BFH II R 32/20
Zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei der vertraglichen Übernahme von Erschließungskosten durch den Grundstückskäufer

11.12.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
28.09.2022
II R 32/20
RNotZ 2023, 310

Leitsatz | BFH II R 32/20

Veräußert eine erschließungspflichtige Gemeinde ein Grundstück und übernimmt der Erwerber dabei die vertragliche Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs regelmäßig nur das unerschlossene Grundstück.

Sachverhalt | BFH II R 32/20

Die Klägerin und ihr Ehemann erwarben 2018 von der erschließungspflichtigen Gemeinde je einen Miteigentumsanteil an einem unbebauten und unerschlossenen Grundstück. In dem Kaufvertrag wurde der Gesamtpreis in einen Teilbetrag für den verkauften Grund und Boden und einen weiteren für die Erschließungskosten aufgesplittet.

Das beklagte Finanzamt setzte Grunderwerbssteuer fest und legte hierfür als Bemessungsgrundlage den Gesamtpreis, einschließlich der Erschließungskosten zu Grund. Das FG hat die Klage hinsichtlich einer Minderung der Bemessungsgrundlage um die Erschließungskosten abgewiesen. Der Kaufvertrag sei dahingehend auszulegen, dass die Gemeinde den Käufern das Grundstück in erschlossenem Zustand zu verschaffen habe. Das Verbot, zivilrechtliche Vereinbarungen über die öffentlich-rechtliche Erschließungslast zu treffen, rechtfertige nicht, in der Klausel eine öffentlich-rechtliche Ablösungsvereinbarung nach § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB zu sehen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin

 

Entscheidung | BFH II R 32/20

Die Revision ist begründet und das Urteil wird aufgehoben. Die angefochtenen Bescheide sind dahin zu ändern, dass die Erschließungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind.

Gem. § 8 Abs. 1 GrEStG ist beim Grundstückskaufvertrag die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer die Gegenleistung. Diese ist dabei der Kaufpreis, aber auch alle übernommenen sonstigen Leistungen. Für diese Einordnung ist entscheidend, in welchem Erschließungszustand das Grundstück vertraglich geschuldet ist. Ist das Grundstück bei Abschluss des Kaufvertrags bereits erschlossen, so kann nur das erschlossene Grundstück Vertragsgegenstand sein und die Erschließungskosten im Kaufvertrag sind grundsätzlich als Teil der Gegenleistung anzusehen (auch wenn der Veräußerer eine Gemeinde ist). Liegt hingegen noch keine Erschließung vor, müssen die vertraglichen Vereinbarungen ausgelegt werden, um zu ermitteln, ob ein erschlossenes Grundstück Gegenstand der Übereignungsverpflichtung sein soll.

Gegenstand des Erwerbes ist meist nur das unerschlossene Grundstück, wenn die Gemeinde Veräußerin ist und der Erwerber die Verpflichtung übernimmt, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen. Die Erschließung ist grundsätzlich Aufgabe der Gemeinden gem. § 123 Abs. 1 BauGB. Zwar besteht die Möglichkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages über Erschließungsbeträge, der u.a. mit einem privatrechtlichen Vertrag verbunden werden kann, sofern eine Trennung zwischen den privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Elementen klar möglich ist, § 133 Abs. 3 S. 5 BauGB. Im Gegenschluss ergibt sich hieraus jedoch, dass eine privatrechtliche Vereinbarung darüber nach § 134 BGB nicht möglich ist. Solange also die Erschließungsbeiträge im Vertrag gesondert ausgewiesen sind, ist der gesamte Vertrag in eine privatrechtliche Vereinbarung und einen öffentlich-rechtlichen Vertrag hinsichtlich der Erschließungsbeiträge aufzuteilen.

Zwar ist das Revisionsgericht in der Regel an die Auslegung von Verträgen gebunden. Hat jedoch das vorinstanzliche Gericht eine Auslegung unterlassen oder ist diese fehlerhaft, kann der BFH die Auslegung selbst vornehmen, wenn alle hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen sind. Dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung nach, ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die eine Nichtigkeit des angestrebten Vertrags vermeidet. Diesen Grundsatz hat die Vorinstanz missachtet. Daher kann der BFH vorliegend den streitgegenständlichen Kaufvertrag dahin auslegen, dass ein unerschlossenes Grundstück verkauft und daneben eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung i.S.d. § 133 Abs. 3 S. 5 BauGB über die Ablösung des Erschließungsbeitrags getroffen werden sollte.

 

Praxishinweis | BFH II R 32/20

Der BFH stellt in der vorliegenden Entscheidung klar, dass die vom Käufer übernommene Verpflichtung zur Übernahme der Erschließungskosten beim Kauf eines unerschlossenen Grundstücks von der erschließungspflichtigen Gemeinde nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbssteuer einzubeziehen ist. Es ist jedoch zu beachten, dass privatrechtliche Vereinbarungen über die Erschließungskosten unzulässig sind. Im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags ist eine solche Vereinbarung gem. § 133 Abs. 3 S. 5 BauGB zwar möglich. Hierfür ist jedoch notwendig, dass die Erschließungskosten in einem separaten öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt werden oder zumindest im Kaufvertrag die Erschließungskosten gesondert ausgewiesen werden.