BGH V ZR 91/21
Anspruch auf Bewilligung der Löschung von Widersprüchen im Grundbuch

04.09.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
09.12.2022
V ZR 91/21
DNotZ 2023, 271

Leitsatz | BGH V ZR 91/21

  • 1a. Bei der Abtretung einer durch Vormerkung gesicherten Forderung gilt der Inhalt des Grundbuchs analog § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB zugunsten des Zessionars im Hinblick auf den Grundbuchstand unter Einschluss des Rangs der Vormerkung sowie das Vorliegen ihrer sachenrechtlichen Entstehungsvoraussetzungen unter Einschluss der wirksamen Bewilligung als richtig; der Schutz des öffentlichen Glaubens erstreckt sich hingegen nicht auf den Bestand der gesicherten Forderung (Fortführung BGH, Beschluss vom 21. Juni 1957 - V ZB 6/57, BGHZ 25, 16, 23 f.).
  • 1b. Bei einem abgeleiteten Erwerb der Vormerkung ist der Zeitpunkt der Abtretung der gesicherten Forderung entscheidend für die Gutgläubigkeit des Zessionars.
  • 1c. Tritt der Zedent seinen durch Vormerkung gesicherten, gegen den Erstverkäufer gerichteten Auflassungsanspruch an einen in Ansehung eines nicht eingetragenen vorrangigen Rechts gutgläubigen Zessionar ab und übereignet der Erstverkäufer das Grundstück sodann mit Zustimmung des Zessionars an den Zedenten als Zwischenerwerber, so kommen die Wirkungen der Vormerkung dem Zedenten zugute; dies gilt auch dann, wenn der Zedent seinerseits bei Erwerb der Vormerkung nicht gutgläubig im Sinne von § 892 BGB war (Fortführung BGH, Urteil vom 17. Juni 1994 - V ZR 204/92, NJW 1994, 2947 f.).
  • 2. Ziel des Anspruchs auf Grundbuchberichtigung kann auch ein Amtswiderspruch sein. (Rn.8)

 

Sachverhalt | BGH V ZR 91/21

Der Beklagte kaufte 1991 von der Erstverkäuferin mehrere Grundstücke. Zu seinen Gunsten wurde im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Im Jahr 2014 verkaufte die Erstverkäuferin die Grundstücke erneut, diesmal an die Streithelferin. Der Anspruch auf Eigentumsübertragung wurde durch eine weitere Vormerkung gesichert. Die zugunsten des Beklagten eingetragene vorrangige Vormerkung wurde am 2. Mai 2017 im Grundbuch gelöscht. Am 15. Mai 2017 verkaufte die Streithelferin die Grundstücke an die Klägerin und trat ihr die durch die Vormerkung gesicherte Forderung aus dem Kaufvertrag mit der Erstverkäuferin ab. Gegen die Löschung der zugunsten des Beklagten eingetragenen Vormerkung wurde im Juni 2017 sowohl ein Amtswiderspruch nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO als auch ein Widerspruch nach § 899 BGB in das Grundbuch eingetragen. Die Streithelferin wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Am 12. März 2018 erfolgte die Auflassung zwischen der Streithelferin und der Klägerin, die daraufhin als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde.

Das Landgericht hat die Klage auf Löschung der Widersprüche abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts steht der Klägerin kein Anspruch auf Einwilligung in die Löschung der zugunsten des Beklagten eingetragenen Widersprüche nach § 894 BGB zu. Zwar könne sich ein solcher Anspruch grundsätzlich aus ihrer Stellung als eingetragene Eigentümerin ergeben, doch scheitere er vorliegend daran, dass die Klägerin das Eigentum nicht gutgläubig lastenfrei erworben habe. Ihre Eintragung im Grundbuch erfolgte nicht aufgrund des ihr abgetretenen, vormerkungsgesicherten Auflassungsanspruchs gegen die Erstveräußerin, sondern aufgrund des mit der Streithelferin geschlossenen Kaufvertrags. Wegen der zwischenzeitlich eingetragenen Widersprüche sei sie in dem nach § 892 Abs. 2 BGB maßgeblichen Zeitpunkt hinsichtlich der Löschung der Auflassungsvormerkung des Beklagten nicht mehr gutgläubig gewesen.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

 

Entscheidung | BGH V ZR 91/21

Die Revision hatte vor dem BGH Erfolg, weil das Berufungsgericht die Voraussetzungen des Grundbuchberichtigungsanspruchs der Klägerin zu Unrecht verneint hatte.

Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass nach Löschung einer bestehenden Vormerkung im Grundbuch ein gutgläubiger Erwerb ohne Vormerkung in Betracht kommt. Es ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass ein lastenfreier Eigentumserwerb der Klägerin aufgrund des zwischen ihr und der Streithelferin geschlossenen Kaufvertrags nicht möglich war, weil zum Zeitpunkt der Stellung des Eintragungsantrags bereits Widersprüche gegen die Löschung der Vormerkung eingetragen waren. Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, dass die Streithelferin aufgrund einer Ermächtigung der gutgläubigen Klägerin als Inhaberin des vormerkungsgesicherten Rechts das Eigentum lastenfrei erwerben und sodann auf die Klägerin übertragen konnte. In diesem Fall wäre der Erwerb der Klägerin ein Erwerb von der Berechtigten gewesen und es käme nicht darauf an, ob diese im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs noch gutgläubig war.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Klägerin eine Vormerkung erworben hat, die ihr einen lastenfreien Eigentumserwerb ermöglichte, und dass diese Vormerkung auch im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs der Streithelferin wirksam war. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin eine Vormerkung erworben hat, die ihr einen lastenfreien Eigentumserwerb ermöglichte, und dass diese Vormerkung auch beim Eigentumserwerb der Zwischenerwerberin wirksam war.

Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass die Klägerin die ursprünglich zugunsten der Streithelferin bestellte Vormerkung am 15. Mai 2017 durch Abtretung der durch die Vormerkung gesicherten Forderung erworben hat. Allerdings ist zu beachten, dass die rechtsgeschäftliche Übertragung einer Vormerkung als solche weder isoliert noch zusammen mit dem gesicherten Anspruch rechtlich möglich ist. Nach § 398 Satz 1 BGB kann eine Forderung durch Vertrag mit einem anderen übertragen werden. Ist die Forderung durch eine Vormerkung gesichert, geht die Vormerkung mit der Abtretung des gesicherten Anspruchs wegen der strengen Akzessorietät zum gesicherten Anspruch gemäß § 401 BGB kraft Gesetzes außerhalb des Grundbuchs über. Eine Eintragung des Übergangs im Grundbuch ist nicht erforderlich und erfolgt nur deklaratorisch im Wege der Berichtigung.

Der gesetzliche Übergang der Vormerkung auf die Klägerin als Zessionarin könnte ihr einen lastenfreien Eigentumserwerb ermöglicht haben, der gegenüber der Vormerkung des Beklagten wirksam ist. Selbst wenn die Streithelferin beim Erwerb der Vormerkung im Jahr 2014 bösgläubig gewesen sein sollte, weil die Vormerkung des Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelöscht war und daher ihre Rechte beeinträchtigte, könnte die Klägerin dennoch gutgläubig erworben haben, als ihr die Vormerkung im Jahr 2017 abgetreten wurde. Nach § 892 Abs. 1 BGB schützt der gute Glaube an die Richtigkeit des Grundbuchs den Erwerber einer Vormerkung, wenn er einen Anspruch auf Eintragung in das Grundbuch erwirbt und keine Umstände kennt, die gegen die Richtigkeit des Grundbuchs sprechen.

Ein gutgläubiger Ersterwerb der Vormerkung „unbelastet“ von der vorrangigen Vormerkung des Beklagten durch die Streithelferin selbst war nicht möglich. Allerdings könnte die Klägerin am 15. Mai 2017 im Wege eines gutgläubigen Zweiterwerbs eine Vormerkung erworben haben, die ihr einen lastenfreien Eigentumserwerb an der Vormerkung des Beklagten ermöglichte.

Grundsätzlich ist ein gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkung möglich. Es ist allgemein anerkannt, dass eine Vormerkung bei ihrer Entstehung durch Bewilligung nach § 885 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB gutgläubig (erst-)erworben werden kann, solange die gesicherte Forderung tatsächlich besteht. Besteht die Forderung nicht, kann auch die Vormerkung nicht gutgläubig erworben werden.

In der Rechtsprechung des Senats ist der gutgläubige Zweiterwerb der Vormerkung in gewissem Umfang anerkannt. Ist eine Vormerkung zugunsten eines Bösgläubigen bestellt worden und ist der gutgläubige Zweiterwerber Rechtsnachfolger des Bösgläubigen, so kann die Vormerkung in der Person des gutgläubigen Zweiterwerbers wirksam werden. Kann der Zweiterwerber trotz Bösgläubigkeit des Ersterwerbers eine nicht bestehende Vormerkung gutgläubig erwerben, so kann er erst recht eine bestehende Vormerkung lastenfrei oder gutgläubig „vormerkungsfrei“ vom bösgläubigen Ersterwerber erwerben.

Von der Rechtsprechung des Senats zum gutgläubigen Zweiterwerb der Vormerkung, auf die sich der Rechtsverkehr eingestellt hat, ist nicht abzuweichen. Bei der Abtretung einer durch eine Vormerkung gesicherten Forderung gilt der Inhalt des Grundbuchs in entsprechender Anwendung des § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB zugunsten des Zessionars im Hinblick auf den Grundbuchstand und den Rang der Vormerkung als richtig. Der Schutz des öffentlichen Glaubens erstreckt sich jedoch nicht auf den Bestand der gesicherten Forderung. Eine analoge Anwendung auf den Zweiterwerb der Vormerkung ist geboten, da die Vormerkung einem dinglichen Recht ähnlich ist und eine vergleichbare Interessenlage besteht.

