OLG Düsseldorf I-3 Wx 122/23
Zur Dringlichkeit der Bestellung eines Notgeschäftsführers

17.04.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Düsseldorf
14.09.2023
I-3 Wx 122/23
ZIP 2024, 188

Leitsatz | OLG Düsseldorf I-3 Wx 122/23

  1. Ein dringender Fall iSv § 29 BGB liegt vor, wenn ohne die Bestellung eines Notgeschäftsführers der juristischen Person oder einem Beteiligten – und dazu gehören auch Gläubiger der Gesellschaft – Schaden droht, wozu die Beeinträchtigung jeglicher Rechtsposition ausreicht.
  2. Ob die Möglichkeit, nach § 57 ZPO einen Prozesspfleger bestellen zu lassen, die Dringlichkeit beseitigt, bleibt offen.
  3. Bei der Dringlichkeitsprüfung ist auch zu berücksichtigen, wenn die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 I FamFG zu erwarten ist.

Sachverhalt | OLG Düsseldorf I-3 Wx 122/23

Die betroffene Gesellschaft (…BAU … GmbH), wurde im Juni 2020 durch den Tod ihres alleinigen Geschäftsführers und einzigen Gesellschafters betroffen. Kein neuer Geschäftsführer wurde ernannt und keine neuen Gesellschafter traten bei. Das Registergericht leitete im März 2021 ein Löschverfahren gemäß § 394 FamFG wegen Vermögenslosigkeit ein, welches aufgrund des Widerspruchs mehrerer Gläubiger vorerst stagnierte. Am 24.03.2023 wies das Amtsgericht Düsseldorf zwei Anträge auf Insolvenzeröffnung mangels Masse zurück.

Am 07.12.2022 beantragte die Beteiligte die Bestellung eines Notgeschäftsführers für vier Wochen. Die betroffene Gesellschaft hatte zuvor 2014 mit der Beteiligten einen Generalunternehmervertrag abgeschlossen. Die Beteiligte sei darin zugunsten der betroffenen Gesellschaft als Bürgin einer „…kasse“ gemäß (seinerzeit) § 648a BGB eingesetzt worden; für alle Forderungen der Bürgin gegen sie aus dem Aval habe sie der „…kasse“ das Guthaben auf einem Termingeldkonto von ursprünglich gerundet 144.000 EUR, heute noch rund 125.000 EUR verpfändet.

Trotz erloschener Ansprüche aus dem Vertrag weigerte sich die Bürgin, den Avalkredit freizugeben. Die Beteiligte benötigte die verpfändeten Mittel dringend für Gewährleistungsarbeiten am Bauvorhaben. Die außergerichtlichen Versuche, die Bürgin zur Freigabe zu bewegen, blieben erfolglos. Die Bestellung des Notgeschäftsführers wurde als notwendig erachtet, um die Führungslosigkeit der betroffenen GmbH zu beheben.

Das Amtsgericht teilte am 09.05.2023 mit, dass die Einleitung/Wiederaufnahme des Amtslöschungsverfahrens erneut geprüft werde. Nach der Bitte der Beteiligte um rechtsmittelfähige Entscheidung wurde der Bestellungsantrag durch das Gericht am 15.06.2023 zurückgewiesen. Die Beteiligte legte am 13.07.2023 erfolglos Beschwerde ein.

Entscheidung | OLG Düsseldorf I-3 Wx 122/23

Das Rechtsmittel ist zulässig, aber unbegründet. In der Sache handelt es sich um eine befristete Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG.

Die Beschwerde ist unbegründet, weil kein dringender Fall vorliegt.

Gemäß § 29 BGB kann das AG in dringenden Fällen das Vertretungsorgan einer GmbH bestellen. Gleiches gilt für die Liquidatoren während der Liquidationsphase gemäß § 48 II BGB. Diese Regelungen für Vereine finden entsprechende Anwendung auf GmbHs. Ein dringender Fall liegt vor, wenn ohne die Notbestellung Rechtspositionen der juristischen Person – einschließlich Gläubiger – beeinträchtigt werden. Die Frage, ob die Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO die Dringlichkeit beseitigt oder ob § 29 BGB Vorrang hat, ist umstritten. Die Befugnisse des Notbestellten werden durch den amtsgerichtlichen Bestellungsbeschluss festgelegt, der spezifische Wirkungskreise beschränken kann. Innerhalb dieses Rahmens ist das Notorgan dem bestellten Organ gleichgestellt.

Gegen die Annahme einer Dringlichkeit der Bestellung sprechen hier folgende Erwägungen:

  1. Die Beteiligte hat keinen über das übliche Maß für eine unternehmerisch tätige Gesellschaft hinausgehenden Liquiditätsbedarf vorgetragen. Der gewöhnliche Bedarf wurde unsubstantiiert dargelegt, ohne Angabe von ausstehenden Gewährleistungsarbeiten und mutmaßlichen Kosten.
  2. Die Annahme, dass die Beteiligte dauerhaft von der Freigabe des verpfändeten Betrags ausgeschlossen wäre, ohne gegen die betroffene Gesellschaft vorzugehen, trifft nicht zu. Das Amtsgericht hat mitgeteilt, dass voraussichtlich eine Löschung der GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit erfolgen wird. Eine solche Löschung führt zur liquidationslosen Auflösung der Gesellschaft, da ein Liquidationsverfahren sinnlos ist, wenn die Gesellschaft über keine verwertbaren Aktiva verfügt.
  3. Bei vollständigem Fortfall der GmbH existiert kein Bürgschaftsgläubiger mehr, da die betroffene Gesellschaft die Bürgin bisher nicht in Anspruch genommen hat. Daher wäre ein Vorgehen gegen die Bürgin auf Freigabe des verpfändeten Guthabens aufgrund des Fortfalls des Sicherungszwecks nicht nur möglich, sondern auch zumutbar.
  4. Sollten im Löschungsverfahren relevante Vermögenswerte auftauchen, wäre unabhängig vom Antrag der Beteiligte ein Notliquidator für deren Verteilung zu bestellen.

Praxishinweis | OLG Düsseldorf I-3 Wx 122/23

In der Regel folgt auf die Zurückweisung eines Antrags auf Insolvenzeröffnung aufgrund mangelnder Masse ein gerichtliches Verfahren des Registergerichts zur Löschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit. Falls Gläubiger davon überzeugt sind, dass die Gesellschaft noch Vermögen besitzt, sollten sie diese Überzeugung in diesem Verfahren darlegen, da daraufhin von Amts wegen ein (Not-)Liquidator durch das Gericht bestellt wird.