlung eines Barabfindungsergänzungsanspruchs in Höhe von insgesamt 134.131,14 Euro (0,27 Euro je vormalig gehaltener Aktie), was von der Beklagten abgelehnt wurde.

Entscheidung | OLG München 7 U 3319/20

Die Klage blieb erfolglos.

Das Gericht stimmt dem Kläger dahingehend zu, dass in entsprechender Anwendung des § 13 S. 2 SpruchG, ein Barabfindungsergänzungsanspruch in Fällen in Betracht komme, in denen der Ausgleichsverpflichtete tatsächlich über die gesetzlich gebotene Abfindung hinaus eine echte zusätzliche Abfindung in anderer Form anbietet und sich diese Abfindung als zu niedrig bemessen erweise. Allerdings habe die Beklagte dem Kläger eine solche „sonstige Abfindung“ nicht angeboten. Die Verschmelzung und die Sachkapitalerhöhung seien getrennt voneinander zu beurteilende Vorgänge. Der Verschmelzungsvertrag regele ausschließlich nur das Barabfindungsangebot. Auch wurde den Aktionären als Gegenleistung für die Verschmelzung Aktien der Beklagten im Umtauschverhältnis 1:1 angeboten. Die Nennung des Beschlusses der Sachkapitalerhöhung der Muttergesellschaft sei als bloße Beschreibung der Handlung der Mutter zu werten und nicht als Angebot zur Gegenleistung auszulegen. Es handele sich um eine Hintereinanderschaltung mehrerer gesellschaftlicher Restrukturierungs- bzw. Kapitalmaßnahmen, die ihre rechtliche Selbstständigkeit nicht einbüßen. Dies sei auch eine zulässige Gestaltung, die nicht rechtsmissbräuchlich sei.

Das LG sah den Aktienumtausch rechtskräftig als angemessen an, was einen Anspruch auf bare Zuzahlung ausschließt. Bei dem Aktientausch handele es sich um eine volle Kompensation, woneben zudem der Schutz des § 31 UmwG bestehe. Danach hätte der Kläger noch zwei Monate nach rechtskräftiger Beendigung des Spruchverfahrens und Bekanntgabe dessen auf die Barabfindung hätte wechseln können. Ein Mix aus beidem sehe das Umwandlungsgesetz nicht vor.

Praxishinweis | OLG München 7 U 3319/20

Nach einer Verschmelzung muss dem Aktionär, der Aktien an der übertragenden Gesellschaft innehat, eine angemessene Kompensation angeboten werden. Diese wird im Verschmelzungsvertrag vereinbart. Der Aktionär hat sich dann zwischen den Angeboten zu entscheiden, wobei ein Barabfindungsergänzungsanspruch nur dann besteht, wenn die angebotene Abfindung als nicht angemessen hoch angesehen werden kann.