Für die analoge Anwendung des § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Zweiterwerb der Vormerkung kommt es nicht darauf an, aus welchen dinglichen Gründen die Bestellung der Vormerkung mangelhaft war. Eine Unterscheidung zwischen fehlender Bewilligung des Eigentümers und anderen Unwirksamkeitsgründen wird abgelehnt, da sich die Situation für den schutzwürdigen Erwerber bei fehlender Bewilligung nicht anders darstellt als bei einer Unwirksamkeit der Vormerkung aus anderen Gründen.

Die Klägerin hätte die Vormerkung gutgläubig lastenfrei erwerben können, so dass sie das Eigentum auch ohne die vorrangige Vormerkung des Beklagten hätte erwerben können. Das Berufungsgericht sah dies jedoch anders.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts setzt der Eigentumserwerb aufgrund des vormerkungsgesicherten Anspruchs nicht zwingend voraus, dass der Vormerkungsschuldner unmittelbar an den Anspruchsinhaber und Vormerkungsberechtigten leistet. In einer vergleichbaren Fallkonstellation hat der Senat entschieden, dass die Wirkungen einer dem Käufer bewilligten Auflassungsvormerkung dem Dritten (hier: Streithelferin) zugute kommen können, an den der Verkäufer mit Zustimmung des Käufers übereignet (§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB). Die Streithelferin konnte daher das Eigentum frei von der vorrangigen Vormerkung der Beklagten erwerben.

Dass die Klägerin die Streithelferin ermächtigt hat, die geschuldete Leistung gemäß §§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB zum Empfang der geschuldeten Leistung ermächtigt hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Zugunsten der Revision ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zu unterstellen, dass die Übereignung an die Streithelferin in Erfüllung des durch die Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs erfolgte.

Auch wenn die Streithelferin, anders als in der Entscheidung des Senats, die Vormerkung selbst erworben hat und bei dem Erwerb nicht gutgläubig war, kann ihre Eigentumsübertragung gleichwohl die Wirkung der Vormerkung zugunsten der Klägerin gehabt haben. Entscheidend ist, welche Wirkung die Auflassungsvormerkung zugunsten des Gläubigers im Zeitpunkt der Erfüllung hatte. Denn die Auflassungsvormerkung besteht nur mit dem Inhalt, den sie für den Gläubiger hatte. Ein gutgläubig erworbenes Recht ist im Rechtsverkehr ebenso wirksam wie ein vom Berechtigten selbst erworbenes Recht.

Für dieses Ergebnis spricht auch die Überlegung, dass es demjenigen, der gutgläubig eine Vormerkung erworben hat, nicht angelastet werden kann, wenn er bestimmt, dass die Erfüllung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs gegen einen Dritten erfolgen soll. Ein gutgläubig erworbenes Recht steht einem vom Berechtigten erworbenen Recht gleich. Andernfalls würde die Rechtsstellung des Vormerkungsberechtigten erheblich beeinträchtigt.

Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB können auch bedingte Ansprüche durch eine Auflassungsvormerkung gesichert werden, und nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Vormerkung am 15. Mai 2017 gutgläubig erworben hat.

Bei einem abgeleiteten Erwerb der Vormerkung kommt es für die Gutgläubigkeit des Zessionars auf den Zeitpunkt der Abtretung der gesicherten Forderung an. Nach § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt es für die Gutgläubigkeit auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs an. Am 15. Mai 2017 waren die Auflassungsvormerkungen zugunsten der Beklagten bereits gelöscht, die Widersprüche aber noch nicht eingetragen. Unerheblich ist, ob die aufschiebende Bedingung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs im Zeitpunkt der Abtretung bereits eingetreten war. Entsprechendes gilt für durch Vormerkung gesicherte künftige Ansprüche. Die aufschiebende Bedingung stand der Übertragung der Vormerkung am 15. Mai 2017 nicht entgegen. Ein aufschiebend bedingter Anspruch entsteht bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung und kann daher vor Bedingungseintritt mit der Folge des Sicherungsübergangs nach § 401 BGB abgetreten werden.

Das angefochtene Urteil kann daher nach Auffassung des BGH keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Mangels Entscheidungsreife ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

 

Praxishinweis | BGH V ZR 91/21

Tritt ein Käufer seinen durch eine Vormerkung gesicherten Auflassungsanspruch an einen im Hinblick auf die vorrangige Eintragung gutgläubigen Dritten ab und übereignet der Verkäufer daraufhin das Grundstück an den Käufer als Zwischenerwerber, so kann sich der Zwischenerwerber auf die Wirkungen der Auflassungsvormerkung berufen. Der BGH hat betont, dass dies selbst dann gilt, wenn der Zwischenerwerber bei Erwerb der Vormerkung nicht gutgläubig war.