BGH XII ZB 583/11
Betreuerbestellung trotz Vorsorgevollmacht

06.09.2012

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
07.03.2012
XII ZB 583/11
ZEV 2012, 374

Leitsatz | BGH XII ZB 583/11

1. Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen (im Anschluss an Senat, NJW 2011, 2135; FamRZ 2011, 964 m.w. Nachw.). (amtlicher Leitsatz)

2. Die Bestellung eines Betreuers muss verhältnismäßig sein, weshalb weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen dürfen; dabei gilt der Grundsatz der Erforderlichkeit auch im Bereich der Vermögenssorge (im Anschluss an Senat, NJW-RR 2011, 1506; FamRZ 2011, 1391). (amtlicher Leitsatz)

3. Der Begriff „Aufgabenkreis“ i. S. des § 1896 Absatz I 1 BGB schließt nicht aus, dem Betreuer gegebenenfalls nur eine einzige Angelegenheit zuzuweisen (BayObLG, NJWE-FER 2001, 151). (amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt | BGH XII ZB 583/11

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Anordnung der Betreuung durch das Amtsgericht.
Der Betroffene erteilte mit notarieller Urkunde vom 25. 1. 2005 dem Beteiligten 1 eine Generalvollmacht und damit Vollmacht ihn in Angelegenheiten gegenüber jedermann, insbesondere Gerichten, Behörden, Privaten, Banken und Sparkassen zu vertreten. Im Dezember 2010 wurde vom Gerichtsvollzieher die Bestellung eines Betreuers beim Amtsgericht beantragt, dieser Antrag wurde damit begründet, dass gegen den Betroffenen ein Vollstreckungstitel vorliegt und der Beteiligte 1 neben der Liquidation der Forderung auch die Abgabe der eidstattlichen Versicherung verhindere, aus diesem Grund ist bereits ein Haftbefehl gegen ihn ergangen.
Das Amtsgericht bestellte durch Beschluss vom 31. 8. 2011 die Beteiligte 2 zur Betreuerin des an Demenz erkrankten Betroffenen, zu ihrem Aufgabenkreis gehören neben Vermögenssorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post auch die Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, diese Entscheidung sei jedoch bis spätestens 31. 8. 2018 zu überprüfen. Die Beschwerde wurde vom LG Mainz (Beschl. v. 26. 10. 2011 – 8 T 206/11, BeckRS 2012, 08229) zurückgewiesen. Hiergegen wurde Rechtsbeschwerde durch den Betroffen und den Beteiligten 1 eingereicht. Auf Antrag der Beschwerdeführer hat der Senat mit Beschluss vom 7. 12. 2011 die Vollziehung des amtsgerichtlichen Beschlusses ausgesetzt. Die Rechtsbeschwerde war erfolgreich.

Entscheidung | BGH XII ZB 583/11

Wie in § 1896 BGB dargestellt, darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.
Ist der Bevollmächtigte ungeeignet, d.h. kann er seine Aufgaben nicht in dem Maße ausführen ohne das Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet wird, dann steht einer Vorsorgevollmacht – wie sie im vorliegenden Fall dem Beteiligten 1 erteilt worden ist – einer Bestellung eines Betreuers nicht entgegen.
Die Bestellung eines Betreuers muss aber den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit gerecht werden, somit dürfen nicht weniger einschneidende Maßnahmen in Erwägung gezogen werden können. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Aufgabenkreis“ i.S.v. § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB die Übertragung einer einzelnen Aufgabe an den Betreuer ebenfalls mit einschließt.
Als Begründung für die erfolgreiche Rechtsbeschwerde wird u.a. angeführt, dass sowohl in der amtsgerichtlichen als auch landesgerichtlichen Entscheidung sich keine Feststellungen finden lassen, die eine Ungeeignetheit des Bevollmächtigen darlegen. Auch Erwägungen aus welchen Gründen der Bevollmächtigte nicht kooperativ ist, sind nicht ersichtlich.
Die Tatsache, auf die der Gerichtsvollzieher seinen Antrag auf Bestellung eines Betreuers stützte, entfiel im Laufe der Verhandlungen, da die titulierte Forderung von 39 Euro beglichen wurde und die Betreuerin dies auch bestätigte. Dieser Aspekt ist demgemäß vom Senat zu berücksichtigen.

Praxishinweis | BGH XII ZB 583/11

Meist werden Partner und Familienangehörige zu Vorsorgebevollmächtigen von betreuungsbedürftigen Personen bestellt, diesen gibt der BGH durch seinen Beschluss nun mehr Sicherheit. Die Gerichte können zwar weiterhin eine Betreuung anordnen, jedoch bestätigt der BGH eine gesetzliche Subsidiarität der Betreuung gegenüber der Vorsorgevollmacht. Als Ziel wird hierbei die Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes der nicht mehr geschäftsfähigen, meist älteren Person angesehen. Somit wird in der Regel eine Fremdbetreuung verhindert, wenn jemand eine Vorsorgevollmacht im Hinblick auf künftige Geschäftsunfähigkeit erteilt.
Auch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass im Einzelfall anstelle eines Betreuers auch ein Kontrolleur bestellt werden kann. Zu dessen Aufgaben zählen die Überwachung des Vorsorgebevollmächtigten und die gegebenenfalls notwendige Widerrufung der Vollmacht. Diese Bestellung ist jedoch auch nur gerechtfertigt, wenn sich Anzeichen ergeben, dass der Bevollmächtigte ungeeignet ist oder nicht zum Wohle des Betreuten handelt.