BGH IV ZB 34/21
Zum Verhältnis von postmortaler Vollmacht und Testamentsvollstreckung

04.04.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
14.09.2022
IV ZB 34/21
ZErb 2022, 466

Leitsatz | BGH IV ZB 34/21

Das Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall aufgrund einer Auslegung der Vollmachtsurkunde und der letztwilligen Verfügung unter Berücksichtigung des Erblasserwillens ermittelt werden.

Sachverhalt | BGH IV ZB 34/21

Die Erblasserin E erteilte ihrer Enkelin am 31.01.2020 eine Vorsorgevollmacht, die auch nach ihrem Tod weitergelten soll. Danach kann die Enkelin sie in allen persönlichen Angelegenheiten sowie Vermögensangelegenheiten gerichtlich vertreten. Am 11.02.2020 bestimmte E ihre Enkelin in einem eigenhändigen Testament zur Alleinerbin. Zudem bestellte sie in dem Testament zwei Testamentsvollstrecker. Der Testamentsvollstrecker A ist Rechtsanwalt und soll das anhängige Güterrechtsverfahren gegen den getrenntlebenden Ehemann der E nach ihrem Tod weiterführen. Der Testamentsvollstrecker B soll bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der Enkelin für die übrigen Angelegenheiten zuständig sein. Gleichzeitig erteilte E dem B eine Vollmacht auf den Todesfall, wonach B die E in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten gegenüber jedermann und in jeder Weise vertreten kann.

Nach dem Tod von E erklärte die Enkelin eine Antragsrücknahme in dem güterrechtlichen Verfahren. Der Antragsgegner nahm dies sofort an. Das AG erklärte die Antragsrücknahme für wirksam, da die Enkelin aufgrund der transmortalen Vollmacht gehandelt hat. Der Testamentsvollstrecker B legte dagegen eine sofortige Beschwerde ein. Diese wurde vom OLG zurückgewiesen. Hiergegen wandte sich B mit der Rechtsbeschwerden an BGH. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der vorgenannten Antragsrücknahme durch die Enkeltochter.

Entscheidung | BGH IV ZB 34/21

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig aber unbegründet, da B zur Einlegung der sofortigen Beschwerde beim OLG nicht beschwerdebefugt war. Nach Ansicht des BGH war B nicht gemäß § 2224 BGB neben dem Testamentsvollstrecker A zur Fortführung des Güterrechtsverfahrens berufen und konnte daher auch nicht daran mitwirken.

Der BGH führt aus, dass der Erblasser bei Ernennung mehrerer Testamentsvollstrecker diesen jeweils einen bestimmten Wirkungskreis zuweisen kann, innerhalb dessen sie unabhängig voneinander handeln können. Die Aufgabenbereiche der einzelnen Testamentsvollstrecker, sowie deren Umfang richten sich nach dem Willen des Erblassers, welcher durch die Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln ist.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Testaments der E, dass nur A zur Fortführung des güterrechtlichen Verfahrens berufen sein soll. Eine Gesamtvollstreckung kommt aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Testaments ebenfalls nicht in Betracht. B wurde ausdrücklich nur zur Testamentsvollstreckung außerhalb des Güterrechtsverfahrens berufen. Die Beschwerdebefugnis ergibt sich auch nicht aus dem § 2224 II BGB, wonach der Testamentsvollstrecker auch unabhängig von den anderen handeln darf, wenn dies als notwendige Erhaltungsmaßnahme erforderlich ist. Zwingende Voraussetzung für die Anwendung des § 2224 II BGB ist die Gesamtvollstreckung, welche, wie oben ausgeführt, nicht gegeben ist.  

Die Beschwerdebefugnis ergibt sich auch nicht aus der B erteilten postmortalen Generalvollmacht. Die Testamentsvollstreckung und die postmortale Generalvollmacht stehen zunächst unabhängig und ohne bestimmte Rangfolge nebeneinander, so dass den Beteiligten durch beide Institute eigenständige Befugnisse eingeräumt werden können. Es kann nicht allgemein angenommen werden, dass die Testamentsvollstreckung im Umfang der Generalvollmacht eingeschränkt werden soll oder umgekehrt. Das Verhältnis der beiden Institute zueinander ist stets im Einzelfall zu prüfen. Dabei ist ihre Rangfolge nach dem wirklichen Willen des Erblassers zu bestimmen. Dies erfolgt durch die Auslegung der Vollmachtsurkunde und der letztwilligen Verfügung, sowie unter Berücksichtigung der Begleitumstände, des verfolgten Zwecks und der bestehenden Interessenlage.

Vorliegend ist die dem B erteilte Vollmachtsurkunde dahingehend auszulegen, dass die durch die Generalvollmacht eingeräumten Befugnisse im inneren Zusammenhang mit den Aufgaben der Testamentsvollstreckung stehen. B wurde am selben Tag zum Testamentsvollstrecker und als Bevollmächtigter auf Todesfall ernannt. Daraus lässt sich entnehmen, dass die Befugnisse des B als Bevollmächtigten nicht über die Befugnisse der Testamentsvollstreckung hinaus gehen sollen. Die Generalvollmacht bezieht sich nicht ausdrücklich auf die Durchsetzung von Ansprüchen in dem vorgenannten Güterrechtsverfahren.

Der Wille der E ist daher nicht darauf gerichtet, die Fortführung des Verfahrens durch B sicherzustellen.

Praxishinweis | BGH IV ZB 34/21

Mit dieser Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass die Institute der Testamentsvollstreckung und der postmortalen Generalvollmacht grundsätzlich gleichrangig nebeneinanderstehen. Erst durch Auslegung des Erblasserwillens kann die Rangfolge bei kollidierenden Befugnissen ermittelt werden.

Dies hat in der Praxis weitreichende Auswirkungen, da der Testamentsvollstrecker und der Bevollmächtigte oft widerstehende Interessen verfolgen. Das Verhältnis von Testamentsvollstreckung und Generalvollmacht sollte in der Vollmachtsurkunde und in der letztwilligen Verfügung daher ausdrücklich geregelt werden. Nur durch die klar abgegrenzten „Machtbefugnisse“ der einzelnen Beteiligten kann sichergestellt werden, dass es nach dem Erbfall nicht zu Unklarheiten und unerwünschten Ergebnissen kommt.