BGH V ZR 144/21
Zulässigkeit der Frist zur Ausübung des gemeindlichen Wiederkaufsrechts

22.11.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
16.12.2022
V ZR 144/21
NotBZ 2023, 174

Leitsatz | BGH V ZR 144/21

Bei einem Verkauf von Bauland an einen privaten Käufer im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags zu einem marktgerechten Preis stellt sich die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde für den Fall, dass der Käufer das Grundstück nicht innerhalb von acht Jahren mit einem Wohngebäude bebaut oder ohne Zustimmung der Gemeinde unbebaut weiterveräußert, selbst dann nicht als unangemessen i.S.v. § 11 Absatz II 1 BauGB dar, wenn eine Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht nicht vereinbart ist und dieses somit innerhalb der in § 462 S. 1 BGB geregelten Frist von 30 Jahren ausgeübt werden kann.

Sachverhalt | BGH V ZR 144/21

Der Beklagte kaufte von der Beklagten, eine Gemeinde in Bayern, ein Grundstück zu einem marktüblichen Preis. Im notariell beurkundeten Kaufvertrag verpflichtete sich der Kläger, das bezugsfertige Wohngebäude entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans innerhalb von acht Jahren nach Abschluss des Kaufvertrags zu errichten. Für den Fall, dass der Beklagte das Gebäude nicht fristgemäß erbaute oder das Grundstück in unbebautem Zustand ohne Zustimmung der Klägerin weiterveräußerte, verpflichtete er sich zur kosten- und lastenfreien Rückübertragung an die Beklagte. In der Folgezeit errichtet der Beklagte kein Wohngebäude. Die Gemeinde machte daraufhin von ihrem Wiederkaufsrecht Gebrauch. Das Landgericht Landshut verurteilte den Beklagten, das Grundstück an die Klägerin aufzulassen und die Eintragung der Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu bewilligen. Auf die Berufung des Beklagten hin, hob das OLG München die Klage auf und wies das Urteil ab. Hiergegen richtete sich die Revision der Klägerin.

Entscheidung | BGH V ZR 144/21

Der BGH hob das Urteil des OLG München auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG München zurück und bejahte das Wiederkaufsrecht der Beklagten aus § 456 i. V. m. 433 BGB. Da im Kaufvertrag selbst keine ausdrückliche Ausübungsfrist geregelt war, greife die gesetzliche Ausübungsfrist des § 462 Abs.1 BGB. Diese beträgt 30 Jahre.

Der BGH bejahte das Vorliegen eines städtebaulichen Vertrages gemäß § 11 Abs.1 Nr. 2 BauGB. Er stellte zunächst klar, dass bei städtebaulichen Verträgen § 11 Abs.2 BauGB als spezielle Regelung die §§ 305 ff. BGB verdrängt.

Die Ausübungsfrist sei auch nicht gemäß § 11 Abs. 2 BauGB unangemessen.

Ein Vertrag ist gemäß § 11 Abs. 2 BauGB angemessen, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert  der von der Behörde erbrachten oder zu erbringenden Leistung steht und die vertragliche Übernahme von Pflichten auch sonst zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner der Behörde führt (BGHZ 206, 120 Rn. 19 m.w.N.; BGH, NVwZ, 539, 540).

Demnach liege hier keine ungemessene Benachteiligung des Käufers im Sinne der Vorschrift vor. Der Abschluss städtebaulicher Verträge stellt ein städtebauliches Mittel zur schnellen Bebauung des Plangebiets vor. Sie dient der Vermeidung von Baulücken. So soll die Erschließung weiterer Baugebiete möglichst vermieden werden. Die Vereinbarung stellte dabei ein herkömmliches Gestaltungsmittel der Gemeinde dar. Die Gemeinde könnte den Käufer jedoch im Rahmen ihres Plangebiets ebenso durch Bescheid zur zügigen Errichtung einer Wohnbebauung verpflichten. Daher ist eine solche Klausel für sich noch nicht gemäß § 11 Abs. 2 BauGB unwirksam.

