OLG Karlsruhe 11 W 104/20 (Wx)
Abgrenzung eines Testaments von einem Testamentsentwurf

16.06.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Karlsruhe
11.03.2022
11 W 104/20 (Wx)
ZEV 2022, 724

Leitsatz | OLG Karlsruhe 11 W 104/20 (Wx)

Der Testierwille eines Erblassers bei Errichtung eines handschriftlichen Testaments kann zweifelhaft sein, wenn der Erblasser das Original nicht sorgsam aufbewahrt sowie die Existenz des Testaments gegenüber Dritten nicht bestätigt hat und sich zwei Wochen nach Errichtung der Urkunde von einem Anwalt erbrechtlich hat beraten lassen. (nicht amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt | OLG Karlsruhe 11 W 104/20 (Wx)

Der Erblasser hatte eine Ehefrau (B1), einen Sohn aus zweiter Ehe (B2) und eine Tochter aus erster Ehe (B3). Nachdem er 2016 gestorben ist, fand der Sohn die Kopie einer am 5.4.2010 handschriftlich mit Testament überschriebenen Urkunde des Erblassers in dessen Werkstatt. In dieser hatte er sein Haus, zwei Eigentumswohnungen und sein sonstiges Vermögen B2 und B3 vermacht. Das Original blieb unauffindbar.

Der Sohn beantragt die Erteilung eines Erbscheins, der ihn und seine Halbschwester als Erben zu je einer Hälfte ausweisen soll. Die Ehefrau geht von einer Vernichtung des verschwundenen Originals durch den Erblasser aus. Ihren Ausführungen nach habe er 2010 ein neues Testament verfassen wollen. Er wollte sie finanziell absichern und habe sie auch deshalb geheiratet, um ihr den Status einer gesetzlichen Erbin zu verschaffen. Sie beantragt die Erteilung eines Erbscheins, der sie und die weiteren Beteiligten als gesetzliche Erben im Verhältnis 1/2 (B 1) zu je 1/4 (B 2 u. 3) ausweisen soll.

 

Entscheidung | OLG Karlsruhe 11 W 104/20 (Wx)

Die zulässige Beschwerde von B1 ist begründet. Es kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass es sich bei der Kopie lediglich um einen Testamentsentwurf gehandelt hat.

Die Kopie eines Testaments erfüllt allein nicht die Anforderungen an ein formgültiges privatwirtschaftliches Testament. Somit kann daraus auch kein Erbrecht abgeleitet werden. Allerdings kann die formgerechte Errichtung eines Testaments mit allen Beweismitteln, auch mit einer Kopie, nachgewiesen werden. Zutreffend wurde von dem Nachlassgericht festgestellt, dass das Original vom Erblasser am 05.04.2010 geschrieben wurde und die Anforderungen des § 2247 BGB erfüllte. Hierfür spricht die Kopie, sowie ein Zeugennachweis.

Jedoch müssen letztwillige Verfügungen auch mit dem ernsthaften Willen verfasst werden, ein Testament zu errichten und rechtsverbindliche Anordnungen zu treffen. Insbesondere darf die Urkunde kein reiner Entwurf sein oder eine nur vorbereitende Bedeutung haben. Allein die Erfüllung aller Formerfordernisse des § 2247 BGB und die Überschrift mit „Testament“ können nicht abschließend Auskunft über einen hinreichenden Testierwillen geben. Vielmehr muss der Wille nach § 133 BGB unter Berücksichtigung aller erheblicher, auch außerhalb der Urkunde liegender Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung ausgelegt werden.

Für einen hinreichenden Testierwillen spricht, dass der Erblasser bereits eine Kopie von der Urkunde angefertigt hatte und es ihm bei der späteren rechtsanwaltlichen Beratung allein um inhaltliche Änderungen ging. Außerdem hat er gegenüber Zeugen keine Erklärung dahingehend abgegeben, dass er nur einen Entwurf angefertigt hatte. Jedoch ist eine solche Kennzeichnung bei Laien nicht verbreitet. Insbesondere spricht gegen einen entsprechenden Testierwillen, dass das Original nie gefunden und die Kopie nicht sorgfältig aufbewahrt wurde. Auch scheint wahrscheinlich, dass das Schriftstück nur einen Entwurf darstellte und der Erblasser sich am 05.04.2010 noch in einem Entscheidungsprozess befunden hat. Hierfür spricht, dass er noch nach Errichtung der Urkunde fachliche Beratung gesucht und von verschiedenen Zeugen als unentschlossen beschrieben wurde. Schließlich hatte ihm eine Zeugin zu einer notariellen Errichtung und Verwahrung geraten, was jedoch unterblieben ist.

Somit kann ein Testierwille des E bei Abfassung der Urkunde vom 5.4.2010 nicht sicher festgestellt werden. Demnach verbleibt es bei der gesetzlichen Erbfolge. B 1 erbt gem. §1931 Abs. 1 und Abs. 3, §1371 Abs. 1 BGB mit einer Quote von 1/2, B2 und B3 jeweils mit einer Quote von 1/4.

 

Praxishinweis | OLG Karlsruhe 11 W 104/20 (Wx)

In seiner Entscheidung betont das OLG Karlsruhe die Bedeutung des Testierwillens für die Abgrenzung eines Testaments von einem Testamentsentwurf. Ob ein hinreichender Testierwille vorliegt, ist durch Auslegung gem. § 133 BGB unter Berücksichtigung aller erheblicher, auch außerhalb der Urkunde liegender Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung zu bestimmen. Die Feststellungs- bzw. Beweislast für den Testierwillen trägt derjenige, der Rechte aus der Verfügung herleiten will.