KG Berlin 10 U 92/21
Zur Parteifähigkeit der GmbH nach Löschung

09.10.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG Berlin
02.03.2023
10 U 92/21
GmbHR 2023, 608

Leitsatz | KG Berlin 10 U 92/21

Eine GmbH bleibt im Passivprozess auch nach ihrer Löschung parteifähig, wenn sie möglicherweise noch einen Ersatzanspruch gegen den Liquidator gemäß § 73 Absatz GmbHG hat.

Sachverhalt | KG Berlin 10 U 92/21

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Maklerprovision. Dies sollte gemäß der „Maklerprovisionsvereinbarung“ für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Kaufvertrages über ein Grundstück gezahlt werden. Die Beklagte ist eine GmbH. Das Grundstück wurde allerdings nicht durch die GmbH, sondern durch ihren Geschäftsführer persönlich erworben. Bei einem ersten Treffen habe der Kaufentschluss des Geschäftsführers bereits bestanden. Die Maklerprovisionsvereinbarung unterschrieb er jedoch namens der GmbH. Spätestens mit Entwurf des Kaufvertrags habe der Geschäftsführer die Kontaktdaten der Verkäuferin erhalten. Im Laufe des Gerichtsverfahrens wurde die GmbH aus dem Handelsregister gelöscht. In erster Instanz war die Beklagte zur Zahlung der Maklerprovision verurteilt worden. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein.

Entscheidung | KG Berlin 10 U 92/21

Die Berufung der Beklagten wies das KG gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurück, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern, ferner eine mündliche Verhandlung nicht geboten war.

Das KG verwies für seine Begründung wesentlich auf einen am 19.12.2022 erteilten Hinweisbeschluss und bestätigte den Provisionsanspruch der Klägerin. Gemäß § 652 Abs. 1 BGB steht dem Makler ein Provisionsanspruch zu, wenn ein wirksamer Maklervertrag vereinbart wurde, der Makler gemäß § 652 Abs. 1 BGB den „Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags“ erbracht hat, ein Hauptvertrag zustanden gekommen ist und der Hauptvertrag infolge der Tätigkeit des Maklers zustande gekommen ist (Althammer, in MüKo-BGB, § 652 BGB, Rn. 45 ff.).

Das KG sah diese Voraussetzungen hier als gegeben an.

Es wertete den Abschluss der „Maklerprovisionsvereinbarung“ hier zunächst als Abschluss eines Maklervertrags. Unbeachtlich sei hier, dass die Beklagte vorgebracht hatte, ihr waren Objekt und Hausverwaltung bereits vor Abschluss des Maklervertrages bekannt gewesen. Jedenfalls hätten diese Informationen nicht ausgereicht, um Kontakt mit den Eigentümern aufzunehmen. Der notariell beurkundete Kaufvertrag über das Grundstück kam nach Ansicht des KG auch mit der GmbH zustande. Dass der Grundstücksvertrag nur mit dem Geschäftsführer persönlich zustande kam, stehe dem nicht entgegen. Eine wirtschaftliche Identität liege auch dann vor, wenn der Vertrag hinsichtlich der Person vom beabsichtigten Vertrag abweiche. Eine unmittelbare Identität sei nicht erforderlich, vielmehr reiche der gleiche wirtschaftliche Erfolg aus. Unerhebliche Abweichungen seien bedeutungslos. Ob eine wirtschaftliche Identität vorliegt ist dabei Frage der tatrichterlichen Würdigung und nach dem Einzelfall zu bemessen. So hatte der BGH selbst für den Fall eine wirtschaftliche Identität gegeben, in dem eine andere GmbH das angebotene Grundstück später erwarb (BGH vom 05.10.1995 - III ZR 10/95 = NJW 1995, 3311). Da das KG nach diesen Grundsätzen hier eine wirtschaftliche Identität als gegeben ansah und auch eine Ursächlichkeit der Maklerleistung für den Vertragsschluss bejahte, bestand ein Provisionsanspruch hier. Auch eine Verwirkung der Maklerprovision nach § 654 BGB habe die Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

Die Löschung der Beklagten aus § 394 Abs. 1 FamFG führe zudem nicht zum Verlust ihrer Parteifähigkeit gemäß § 50 Abs. 1 ZPO. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die gelöschte Gesellschaft noch über verwertbares Vermögen verfüge, bleibt diese auch nach der Löschung rechts- und parteifähig. Bei einem Passivprozess sei dies dann der Fall, wenn die Gesellschaft noch über verwertbares Vermögen verfüge. Für die GmbH wird dies bei einem Ersatzanspruch gegen den Liquidator nach § 73 Abs. 3 GmbHG zu bejahen sein. Da dies hier nicht von vornherein ausgeschlossen war, blieb die Beklagte hier parteifähig.

 

Praxishinweis | KG Berlin 10 U 92/21

Mit seinem Beschluss hat das KG Berlin die Rechtsprechung des BGH (BGH vom 25.10.2010 – II ZR 115/09= NJW-RR 2011, 115) und BAG (BAG vom 04.06.2003 – 10 AZR 448/02 = NZA 2003, 1049) zur Parteifähigkeit der GmbH nach ihrer Löschung Das KG stellt ferner fest, dass auch der nur mittelbare Abschluss eines Kaufvertrages durch den Geschäftsführer für private Zwecke einen Provisionsanspruch begründen kann. Damit schiebt das KG Umgehungstatbeständen, die einen Provisionsanspruch durch ein Handeln der Organe im eigenen Namen vorsehen, einen Riegel vor (so KG vom 02.03.2023 – 59 O 117/19, Anm. Santa/Schiller, GWR 2023, 174).