BGH V ZR 307/13
Bebauungsplan als aufschiebende Bedingung für Grundstückskaufvertrag

31.03.2016

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
02.10.2015
V ZR 307/13
BeckRS 2015, 18836

Leitsatz | BGH V ZR 307/13

1. Ein Kaufvertrag, mit dem eine Gemeinde ein Grundstück unter der aufschiebenden Bedingung verkauft, dass ein Bebauungsplan mit einem bestimmten Inhalt zustande kommt, verstößt nicht gegen das Koppelungsverbot des § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB.

2. Der Käufer kann sich von einem in dieser Weise aufschiebend bedingten Vertrag lösen, wenn ihm ein Zuwarten auf das Gelingen der Bauleitplanung unzumutbar geworden ist.

Sachverhalt | BGH V ZR 307/13

Mit notariell beurkundetem Grundstückskaufvertrag vom 15.12.2009 kaufte die Beklagte von der klagenden Gemeinde ein Objekt zum Preis von 58.972 € unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung. § 4 des Kauvertrags (KV) enthielt eine Bestimmung folgenden Inhalts:

„Der Kaufpreis ist zur Zahlung fällig, sobald dem Käufer die Mitteilung des Notars zugegangen ist, wonach die zur vertragsgerechten Durchführung des Vertrags erforderlichen Genehmigungen und die Abschreibungsunterlagen des Katasteramtes vorliegen, die lastenfreie Übertragung sichergestellt ist, die in § 7 aufgeführten, von der Verkäuferin herzustellenden bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, sowie nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers im Grundbuch des Kaufgrundstücks."

§ 7 KV lautete auszugsweise:

„Die Verkäuferin verpflichtet sich, bis zur Eigentumsumschreibung die rechtlichen Voraussetzungen dafür herzustellen, dass die auf dem beiliegenden Lageplan gelb dargestellte Fläche als Bauteppich nutzbar ist. Weiterhin verpflichtet sich die Verkäuferin, bis zur Fälligkeit des Kaufpreises den vorhandenen Bebauungsplan dahingehend zu ändern, dass die vorstehenden Nutzungen wie in Absatz 1 beschrieben nutzbar sind. Der Verkäufer hat sicherzustellen, dass auf dieser Fläche eine dreigeschossige Bebauung mit einer Grundflächenzahl von 1,0 und einer Geschossflächenzahl von 1,5 möglich ist."

Auf Nachfrage der Beklagten im Mai 2011 erklärte die Klägerin, dass eine Grundflächenzahl von 1,0 bauleitplanerisch voraussichtlich nicht realisierbar sei. Nach Setzung einer angemessenen Frist erklärte die Beklagte im März 2012 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Im Mai 2012 wurde der Bebauungsplan entsprechend § 7 KV geändert. Die Klägerin verlangte daraufhin von der Beklagten Kaufpreiszahlung.

Ihre Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Dagegen ging sie in Revision.

Entscheidung | BGH V ZR 307/13

Der BGH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, da die getroffenen Feststellungen einen Anspruch der Klägerin auf Kaufpreiszahlung nicht ausschließen können.

Der Kaufvertrag ist nicht nach § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2, Abs. 8 BauGB nichtig. Zwar führen vertragliche Zusagen einer Gemeinde, einen bestehenden Bebauungsplan in einer bestimmten Weise abzuändern, grundsätzlich zur Nichtigkeit der Vereinbarung. Doch gilt dies nicht, wenn lediglich bestimmte Rechtsfolgen für den Fall des Ausbleibens der erstrebten Änderung angeordnet werden, mögen diese auch in Schadens- oder Aufwendungsersatzverpflichtungen der Gemeinde bestehen. Der damit einhergehende indirekte Zwang verkürzt den Abwägungsvorgang nämlich nicht in zweckwidriger Weise, da er der Einhaltung der zu beachtenden Vorgaben rechtlich nicht im Wege steht.

Der streitgegenständliche Vertrag ist nach Auslegung durch den BGH so zu verstehen, dass § 7 KV entgegen seinem Wortlaut keine echte Rechtspflicht der Gemeinde enthält, die durch Leistungsklage der Beklagten durchsetzbar wäre. Dafür spricht bereits der Ausschluss der Sachmängelhaftung, der indiziert, dass die Klägerin nicht den Willen hatte, für bestimmte Eigenschaften des Grundstücks, zu denen auch die Bebaubarkeit gehört, einzustehen. Auch enthält § 7 KV keine Sanktionen für die Nichteinhaltung der gemeindlichen „Verpflichtungen“ mit Ausnahme der dann nicht bestehenden Zahlungspflicht. Schließlich ist bei der Vertragsauslegung grundsätzlich davon auszugehen, dass die Parteien im Zweifel eine gesetzeskonforme Regelung treffen wollen.

Statt einer Rechtspflicht der Klägerin enthält § 7 KV i.V.m. § 4 KV demnach eine zulässige aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Kaufvertrags.

Der Rücktritt der Beklagten geht schon deswegen ins Leere, da zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung der Vertrag mangels Bedingungseintritt schwebend unwirksam war.

Ob § 242 BGB dem Zahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt eines Lösungsrechts bei unzumutbar langem Zuwarten auf die Erteilung einer behördlichen Genehmigung in Betracht kommt, konnte der Senat mangels getroffener Feststellungen der Vorinstanzen nicht entscheiden.

Praxishinweis | BGH V ZR 307/13

Das Urteil bestätigt die bisherige Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Reichweite des Kopplungsverbots des § 1 Abs. 3 Satz 2, Abs. 8 BGB.

Danach kann zwar durch Vertrag keine durchsetzbare Rechtspflicht der Gemeinden zur Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bebauungsplänen geregelt werden. Doch beschränkt sich der zur Nichtigkeit entsprechender Vereinbarungen führende Verbotstatbestand auf die Begründung unmittelbar wirkenden Zwangs durch Schaffung einer Primärpflicht der Gemeinde zu einer bestimmten Bauleitplanung. Die Ausübung indirekten Zwangs ist dagegen grundsätzlich zulässig, sodass die Parteien die Nichtherbeiführung einer bestimmten bauleitplanungsrechtlichen Gestaltung mit Schadens- und Aufwendungsersatzansprüchen verbinden können. Grenze wird aber jedenfalls die Schaffung einer aufgrund wirtschaftlicher Gesichtspunkte faktisch unüberwindbaren Zwangslage der Gemeinde sein müssen.

Ob die vom BGH vorgenommene Auslegung des Vertrags tatsächlich dem objektivierten Parteiwillen entspricht, mag zweifelhaft sein. Zumindest aber lässt er der Beklagten als Rettungsanker den Einwand des § 242 BGB.