OLG Rostock 4 U 79/18
Zur Unwirksamkeit einer Vorlagesperre im Bauträgervertrag nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB

10.04.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Rostock
21.12.2021
4 U 79/18
RNotZ 2022, 545

Leitsatz | OLG Rostock 4 U 79/18

  1. Eine im Bauträgervertrag enthaltene Vereinbarung, wonach der Erwerber erst dann als Eigentümer eingetragen werden kann, wenn dieser den gesamten Kaufpreis für das auf dem Grundstück errichtete Einfamilienhaus entrichtet hat, führt zu einer Vorleistungspflicht des Erwerbers und somit zum Verlust des Leistungsverweigerungsrechts aus § 320 BGB. (redaktioneller Leitsatz)
  2. Ist hierfür kein sachlicher Grund gegeben, ist eine solche Klausel als unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. (redaktioneller Leitsatz)

Sachverhalt | OLG Rostock 4 U 79/18

Die Drittwiderbeklagte ist Eigentümerin des streitgegenständlichen Baugrundstücks, der Kläger ist Gesellschafter der Drittwiderbeklagten. Beide verkauften das Grundstück am 22.05.2021 an die Beklagten. In dem notariell beurkundeten Vertrag mit Bauverpflichtung verpflichtete sich der Kläger einen geschlossenen Rohbau für ein Einfamilienhaus auf dem verkauften Grundstück zu errichten.

Der Vertrag enthielt in § 6 u. a., dass unabhängig von ihrer Leistungspflicht untereinander, die Parteien den Notar gemeinsam anweisen, die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erst zu veranlassen, wenn die Zahlung des gesamten Kaufpreises nachgewiesen ist.

In § 10 des Vertrages wurde vereinbart, dass das Eigentum an dem veräußerten Grundbesitz von dem Verkäufer auf den Käufer übergehen soll und die Parteien bewilligten und beantragten die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch auf den Käufer.

Die Beklagten zahlten die Abschlags- und Schlussrechnung über Zusatzleistungen nicht und zogen ohne den Willen des Klägers in das Haus ein. Mit anwaltlichem Schreiben forderten sie den Kläger zur Beseitigung einer Vielzahl von gerügten Mängeln und zu Restarbeiten auf. Der Kläger forderte die Beklagten zur Zahlung der offenen Beträge auf. Die Drittwiderbeklagte hat vorgetragen, solange die Beklagten ihre Verpflichtungen nicht erfüllt hätten, seien sie auch nicht als Eigentümer im Grundbuch einzutragen.

Entscheidung | OLG Rostock 4 U 79/18

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Insbesondere ist die im Bauträgervertrag enthaltene Vorlagesperre nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Bei der in Rede stehenden vertraglichen Vorlagesperre handelt es sich unstreitig um eine von der Bauträgerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB. Dies wurde auch nicht bestritten, es wurde sich lediglich auf die Wirksamkeit der Klausel berufen. Die Klausel, die vorsieht, dass der Erwerber erst als Eigentümer eingetragen werden kann, wenn er den gesamten Kaufpreis für das errichtete Einfamilienhaus entrichtet hat, führt zu einer Vorleistungspflicht des Erwerbers und somit zum Verlust seines Leistungsverweigerungsrechts aus § 320 BGB. Laut Rechtsprechung des BGH ist dies eine unangemessene Benachteiligung und im Lichte des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nur wirksam, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein ausreichender sachlicher Grund für die bewirkte Pflicht zur Vorleistung ist bei Abwägung mit den entstehenden Nachteilen für den Erwerber nicht ersichtlich. Daher ist die Klausel unwirksam.

Die Unwirksamkeit der vorgenannten Klausel führt nach § 306 Abs. 1 BGB zur Wirksamkeit des Vertrags im Übrigen. Die Parteien haben gemäß § 10 des Notarvertrags mit Vertragsschluss bereits wirksam die Auflassung erklärt und lediglich die Eintragung der Beklagten im Grundbuch durch die in § 6 vorgesehene Vorlagesperre gehemmt. Somit sind die Beklagten gemäß der erklärten Auflassung und Eintragungsbewilligung ins Grundbuch einzutragen.

Da die Berufung bereits aus den genannten Gründen unbegründet ist, kommt es auf die Ausführungen des LG zum Erlöschen des Restvergütungsanspruchs des Klägers durch Aufrechnung nicht mehr an.

Praxishinweis | OLG Rostock 4 U 79/18

Regelmäßig will der Verkäufer von Grundbesitz sein Eigentum erst verlieren, wenn der geschuldete Kaufpreis vollständig bezahlt ist. In der notariellen Praxis wird dies durch verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten bewirkt. Auch im Bauträgerrecht besteht das Bedürfnis, die Kaufpreiszahlung zu sichern. Allerdings darf die Vertragsgestaltung etwaige Leistungsverweigerungsrechte des Käufers nicht beeinträchtigen. Auch die vorliegende Entscheidung verdeutlicht, dass die Formulierung entsprechender Vorlagesperren im Bauträgerrecht für die (AGB-rechtliche) Wirksamkeit bedeutsam sein kann. Hierbei ist entscheidend, ob die konkrete Klausel einer Zug-um-Zug-Verurteilung durch ein Prozessgericht entgegenstünde. In der Literatur werden vor diesem Hintergrund Klauseln vorgeschlagen, die die Verpflichtung des Bauträgers gegenüber dem Käufer zur Freigabe des Vollzugs der Eigentumsumschreibung Zug-um-Zug gegen Zahlung des geschuldeten Kaufpreises vorsehen.