BFH I R 42/18
Zur steuerlichen Rückwirkung eines notariellen Nachtragsvermerks zu einem Gewinnabführungsvertrag

20.10.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
13.07.2022
I R 42/18
juris

Leitsatz | BFH I R 42/18

  1. Gewinnabführungsverträge sind nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich her- aus auszulegen. Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte im Vertrag finden, können zur Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden.
  2. Die Korrektur einer Unstimmigkeit in einem Gewinnabführungsvertrag durch einen notariellen Nachtragsvermerk nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG entfaltet jedenfalls dann keine steuerliche Rückwirkung, wenn sich der tatsächlich gewollte Vertragsinhalt nicht objektiv aus den Vertragsregelungen heraus ergibt und unklar ist, wie eine mögliche Lücke in der Vertragsurkunde zu füllen ist.

 

Sachverhalt | BFH I R 42/18

Die V-GmbH war alleinige Gesellschafterin der Klägerin, einer GmbH, und hatte mit dieser 1991 einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag (GAV) bis Ende 1996 abgeschlossen. 2012 wurde ein Nachtragsvermerk für den Vertrag gem. § 44a Abs. 2 S. 1, 2 BeurkG angefertigt. Darin wurde festgelegt, dass sich der Vertrag automatisch um ein weiteres Jahr verlängern würde, sollte er nicht ein Jahr vor seinem Ablauf schriftlich gekündigt werden. Daraufhin hat das Registergericht das Bestehen des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag in das Handelsregister nachgetragen. Die Klägerin führte 2006 und 2009 ihren Gewinn an die V-GmbH ab.

Das beklagte Finanzamt war der Ansicht, dass die Laufzeit des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag wegen fehlender Verlängerung abgelaufen war. Er wurde daher steuerrechtlich nicht anerkannt und der abgeführte Gewinn dem Einkommen der Klägerin außerbilanziell als verdeckte Gewinnausschüttungen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG an die V-GmbH hinzugerechnet. Das FG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

 

Entscheidung | BFH I R 42/18

Die Revision ist unbegründet. Der GAV hatte für die Streitjahre keine steuerrechtliche Wirksamkeit. Nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG bedarf es für eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft u.a. eines zivilrechtlichen GAVs für mindestens fünf Jahre. Vorliegend endete dieser jedoch am 31.12.1996 und wurde nicht verlängert.

Ein GAV ist nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen. Umstände, für die sich im Vertrag keine ausreichenden Anhaltspunkte finden, können auch dann nicht zur Auslegung herangezogen werden, wenn die Mitglieder und Organe davon wissen. Insbesondere gilt dies für Umstände außerhalb des Vertrags und des Handelsregisters. Diese strengen Kriterien ergeben sich aus der Notwendigkeit, den Finanzbehörden eine sichere Prüfungs- und Bewertungsgrundlage zu schaffen. Bei einer Steuerfestsetzung gegen das falsche Subjekt, kann eine Änderung aufgrund der Bestandskraft nicht ohne Weiteres bei dem richtigen Steuersubjekt erfolgen. Sollte wegen verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Körperschaftsteuer dann nicht mehr festgesetzt werden können, würde eine mögliche Haftung nach § 303 AktG ins Leere gehen.

Der GAV unterliegt zunächst der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht. In den Jahren 2006 und 2009 bestand er aber nicht mehr, da das Ende des Vertrags auf 1996 festlegt war. Eine anderweitige Auslegung ist nicht möglich. Zwar kann angenommen werden, dass aufgrund des fehlenden Absatzes 2 eine weitere Regelung gewollt war. Jedoch ist weder festzustellen, dass diese eine automatische Verlängerung regeln sollte, noch für welche Zeit und unter welchen Bedingungen diese erfolgen sollte. Regelungen der von den Schwestergesellschaften der Klägerin am selben Tag abgeschlossenen Gewinnabführungsverträgen, als außerhalb des GAV liegende Umstände, könnten nur miteinbezogen werden, wenn keine Interessen von Dritten beeinträchtigt würden. Bei der Kündigungsklausel eines GAV ist dies aber der Fall. Selbst bei Bezugnahme auf die Schwesterverträge kann nicht zweifelsfrei angenommen werden, dass die dortige Regelung auch für die Klägerin übernommen werden sollten. Schließlich ergibt sich nichts anderes daraus, dass der GAV weitergeführt wurde. Denn dies fand erst nach seinem Ende statt und kann daher nicht in die Auslegung miteinfließen.

Auch der Nachtragsvermerk führt nicht zu einer steuerrechtlichen Anerkennung des GAV. Zwar können nach § 44a Abs. 2 S. 1 BeurkG offensichtliche Unrichtigkeiten richtiggestellt werden. Allerdings war vorliegend, der von den Vertragsparteien tatsächlich gewollte Vertragsinhalt nicht offensichtlich, da der Vertrag keinen bestimmten Erklärungsinhalt erkennen ließ. In jedem Fall kann ein, Jahre später gefertigter, Nachtragsvermerk keine steuerrechtliche Rückwirkung entfalten und ein beendeter GAV nicht nachträglich wiederaufleben. Denn dies würde dem Rechtsgedanken des § 38 AO widersprechen, wonach Steueransprüche entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, der an die Leistungspflicht knüpft.

 

Praxishinweis | BFH I R 42/18

In der notariellen Praxis kommt es durchaus vor, dass Zustimmungsbeschlüsse zu Gewinnabführungsverträgen bekundet werden müssen, selbst wenn dies für den Gewinnabführungsvertrag selbst nicht gilt. Eine Berichtigung von Fehlern durch den Notar kann in Niederschriften erfolgen, dies sollte jedoch zeitnah vorgenommen werden.