OLG Düsseldorf 12 W 14/22
Anfechtbarkeit einer Zahlungsanweisung an Drittschuldner – Kausalität für Gläubigerbenachteiligung und sofortige Beschwerde gegen „Scheinbeschluss“

23.08.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Düsseldorf
24.10.2022
12 W 14/22
NZI 2023, 124

Leitsatz | OLG Düsseldorf 12 W 14/22

  1. Die Anweisung des Schuldners an seinen Drittschuldner, einen Rechnungsbetrag auf ein bestimmtes Konto zu überweisen, kann eine nach § 129 I InsO anfechtbare Rechtshandlung sein, insbesondere wenn damit gezielt dem Anfechtungsgegner das Geld zugewendet wird, weil er an allen künftigen Auszahlungsansprüchen des Schuldners gegen die konkrete Bank ein Pfändungspfandrecht erlangt hat.
  2. Hat der Anfechtungsgegner auch alle anderen Konten des Schuldners gepfändet, weiß der Schuldner das aber nicht und denkt er, der Anfechtungsgegner werde nur befriedigt, wenn der Drittschuldner auf das bestimmte Konto überweise, ist die anfechtbare Rechtshandlung nicht kausal für die Gläubigerbenachteiligung. Bei der Kausalitätsprüfung darf nur auf den realen Geschehensablauf abgestellt werden, nicht auf hypothetische Kausalverläufe. Daher ist es egal, dass der Schuldner theoretisch von dem Drittschuldner Barzahlung hätte verlangen und so verhindern können, dass das Geld an den Anfechtungsgegner fließt.
  3. Liegt die anfechtbare Rechtshandlung in einer bestimmten Zahlungsweisung, die der Schuldner dem Drittschuldner erteilt, kennt der Anfechtungsgegner den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nur, wenn er die konkrete Zahlungsweisung des Schuldners an den Drittschuldner kennt.
  4. Eine Partei, der ein Schein-Beschluss zugestellt wird, also ein Dokument, das wie ein „echter“ Beschluss aussieht, kann sofortige Beschwerde gegen den Schein-Beschluss erheben. Die sofortige Beschwerde wird aber nachträglich unzulässig, wenn das Gericht die Partei darauf hinweist, dass es sich nur um einen Entwurf des noch zu erlassenden Beschlusses handle und das Dokument daher als gegenstandslos zu betrachten sei.

 

Sachverhalt | OLG Düsseldorf 12 W 14/22

Die Schuldnerin hatte ein Konto bei Bank A und eines bei Bank B, welche beide durch das Finanzamt des beklagten Landes gepfändet wurden. Der Geschäftsführer der Schuldnerin wusste aber nur von einer Pfändung und ging davon aus, dass die Steuerforderungen befriedigt würden, wenn sein Drittschuldner auf das Konto bei A zahle. Aus diesem Grund wies er den Drittschuldner zur Überweisung eines Rechnungsbetrags auf das Konto bei Bank A an. Wegen der Kontopfändung gelangte das Geld an das beklagte Land. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin und hat einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt. Dieser hatte keinen Erfolg, da das LG und OLG davon ausgingen, dass das beklagte Land den Betrag nicht wegen einer Insolvenzanfechtung zurückgewähren müsse. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

Entscheidung | OLG Düsseldorf 12 W 14/22

Die Beschwerde ist erfolglos, da die Klage im Übrigen keine Aussicht auf Erfolg hat. Ein anfechtungsrechtlicher Rückgewähranspruch aufgrund von §§ 143 Abs. 1, 2, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO in Bezug auf die Überweisung der Schuldnerin an das Land ist unbegründet.

