BGH V ZR 2/19
Versteckte Mängel beim Immobilienkauf

09.10.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
06.03.2020
V ZR 2/19
juris

Leitsatz | BGH V ZR 2/19

Die in einem Grundstückskaufvertrag enthaltene Erklärung des Verkäufers, ihm seien keine unsichtbaren Mängel bekannt, rechtfertigt keine Abweichung von dem Grundsatz, dass den Käufer die Darlegungs- und Beweislast für die unterbliebene Aufklärung über offenbarungspflichtige Umstände trifft.

(amtl. Leitsatz)

Sachverhalt | BGH V ZR 2/19

Mit notariellem Vertrag vom 24.07.2013 verkauften die Beklagten unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel den Klägern ein Grundstück das u.a. mit einem Wochenendhaus und einer Motorradgarage bebaut ist. Die Motorradgarage ist mit dem Wochenendhaus verbunden und wurde als Wohnraum genutzt. Zudem enthält der Vertrag eine Erklärung, dass den Beklagten keine unsichtbaren Mängel bekannt seien.

Mit Schreiben vom 16.10.2015 teilte die Bauaufsichtsbehörde den Klägern mit, dass die Motorradgarage ohne Genehmigung zu Wohnzwecken genutzt werde, wodurch die für die Nutzung als Wochenendhaus zulässige Grundfläche von 70m² deutlich überschritten sei. Die Nebengebäude befänden sich außerhalb der überbaubaren Fläche. Es sei beabsichtigt, gegen die baurechtswidrigen Zustände vorzugehen, insbesondere sei daran gedacht, den Rückbau auf das zulässige Maß zu verfügen. Die Kläger erklärten daraufhin die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Die Kläger verlangten von den Beklagten unter anderem die Rückzahlung des Kaufpreises und die Zahlung von Schadenersatz. Die Berufung der Beklagten vor dem OLG ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht führte aus, dass der Kaufvertrag wirksam angefochten werden konnte, da den Klägern vor und bei Vertragsschluss arglistig verschwiegen wurde, dass ein Teil der Räumlichkeiten nicht benutzt werden dürfe. Die gegenteiligen Behauptungen seien nicht bewiesen. Zwar seien die Kläger für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung – was auch die Verletzung einer Offenbarungspflicht umfasse – darlegungs- und beweisbelastet. Hier sei aber bereits aufgrund des notariellen Kaufvertrages der von den Klägern zu erbringende Beweis einer Verletzung der Aufklärungspflicht geführt. Die notarielle Urkunde enthalte an keiner Stelle einen Hinweis auf die unerlaubte Wohnnutzung des Anbaus und eine (vermeintliche) Offenlegung dieses Umstands gegenüber den Klägern sowie des von den Beklagten eingeleiteten bauaufsichtlichen Verfahrens über eine Nutzungsänderung. Vor diesem Hintergrund hätten die Beklagten beweisen müssen, dass eine Aufklärung der Kläger erfolgt sei. Unrichtig sei etwa auch die in dem Notarvertrag enthaltene Erklärung der Beklagten, dass ihnen unsichtbare Mängel nicht bekannt seien.

Entscheidung | BGH V ZR 2/19

Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück. Es sei ein Rechtsfehler unterlaufen, indem dem Beklagten die Beweislast für die von ihnen behauptete Aufklärung über die bauordnungswidrige Wohnnutzung zugewiesen wurde.

Zwar treffe denjenigen, der einen Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechte auch die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der fehlenden Offenbarung (einer offenbarungspflichtigen Tatsache). Hierbei handele es sich auch um eine negative Tatsache bei der dem Käufer die Erleichterungen nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast zugute kämen.

Diese Beweisregel habe das Berufungsgericht allerdings falsch angewandt. Denn allein aufgrund des Inhalts des notariellen Kaufvertrages sei nicht gerechtfertigt, den Beklagten die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass sie den Kläger über den bauordnungswidrigen Zustand des Kaufobjekts aufgeklärt haben.

Dies gelte zunächst hinsichtlich der Erklärung der Beklagten zu unsichtbaren Mängeln. Einer solchen Erklärung komme kein Beweiswert in Bezug auf eine von dem Verkäufer behauptete Aufklärung zu. Habe diese Aufklärung stattgefunden, liege es nämlich nahe, dass der Verkäufer nicht länger von einem unsichtbaren Mangel ausgegangen sei. Hieran vermöge auch die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Kaufvertragsurkunde nichts zu ändern. Sie erstrecke sich nur auf die vollständige und richtige Wiedergabe der getroffenen Vereinbarungen. Dagegen gelte sie nicht für die bei Besichtigungen und Vertragsverhandlungen erteilten Informationen; diese bedürfen nicht der notariellen Vereinbarung und nehmen daher an der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der notariellen Urkunde nicht teil.

Auch im Übrigen sei in diesem Fall eine Umkehr der Beweislast nicht gerechtfertigt. Denn für die dem Käufer obliegende Beweisführung, könne der Inhalt des Kaufvertrages nur eine – je nach den Umständen mehr oder minder große – indizielle Bedeutung haben. Es käme daher nicht mehr darauf an, dass die Vereinbarung, der Grundbesitz werde in dem Zustand verkauft, in dem er sich bei der letzten Besichtigung befunden habe, ohnehin keine Rückschlüsse darauf zulasse, welche Informationen den Klägern in Bezug auf die Zulässigkeit der Wohnraumnutzung vor Vertragsschluss gegeben worden seien.

Praxishinweis | BGH V ZR 2/19

Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der notariellen Kaufvertragsurkunde nicht die gewünschten Auswirkungen auf die Beweislastverteilung bei streitigen Tatsachen hat. In diesem Sinne bleibt es im Hinblick auf die Beweisführung in Gewährleistungssachen von Relevanz, auch den tatsächlichen Umständen wie Besichtigungen und Vertragsverhandlungen, die der notariellen Vereinbarung nicht bedürfen, angemessene Bedeutung zuzuweisen.