OLG Schleswig 9 U 128/21
Anfechtung eines Verschmelzungsbeschlusses

02.12.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Schleswig
08.06.2022
9 U 128/21
AG 2022, 747

Leitsatz | OLG Schleswig 9 U 128/21

  1. Das Anfechtungsrecht des Aktionärs ist ein Gestaltungsrecht, dessen Ausübung einen rechtzeitigen und ordnungsmäßigen Widerspruch gegen den Hauptversammlungsbeschluss voraussetzt, wofür der Aktionär die Beweislast trägt.
  2. Ein Übertragungsbeschluss kann von den Aktionären auch noch nach Eintragung ins Handelsregister angefochten werden.
  3. Der Aktionär muss nachweisen, dass er bereits vor Bekanntmachung der Tagesordnung der Hauptversammlung Inhaber der Aktien war, auf die der Widerspruch gestützt wurde.
  4. Hat an der Hauptversammlung ein Legitimationsaktionär oder ein verdeckter Stellvertreter teilgenommen und Widerspruch gegen einen Hauptversammlungsbeschluss erklärt, so muss der wahre Aktionär innerhalb der Anfechtungsfrist, wenn er in den Hauptversammlungsbeschluss anfechten will, offenlegen, wer für ihn in der Hauptversammlung als Legitimationsaktionär oder verdeckter Stellvertreter Widerspruch erklärt hat.

Sachverhalt | OLG Schleswig 9 U 128/21

Im März 2020 schlossen die X Bank und die Beklagte einen Verschmelzungsvertrag, in dem die X ihr gesamtes Vermögen unter Auflösung und ohne Abwicklung übertrug. Einen Monat später berief die X eine Hauptversammlung ein, für die auf der Tagesordnung unter Punkt 6 eine Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien von den Minderheitsaktionären auf die Beklagte gegen eine Barabfindung stattfinden sollte. Auf der virtuell abgehaltenen Hauptversammlung wurde ausweislich der darüber angefertigten notariellen Niederschrift durch die Y GmbH mit der Stimmkarte BBB Widerspruch gegen sämtliche Tagesordnungspunkte eingelegt. Es ergibt sich allerdings kein Widerspruch mit der auf die Y GmbH im Fremdbesitz ausgestellten Stimmrechtskarte AAA aus der notariellen Niederschrift.

Am 5.6.2022 erhob der Kläger Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage. Im parallel geführten Freigabeverfahren stellte der Senat fest, dass die Erhebung der vorliegenden Klage der Eintragung des Beschlusses aus der Hauptversammlung in das Handelsregister nicht entgegensteht (9 AktG 1/20). Die Verschmelzung wurde in das Handelsregister eingetragen.

Der Kläger behauptet, mit der Stimmrechtskarte AAA in der Hauptversammlung Widerspruch gegen die Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 6 erklärt zu haben. Er erklärt weiter, dass ihm nicht nur die Aktien, die der Stimmrechtskarte AAA zugrunde lagen gehörten, sondern auch die der Karte BBB zugrundeliegenden. Damit sei ihm auch der Widerspruch der Y GmbH mit der Stimmrechtskarte BBB zuzurechnen. Der Kläger beantragt festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten zum Tagesordnungspunkt 6 nichtig ist. Dieser lautet: "Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre der Beklagten (Minderheitsaktionäre) werden gem. § 62 Abs. 5 UmwG gegen Gewährung einer von der Z Aktiengesellschaft mit Sitz in Frankfurt a.M. (Hauptaktionärin) zu zahlenden angemessenen Barabfindung i.H.v. ... € je auf den Inhaber lautenden Stückaktie der Beklagten auf die Hauptaktionärin übertragen.“ Hilfsweise beantragt er den Beschluss für nichtig zu erklären.

Das LG wies die Klage ab.

Der Kläger wendet sich nun vor dem OLG Schleswig gegen die Zurückweisung seiner Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage.

Entscheidung | OLG Schleswig 9 U 128/21

Die Berufung des Klägers vor dem OLG hatte keinen Erfolg.

Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass er gegen den Beschluss in der Hauptversammlung der X gem. § 245 AktG Widerspruch eingelegt hat. Somit könne keine Anfechtungsbefugnis begründet werden. Ein Widerspruch käme nur nach § 245 Nr. 1 AktG in Betracht. Jedoch hätte der Kläger die ordnungsgemäße Erklärung eines Widerspruchs gegen den Beschluss darlegen müssen und glaubhaft machen müssen, weil der Widerspruch die Voraussetzung einer Anfechtungsbefugnis ist. Die Anfechtungsbefugnis ist schließlich ein materiell-rechtliches privates Gestaltungsrecht und nicht nur eine Sachurteilsvoraussetzung der Beschlussmängelklage. Vorliegend genügte das vom Kläger Vorgetragene diesem Erfordernis nicht.

Weiterhin verliert ein Minderheitsaktionär mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister seine Stellung als Aktionär, weil seine Aktien dann an den Hauptaktionär übergehen § 327 e III S. 1 AktG. Der Aktionär verliert damit aber nicht die Befugnis gegen die Übertragung, bzw. den Übertragungsbeschluss an sich vorzugehen. Damit hatte der Kläger, obwohl der zum Zeitpunkt der Klageerhebung keine Aktien mehr besaß, dennoch ein Recht gegen den Beschluss vorzugehen – zumindest dies steht der Anfechtungsbefugnis nicht im Wege.

Allerdings hat der Kläger erst nach Ablauf der Frist aus § 246 I AktG erklärt, dass er seine Anfechtungsbefugnis auf die Stimmrechtskarte BBB stütze. Hat ein verdeckter Stellvertreter an der Hauptversammlung teilgenommen und dort Widerspruch zu einem Beschluss erklärt, so muss der wahre Aktionär (hier der Kläger) wenn er seine Anfechtungsklage erhebt innerhalb der Anfechtungsfrist offenlegen wer für ihn den Widerspruch in Stellvertretung erhoben hat. Vorliegend hatte der Kläger behauptet unter der Stimmrechtskarte AAA Widerspruch erklärt zu haben, er berief sich erst später nach Ablauf der Frist auf die Stimmrechtskarte BBB.

Ginge man davon aus, der Kläger habe seine Anfechtungsbefugnis rechtzeitig belegt, wäre der Beschluss jedoch trotzdem nicht anfechtbar. Der Kläger rügt in seinem Schriftsatz vom 9.12.2020 einen Verstoß gegen § 13 I S. 2 UmwG. Der Beschluss habe demnach nur in einer Präsenzversammlung gefasst werden können und nicht, wie vorliegend, in einer virtuellen Hauptversammlung. Jedoch wurde in der Hauptversammlung kein Verschmelzungsbeschluss iSd § 13 I UmwG gefasst, sondern ein Beschluss nach § 62 V S. 1 UmwG über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre. Hierfür besteht kein Erfordernis die Hauptversammlung in persona durchzuführen, die virtuelle Veranstaltung genügte den Anforderungen § 62 V S. 2 UmwG iVm §§ 327a ff. AktG.

Praxishinweis | OLG Schleswig 9 U 128/21

Die Frist aus § 246 I AktG gilt nicht nur für die Erhebung der Klage, sondern auch für alle Anfechtungsgründe, auf die sich der Kläger stützt.

Für einen Beschluss nach § 62 V S. 1 UmwG ist die Durchführung der Hauptversammlung in virtueller Form möglich und ausreichend.