Auch ergibt sich eine unangemessene Benachteiligung nicht dadurch, dass dem Käufer kein Nachlass auf den Verkehrswert gewährt werde. Denn dieser wolle das im Baugebiet belegene Grundstück regelmäßig ohnehin bebauen, sodass es keines besonderen Nachlasses auf den Verkehrswert beim Kauf des Grundstücks bedürfe. Gegen eine Unangemessenheit spreche auch nicht, dass der Wiederkaufspreis dem damaligen Kaufpreis entspräche. Dies entspräche der in § 456 II BGB getroffenen Zweifelsregelung sowie dem Umstand, dass der Käufer seinerseits gezogene Nutzungen nicht an den Verkäufer herauszugeben verpflichtet sei.

Zuletzt spräche auch die 30-jährige Wiederkaufsfrist nicht für eine Unangemessenheit. Der BGH würdigte zwar, dass sich die Frist aus Sicht des Käufers als sehr lang darstelle und die Möglichkeit eines Wiederkaufs für die Dauer der Frist „wie ein Damoklesschwert“ über ihm schwebe. Dieser Umstand sei aber der gesetzlichen Wertung des § 462 Abs. 1 BGB geschuldet, die bei der Beurteilung der Unangemessenheit gemäß § 11 Abs. 2 BauGB entsprechend berücksichtigt werden müsse. Sie bevorteile die Gemeine auch nicht einseitig, weil die lange Frist ihr ein Agieren in Einzelfällen, etwa bei einem unverschuldet in eine finanzielle Notlage geratenen Käufers ermöglich.

Zuletzt sei eine Unangemessenheit auch nicht entsprechend der Grundsätze des „Einheimischenmodells“ zu verneinen. Denn die Rechtsprechung zur Beurteilung der Angemessenheit getroffener Regelungen im Rahmen des Einheimischenmodells sei nicht auf den hiesigen Sachverhalt übertragbar. Denn während bei dem Einheimischenmodell lange Bindungsfristen und Veräußerungsverbote aus den öffentlich-rechtlichen Anforderungen einer hohen „Subventionierung“ Einheimischer beim Kauf von Bauland resultierten, werde dem Käufer hier keine langfristige Bindungsfrist auferlegt, die nur mit einer angemessen hohen Subvention zu rechtfertigen wäre. Dem Käufer stünde es im hier vielmehr frei, sich durch eine Bebauung des Grundstücks jederzeit von der Frist zu lösen und das Wiederkaufsrecht der Gemeinde zu erlöschen zu bringen. Er sei auch nicht erheblich gebunden gewesen. Laut dem notariellen Kaufvertrag sei ihm, neben der Verpflichtung der Bebauung innerhalb von acht Jahren, lediglich untersagt gewesen, das Grundstück im unbebauten Zustand zu veräußern.

Praxishinweis | BGH V ZR 144/21

Die Grundsatzentscheidung des BGH stellt eindrücklich klar, dass Ausübungsfristen bzgl. des gemeindlichen Wiederkaufsrechts im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages allein an § 11 Abs. 2 BauGB und nicht an den §§ 305 ff. BGB zu messen sind. Der BGH stellt umfassende Grundsätze zur Prüfung der Angemessenheit derartiger Klauseln auf und bejaht im Ergebnis selbst die Angemessenheit einer 30-jährigen Ausübungsfrist. Da lange Ausübungsfristen durch die Parteien oftmals nicht gewollt sind, ist hier eine gestalterische Anpassung durch kürzere Bebauungsfristen von 3 bis 5 Jahren sowie eine Ausübungsfrist von 7 bis 12 Jahren ab Beurkundung zu empfehlen (ausführlich und mit näherer Begründung van de Loo/Hammel, NotBZ 2023, 174, 176).