KG 22 W 48/22
Zur wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH und Offenlegung gegenüber dem Registergericht

07.03.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
12.10.2022
22 W 48/22
GmbHR 2023, 172

Leitsatz | KG 22 W 48/22

  1. Von einer wirtschaftlichen Neugründung ist auszugehen, wenn die Kapitalgesellschaft eine "leere Hülse" ist, also kein aktives Unternehmen betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebiets – in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfen kann.
  2. Eine wirtschaftliche Neugründung ist gegenüber dem Registergericht offenzulegen und der Geschäftsführer hat mit der Anmeldung der weiteren Eintragungsgegenstände entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG zu versichern, dass die in § 7 Abs. 2, 3 GmbHG bezeichneten Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt sind und der Gegenstand der Leistungen sich - weiterhin oder jedenfalls wieder - in seiner freien Verfügung befindet. (amtl. Leitsätze)

Sachverhalt | KG 22 W 48/22

Die seit Februar 2022 im Handelsregister eingetragene beteiligte GmbH, die ihren Sitz nach Berlin verlegt hat, begehrt die Eintragung ihrer am 30.3.2022 angemeldeten Änderungen der Firma sowie des Unternehmensgegenstands.

In der Gesellschafterversammlung vom 19.1.2022, in der die Sitzverlegung beschlossen wurde, wurde zugleich die Bestellung des Herrn AD zum Geschäftsführer sowie die Entpflichtung der bis zu diesem Zeitpunkt geschäftsführenden Gesellschafter, der Herren HF und AS, beschlossen. Eine in den Registerordner aufgenommene Gesellschafterliste vom 25.2.2022 weist Herrn AD zudem als Alleingesellschafter der Beteiligten aus.

Unter Beifügung eines Gesellschafterbeschlusses meldete der zwischenzeitlich als Geschäftsführer eingetragene Herr AD am 30.3.2022 die Änderung der Firma und des Unternehmensgegenstandes zur Eintragung an.

Das Registergericht ist der Auffassung, es handele sich um eine wirtschaftliche Neugründung in der Form der Mantelverwendung, die offenzulegen und eine Versicherung entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG abzugeben sei. Einzureichen sei daher eine auf das Ende des letzten Wirtschaftsjahres aufgestellte und durch die Geschäftsführung unterzeichnete Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung. Eingereicht wurde nur eine Summen- und Saldenliste des Dezembers 2021.

Entscheidung | KG 22 W 48/22

Das KG wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Die Anmeldung sei entsprechend §§ 9c Abs. 1 S. 1, 7 Abs. 2, 3 GmbHG zu Recht zurückgewiesen worden. Es fehle die Versicherung entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG des Geschäftsführers, der die wirtschaftliche Neugründung nicht anlässlich der Anmeldung offengelegt habe.

Mit der Anmeldung der Veränderung der Firma und des Gesellschaftsgegenstands sei der Geschäftsführer der Beteiligten verpflichtet gewesen, entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG zu versichern, dass die in § 7 Abs. 2, 3 GmbHG bezeichneten Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt seien und der Gegenstand der Leistungen sich – weiterhin oder jedenfalls wieder – in seiner freien Verfügung befinde. Dies habe der Geschäftsführer der Beteiligten entgegen der Auflage des Registergerichts nicht getan. Die von ihm mit der Beschwerde eingereichte Summen- und Saldenliste zeige auf, dass Beteiligte s im Dezember 2021 kein Unternehmen mehr führte.

Das Registergericht dürfe gem. § 26 FamFG von Amts wegen ermitteln und auch weitere Nachweise einfordern, wenn ihm Anhaltspunkte einer sog. „wirtschaftlichen Neugründung“ vorlägen, so hier geschehen.
Nach der Rechtsprechung des BGH seien die Regeln der sog. „wirtschaftlichen Neugründung“ anwendbar, wenn die Gesellschaft eine „leere Hülse“ sei, also kein aktives Unternehmen betreibe, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebiets – in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfen könne. Zum wirksamen Gläubigerschutz solle die Umgehung von Gründungsvorschriften vermieden werden. Ansonsten sei die gesetzliche und gesellschaftsvertragliche Kapitalausstattung bei Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht gewährleistet. Indizien für die wirtschaftliche Neugründung seien eine Firmen- oder Unternehmensgegenstandsänderung, Sitzverlegung, Austausch der Geschäftsführung und Geschäftsanteilsveräußerungen. Das KG führt aus, dass alle genannten Indizien auf den vorliegenden Fall zuträfen.

Die Beteiligte hätten nicht dargelegt, dass es sich bei den seit Anfang des Jahres 2022 in die Wege geleiteten Veränderungen lediglich um eine wirtschaftliche Neuausrichtung handele. Vor allem sei der ursprüngliche Unternehmensgegenstand, der ein primär handwerkliches und ortsbezogenes Unternehmen nahelege wohl nicht vereinbar mit einer Übernahme eines Kundenstamms bei Sitzverlegung nach Berlin. Der angemeldete Unternehmensgegenstand, der sich auch in der angemeldeten Firma der Beteiligten widerspiegele, lasse im Gegenteil den Schluss zu, dass hier der alte unternehmenslose GmbH-Mantel mit einem Unternehmen habe ausgestattet werden sollen. Es habe sich um eine vollständige Änderung der Unternehmensausrichtung gehandelt, die eine Übernahme von Personal- und Sachausstattung nahezu ausschließe.

Das KG betont zuletzt noch einmal, dass die mit der Beschwerde eingereichten Liste der „Summen und Salden (pro Monat) Dezember 2021“ eine Mantelverwertung unterstreiche. Danach seien für den Monat Dezember keine Eintragungen vorhanden, die eine relevante unternehmerische Tätigkeit der Beteiligten nahelegen würden. Bereits der Umfang der Eintragung spreche im Gegenteil für eine „inhaltslose Hülle“.

Praxishinweis | KG 22 W 48/22

Es ist interessant, dass in der Praxis immer wieder Fälle der wirtschaftlichen Neugründung vor Gericht kommen, vor allem solche, bei denen die Indizien für das Registergericht auf der Hand liegen. So hatte das KG auch im April 2022 einen umgekehrten Fall zu entscheiden, in dem eine bisher im Bereich Unternehmensberatung tätigen Gesellschaft nach Änderung im Bereich Garten- und Landschaftsbau tätig werden sollte (Senat, Beschluss v. 27.04.2022 - 22 W 19/22 - n.v.). Auch wenn es keine Verlustdeckungshaftung für die Vorrats- und Mantelgesellschaftsverwendung gibt, so ist auch die modifizierte Unterbilanzhaftung nicht aus den Augen zu verlieren. In der notariellen Praxis sollte auf die Besonderheiten bei der Mantelverwendung immer hingewiesen werden.