Zwar erfolgte die Befriedigung des Landes aufgrund eines auf der Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamts beruhenden Pfändungspfandrechts gem. §§ 309 Abs. 1, 2, 314 Abs. 1, 2 AO. Dies steht der insolvenzrechtlichen Anfechtung gem. § 133 InsO indes nicht entgegen. Grundsätzlich gilt in der Zwangsvollstreckung das Prioritätsprinzip. Dieses wird aber durch die insolvenzrechtliche Anfechtung eingeschränkt, wenn für die Gläubigergesamtheit in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag keine Aussicht besteht, volle Deckung zu erhalten. In diesem Fall tritt der Schutz des Einzelnen hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurück. Folglich begründet ein Pfandrecht, das während der drei Monate vor dem Eröffnungsantrag wirksam geworden ist, in der Insolvenz kein anfechtungsfestes Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO, wenn der Schuldner zur Zeit der Rechtshandlung zahlungsunfähig war, § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Die Anweisung des Geschäftsführers ist eine für die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO erforderliche Rechtshandlung. Grundsätzlich fehlt es an einer solchen, wenn der Gläubiger seine Befriedigung durch Zwangsvollstreckung erlangt. Ausnahmsweise ist eine Rechtshandlung aber gegeben, wenn der Schuldner die Vollstreckungsmaßnahme selbstbestimmt fördert. Ausreichend ist eine mitwirkende Rechtshandlung, die aber ein vergleichbares Gewicht zu der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers haben muss. Dies ist vorliegend der Fall, da der Geschäftsführer sich nicht wie üblich verhielt, sondern durch die Anweisung dafür gesorgt hat, dass auf das bereits gepfändete Bankkonto Zahlungen aus dem allgemeinen Vermögen der Schuldnerin eingegangen sind. Dabei ist irrelevant, dass zuvor zugunsten des Landes Ansprüche auf Auszahlung gepfändet und zur Einziehung überwiesen wurden. Bis zur Überweisung hatte das Land kein insolvenzfestes Pfändungspfandrecht, da es erst durch die Rechtshandlung der Schuldnerin entstanden ist. Bezieht sich die Pfändung auf künftige Forderungen, ist für die Pfandrechtsbegründung und die Anfechtung auf den Zeitpunkt der Forderungsbegründung abzustellen.

Allerdings fehlt es an der Ursächlichkeit der angefochtenen Rechtshandlung für die Gläubigerbenachteiligung. Eine Anfechtung ist nur möglich, wenn die Rechtshandlung in ursächlicher Weise eine Gläubigerbenachteiligung herbeigeführt hat. Würde die Rechtshandlung hinweggedacht, müsste das entäußerte Vermögensobjekt noch uneingeschränkt den Insolvenzgläubigern haften. Ohne die Rechtshandlung müssten die Insolvenzgläubiger daher bessere Befriedigung erlangen. Da vorliegend aber beide Konten der Schuldnerin gepfändet waren, sind die Rechtsfolgen der Rechtshandlung ohne Einfluss auf die Befriedigungsaussichten der Gläubigergesamtheit geblieben.

Zusätzlich scheitert der Anspruch des Antragstellers auch daran, dass das Finanzamt des gegnerischen Landes nichts vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Geschäftsführers wusste.

Eine Beschwerde gegen den versehentlich zugestellten Beschlussentwurf der Kammer ist unzulässig. Die Kammer hatte keinen Willen zu einer tatsächlichen Entscheidung und durch die Stellungnahme und Erklärung der Berichterstatterin ging von der Zustellung des „Scheinbeschlusses“ kein Rechtsschein aus.

 

Praxishinweis | OLG Düsseldorf 12 W 14/22

Das OLG Düsseldorf stellt vorliegend klar, dass die Anweisung des Schuldners an seinen Drittschuldner, einen Rechnungsbetrag auf ein bestimmtes Konto zu überweisen, eine anfechtbare Rechtshandlung sein kann i.S.d. § 129 I InsO. In der Vollstreckung muss er dafür aber die Vollstreckungsmaßnahme selbstbestimmt fördern, seine Handlung muss vergleichbares Gewicht zu der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers haben. Sind alle Konten des Schuldners gepfändet, fehlt es aber an der Ursächlichkeit der Gläubigerbenachteiligung, da die Rechtsfolgen der Rechtshandlung ohne Einfluss auf die Befriedigungsaussichten der Gläubigergesamtheit bleiben.